Unternehmer Ein Sumpf von Schulden
Mit zwei Erfolgsmeldungen wollte Alan Bond die achtziger Jahre beschließen. Zum einen steuerte der australische Geschäftsmann in der letzten Woche des vergangenen Jahres einen Sieg bei der wichtigsten Hochsee-Regatta des fünften Kontinents an. Zum anderen wollte Bond seine hochverschuldete Holding durch eine Milliarden-Transaktion entlasten.
Der sportliche Triumph gelang. Zwei Tage vor Jahresultimo glitt das vier Millionen Mark teure Bond-Boot "Drumbeat" als erstes ins Ziel des harten Drei-Tage-Rennens von Sydney nach Hobart auf Tasmanien.
Geschäftlich aber war dieser Tag der schlimmste in der mehr als 30jährigen Unternehmerkarriere des 51jährigen Bond. Noch ehe, wie geplant, seine Bond Corporation Holdings ihre Brauereien an eine Konzerntochter verkaufen konnte, bestellte das Oberste Gericht des Bundesstaates Victoria in Melbourne auf Antrag eines internationalen Gläubiger-Syndikats einen Zwangsverwalter für Bonds Bier-Reich.
Ihren Gang vor Gericht begründeten die Gläubigerbanken damit, daß ihr Schuldner Kreditverträge gebrochen habe. Entgegen den Vereinbarungen habe Bond Mittel von profitablen Brauerei-Töchtern abgezogen, um damit seine schwer angeschlagene Holding zu stützen.
Der im westaustralischen Perth residierende Konzernherr legte zwar sofort Berufung gegen die Gerichtsentscheidung ein. Aber selbst wenn es ihm gelingen sollte, den Richter rasch zum Rückzug des Zwangsverwalters zu bewegen, sind Bonds Tage als Regent über ein weitverzweigtes Brau- und Bau-, Medien- und Minen-Imperium gezählt.
Mit Schulden von fast sieben Milliarden australischer Dollar (etwa 9,4 Milliarden Mark) ist die Bond-Holding so stark belastet, daß die Gläubiger immer ungeduldiger auf einen Verkauf wertvoller Firmentöchter drängen. Einer der Gläubiger, eine staatliche Versicherungsgesellschaft in Westaustralien, wollte dies sogar durch Gerichtsbeschluß erzwingen. Sie beantragte, unabhängig von dem Verfahren in Melbourne, in Perth die Liquidation der gesamten Bond-Holding, was allerdings Ende vergangener Woche abgelehnt wurde.
Ein Bond-Bankrott wäre nicht nur der weitaus größte Unternehmenskollaps in Australien. Er hätte auch international Großformat.
In den Pleite-Strudel würden eine der größten Brauerei-Gruppen der Welt sowie Australiens wichtigste TV-Gesellschaft gerissen. Chiles nationale Telefon-Gesellschaft, australische Kohlenminen und Ölfelder, an denen Bond Anteile hält, wären ebenso betroffen wie Zeitungsverlage, Hotels und Handelsfirmen im Heimatland des Australiers oder ein Luftschiff-Produzent und ein Satellitenfernseh-Projekt in Großbritannien.
Mit Alan Bond käme einer der schillerndsten, wagemutigsten und einst erfolgreichsten Unternehmer der Welt zu Fall. Schneller als mancher Schachspieler seine Figuren schob der bullige Australier Firmenanteile hin und her. Lange Zeit schien es, als gewinne er stets dabei.
So stieg Bond in Australiens größte Diamantenmine ein und mit Profit wieder aus. Er schlug aus einem Ölfeld in Südaustralien, das ihm der Voreigentümer spottbillig überlassen hatte, riesigen Gewinn. Er raffte die größte private Goldminen-Gruppe seines Landes zusammen, die er später wieder losschlug. Und er zog Verwaltungsgebäude, Handelszentren, Wohnsiedlungen und Ferienanlagen in einem Tempo hoch, als spiele er Monopoly.
Mit seinen vielfältigen geschäftlichen Aktivitäten anscheinend nicht voll ausgelastet, engagierte sich der Firmenjongleur auch in Wissenschaft, Kunst und Sport. Der Selfmademan, der einst die Oberschule vorzeitig verlassen hatte, gründete Australiens erste private Universität, die Bond University in Queensland.
Im Herbst 1987 trumpfte er auf dem internationalen Kunstmarkt auf. Knapp 54 Millionen US-Dollar ließ es sich der geltungssüchtige Geldmann kosten, ein Gemälde Vincent van Goghs ("Schwertlilien") auf den fünften Kontinent zu holen. Die Summe ist die höchste, die je für ein Kunstwerk ausgegeben wurde.
Noch größer war der Wirbel, den Bond vier Jahre zuvor im Segelrevier der US-Hafenstadt Newport verursacht hatte. Nach drei vergeblichen Anläufen hatte der Mann aus Perth dort 1983 als erster Nichtamerikaner die älteste und angesehenste Segel-Trophäe der Welt, den America's Cup, gewonnen.
"Bondy", bis dahin nur in Westaustralien eine Größe, war damit schlagartig weltbekannt. Die segelsportverrückten Australier feierten ihren Landsmann, der im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern aus England eingewandert war, wie einen nationalen Helden.
Seine Berufslaufbahn hatte Bond als Schildermaler begonnen. Mit Hilfe seines Schwiegervaters wechselte der Jungvermählte - er hatte mit 17 Jahren die fast gleichaltrige Tochter eines gutsituierten Wollhändlers geheiratet - ins Immobilienfach.
Dort war sehr viel mehr Geld zu verdienen als beim Schildermalen. Schon mit 20 Jahren hatte Bond nach eigenen Angaben seine erste Dollar-Million gemacht.
Im westaustralischen Immobilienboom der sechziger Jahre ging es weiter rasch aufwärts. Bond expandierte nach der Geschäftsdevise, daß Reichtum sich nicht danach bemißt, wieviel Geld jemand auf der hohen Kante hat, sondern wieviel Kredit er kriegt.
Das wäre schon 1974 beinahe schiefgegangen. Der Immobilienmarkt geriet in eine Flaute. Bond war plötzlich überschuldet.
Doch die Gläubiger hielten still, bis das Immobiliengeschäft wieder besser lief. Bond machte weiter und stieg, um besser gegen künftige Bau- und Boden-Krisen geschützt zu sein, auch in andere Branchen ein.
Neuer Schwerpunkt der Bond-Aktivitäten in den achtziger Jahren wurde das besonders krisenfeste Bier-Geschäft. Daneben kaufte sich der Firmenhändler vor allem in Minen- und Medien-Gesellschaften ein.
In einen wahren Kaufrausch steigerte sich Bond im Jahr 1987. Für über eine Milliarde australischer Dollar übernahm er die größte TV-Kette des Landes. Zum Preis von 1,7 Milliarden australischen Dollar erwarb er die Brauerei Heileman, einen der größten Bier-Produzenten in den USA.
Insgesamt gab Bond in jenem Jahr über vier Milliarden australische Dollar (nach derzeitigem Kurs: etwa 5,4 Milliarden Mark) für Firmenübernahmen aus. Die 54 Millionen US-Dollar für van Goghs "Schwertlilien" schienen da nicht mehr als ein Souvenir-Einkauf zu sein.
Doch fast alles - vom TV-Netz bis zum Blumen-Bild - war auf Kredit gekauft. Bonds Firmenreich blühte auf einem Sumpf von Schulden.
Das blieb zunächst verborgen, weil Bonds Buchhalter alle Feinheiten der Bilanz-Politur perfekt beherrschten. Vom Börsenkrach im Oktober 1987 scheinbar völlig verschont geblieben, ging der Australier auch 1988 unbekümmert auf Einkaufstour.
Von seinem ehemals weit reicheren Perther Lokal-Rivalen Robert Holmes a Court, einem Ex-Milliardär, der vor dem Börsenkrach zu hoch gepokert hatte, übernahm Nimmersatt Bond die Mehrheit an einer Firmengruppe mit großen Rohstoff-Reserven. Im Oktober 1988 schließlich wurde der Australier durch den Kauf von etwa 20 Prozent der Lonrho-Aktien zum größten Anteilseigner dieses großen britischen Mischkonzerns. Keck verkündete er, daß er allein über ein Team verfüge, das Lonrho lenken könne.
Das war ein fataler Fehler. Denn Tiny Rowland, der allseits gefürchtete hünenhafte Lonrho-Chef, keilte sofort hart zurück.
In einer sorgfältigen Analyse des weitverzweigten Bond-Imperiums, die Rowland von seinen Bilanzfachleuten anfertigen ließ und dann allen Banken, Behörden und Börsianern mit Bond-Kontakten schickte, wurde der Konzern des Australiers als "technisch bankrott" bezeichnet. Der Australier schäumte, wagte aber nicht, juristisch gegen Lonrho vorzugehen.
Von da an ging es nur noch bergab mit Bond. Die Banken und andere professionelle Anleger, die dem Australier das Geld früher geradezu nachgeworfen hatten, wurden mißtrauisch. Bond konnte kaum noch etwas borgen.
Um nicht unter einer Lawine von Schulden begraben zu werden, mußte der Firmenjongleur immer hektischer Teile seines Imperiums verkaufen. Er trennte sich von Goldminen, Gebäuden, Grundstücken und vielen anderen Vermögenswerten.
Damit konnte er zwar seine Schulden um über fünf Milliarden australische Dollar verringern. Aber seine Schwierigkeiten nahmen noch zu. Nun nämlich wurde offenbar, daß Bond, der angebliche Meisterhändler, viele seiner Firmenanteile zu teuer eingekauft hatte. Allein beim Verkauf seines Lonrho-Anteils setzte er über 100 Millionen Austral-Dollar zu.
Im Oktober vergangenen Jahres mußte seine Holding für das abgelaufene Geschäftsjahr 1988/89 einen Verlust von 980 Millionen Dollar ausweisen. Es war der höchste Fehlbetrag, den je ein australisches Unternehmen bilanzierte.
Selbst Bond-Kenner rätseln nun, wieviel dem Tycoon privat noch bleibt, wenn sein Konzern zusammenbricht. Der Mann aus Perth regiert sein Imperium nämlich über eine nicht publizitätspflichtige Familiengesellschaft namens Dallhold, die neben der Mehrheit am Bond-Konzern noch zahlreiche andere Vermögenswerte hält.
"Ich erwarte", urteilt ein Banker, "daß Dallhold aus dieser Übung noch sehr reich herauskommt - mit mindestens 200 Millionen australischen Dollar."