Motorsport „Gespür für Reife“
Der ehemalige Formel-1-Pilot Gerhard Berger, 55, über Mick Schumacher und Karrierewege im Autorennsport
Berger: Er geht in eine Art Grundschule. Ein junger Bursche, der aus der Kartszene kommt, lernt dort drei neue Bereiche kennen: die Dimensionen eines Rennwagens, dessen Mechanik und Aerodynamik. Ein Formel-4-Auto ist vergleichsweise simpel. Es gibt Front- und Heckflügel, im mechanischen Bereich beschränken sich die Möglichkeiten, etwas einzustellen, auf Federn, Stabilisatoren und Reifendruck. Man lernt von der Pike auf, welchen Einfluss diese Faktoren auf das Fahrverhalten haben und wie sie ineinandergreifen.
SPIEGEL: Wie lange sollte der Weg bis in die Formel 1 am besten dauern?
Berger: Es wird oft der Fehler gemacht, einen idealen Zeitplan festzulegen, ohne zu berücksichtigen, wie sich ein Junge eigentlich entwickelt. Das Gespür für die Reife ist wahnsinnig wichtig, um ihn nicht zu überfordern. Jungs stecken mit 15 oder 16 fast noch in der Pubertät. Manch einer braucht länger, um im Kopf so weit zu sein.
SPIEGEL: Mick Schumacher ist erst 16 Jahre alt. Der Niederländer Max Verstappen hat es mit 17 sogar schon in die Formel 1 geschafft. Warum sind viele Autorennfahrer inzwischen so jung?
Berger: Der Kartsport hat einen riesigen Aufschwung erlebt, Kinder fangen sehr früh an. Hinzu kommt, dass Verstappen aus einer Rennfamilie stammt. Er wurde in das Milieu hineingeboren.
SPIEGEL: Sein Vater Jos war in der Formel 1 vor rund 20 Jahren Teamkollege von Michael Schumacher. Hilft es, einen berühmten Namen zu tragen oder gar vom Vater gemanagt zu werden?
Berger: Es hat seine Vorteile. Man kann Wege vorzeichnen und mit Telefongesprächen mit den richtigen Leuten manches vereinfachen. In diesem Geschäft ist es schwierig, Leute zu finden, mit denen du vertrauensvoll zusammenarbeiten kannst. Es besteht die Gefahr, beim Falschen zu landen und sich die Karriere zu verbauen.
SPIEGEL: Sie selbst haben vier Töchter. Rennsport war für Ihre Kinder kein Thema?
Berger: Nein. Leider. Ich hätte gern einem Sohn mit meinen Erfahrungen und Kontakten geholfen.