Sportartikel Gift im Schuh
Sie haben Werbespots gedreht, in denen eine dunkle Stimme raunt: "Männer werden zu Legenden." Clips, in denen Lukas Podolski den "Brazuca"-Ball streichelt oder ein von Kunstnebel umwaberter Marco Reus spürt, dass "etwas in der Luft liegt".
Es sind Spots, in denen mit der Fußball-Weltmeisterschaft geworben wird, jenem Globalereignis, mit dem Milliarden zu verdienen sind, gerade für die Sportartikelhersteller. Doch das große Fußballfieber haben Adidas und Puma mit ihren Werbefilmen noch nicht erzeugen können: Im Auftaktquartal des Fußballjahres brach bei beiden sogar der Gewinn ein. Und ob sich ihre Fußballschuhe und T-Shirts in den nächsten Wochen besser verkaufen, ist zumindest fraglich.
Denn eine Studie der Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigt, dass sich ausgerechnet in den WM-Kollektionen von Adidas, Nike und Puma giftige Chemikalien finden. Fast alle der 33 untersuchten Fußballschuhe, Shirts und Torwarthandschuhe waren mit Nonylphenolen (NPEs) und perfluorierten Chemikalien (PFCs) belastet. Selbst der getestete Adidas-WM-Ball "Brazuca" enthielt pro Kilogramm 20 Milligramm der hormonell wirksamen und potenziell gesundheitsschädlichen Nonylphenole.
Die Untersuchung ist Teil der Detox-Kampagne, die Greenpeace 2011 startete, um auf die schädliche Wirkung von Risikochemikalien aufmerksam zu machen. Die Gifte stecken nicht nur in der Kleidung, sondern verschmutzen etwa in China und Indonesien die Flüsse und machen das Trinkwasser ungenießbar. 20 Textilhersteller, darunter die drei Sportausrüster, hatten sich deshalb verpflichtet, bis 2020 auf die Chemikalien zu verzichten.
Doch der Entgiftungseifer, das zeigt die neue Untersuchung, scheint verflogen. Im Gegensatz etwa zu H&M oder Mango führt Greenpeace Adidas und Nike als "Greenwasher" - Firmen also, die nur so tun, als würden sie an einer Verbesserung arbeiten. Gerade Adidas, 2011 als Detox-Pionier gestartet, verschanze sich hinter "leeren Papierversprechen", heißt es. Der Konzern aus Herzogenaurach könne einen Rekordumsatz von zwei Milliarden Euro mit Fußballprodukten erwarten, so Greenpeace-Chemieexperte Manfred Santen. "Doch was die Firma den Fans nicht sagt: Viele Schuhe und Handschuhe sind immer noch mit gesundheitsschädigenden Chemikalien belastet."
Bei Adidas dagegen ist man sich keiner Schuld bewusst. Eine Gefahr für die Verbraucher bestehe bei keinem der Produkte. Die Rückstandsfunde erklärt eine Sprecherin mit "Verunreinigungen" und "Verschleppungen".
Alles also halb so wild?
Das Problem, so Chemieexperte Santen, liege darin, dass viele der Stoffe in Alltagsprodukten steckten und sich im Körper anreichern könnten. Grenzwerte gibt es in Europa nicht. Nur Norwegen hat reagiert, bei der giftigen Perfluoroctansäure (PFOA): Von Juni an dürfen dort keine Textilien mehr verkauft werden, die mehr als ein Mikrogramm der Säure pro Quadratmeter enthalten. Intern gilt dieses Limit längst auch bei Adidas. Greenpeace fand in dem Fußballschuh "Predator" trotzdem 14,5 Mikrogramm PFOA - was 14-fach über den eigenen Richtwerten liegt. Auf Nachfrage zieht sich der Konzern auf die "in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorgaben" zurück - die es eben nicht gibt.
Auch bei Nike verschanzt man sich hinter der formellen Sicherheit der Produkte. Zudem sei man nicht rechenschaftspflichtig: Die Belastungen seien nicht gesundheitsgefährdend und lägen weit unter der Meldepflicht der EU-Chemikalienverordnung REACH. Die war nach jahrelangem Lobbykampf der Industrie entsprechend weichgespült in Kraft getreten.
Puma, bislang von Greenpeace als "Trendsetter" in Sachen Detox eingestuft, habe bereits 2012 einen Verzicht auf Nonylphenole "kommuniziert", sagt eine Sprecherin. Warum dennoch 76 Milligramm pro Kilo davon in den getesteten Torwarthandschuhen auftauchen? Das Produkt erfülle "alle gesetzlichen Vorgaben", kommt als Antwort.
Doch es sind nicht nur die Giftrückstände, die die WM-Begeisterung dämpfen könnten. Vor allem Adidas hatte zuletzt immer wieder Probleme mit den Arbeitsbedingungen. Im April legten Tausende Arbeiter einer Fabrik in der chinesischen Provinz Guangdong die Arbeit nieder. Sie sahen sich um Sozialversicherungsbeiträge geprellt. Adidas zog seine Aufträge zurück.
Genauso verfuhr der Konzern nach einer besonders hartnäckigen Auseinandersetzung in Indonesien. Dort streikten Arbeiter bei einer Tochterfirma von Panarub Industry, einem der lizenzierten WMZulieferer. Ihnen war die gesetzliche Lohnerhöhung vorenthalten worden. Der Streik sei "ungenehmigt" gewesen, so eine Sprecherin - als ob Streiks einer Genehmigung bedürften. Dennoch habe Adidas Hilfe angeboten.
Davon aber haben ehemalige Arbeiterinnen wenig mitbekommen. Sie berichten dem SPIEGEL von endlosen Überstunden, selbst Schwangere sollen gezwungen worden sein, bis 22 Uhr zu arbeiten.
Adidas nennt die Vorwürfe "pauschal", es gebe keinen "Nachweis auf Korrektheit". Und 2013 wurde der Betrieb geschlossen.
Panarub Industry, die verantwortliche Mutterfirma, darf für Adidas weitermachen. Da laufe schließlich alles korrekt.