GESTORBEN WłADYSłAW BARTOSZEWSKI, 93
An diesem Montag hätte er an den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen teilnehmen sollen. Das Redemanuskript dazu lag fertig da, als der Rettungswagen vorfahren musste. "An die Zukunft denkend, darf man die Vergangenheit nicht vergessen", las Polens Premierministerin Ewa Kopacz bei dem Treffen in Warschau dann aus der Rede vor. Dieser Satz ist keine wohlfeile Kopfgeburt des Geschichtsprofessors Bartoszewski. 1922 in Warschau geboren, hat er die blutige Geschichte des 20. Jahrhunderts am eigenen Leib durchlitten. Nach ihrem Überfall auf Polen verhafteten die Deutschen Bartoszewski und schickten ihn ins Konzentrationslager Auschwitz. Von dort kam er auf Drängen des Roten Kreuzes frei, um sich sogleich bei "Zegota" zu engagieren, einer Untergrundorganisation, die Juden vor den Nazis rettete. Den Warschauer Aufstand gegen die Besatzer erlebte Bartoszewski als Soldat der polnischen Untergrundarmee. Nach dem Krieg steckten ihn die neuen, kommunistischen Machthaber wegen angeblicher Spionage für insgesamt sieben Jahre ins Gefängnis. Erneut kam er in Haft, als die Kommunisten in den Achtzigerjahren die freie Gewerkschaft Solidarność verboten. Ausgerechnet dieser Mann wurde noch vor dem endgültigen Zusammenbruch des Ostblocks zu einem der wichtigsten Fürsprecher der deutsch-polnischen Annäherung, für die er sich später auch in seinen beiden Amtszeiten als Außenminister einsetzte. Eines seiner wichtigsten Bücher trägt den Titel: "Und reiß uns den Hass aus der Seele". Władysław Bartoszewski starb am 24. April in Warschau.