Weine Erbärmliches Gesöff
Die Ziege Heidrun war für die alten Germanen das Inbild vollkommenen Glücks: Aus ihrem Euter strömte, nie versiegend, der Honigwein Met. Einziger Nachteil: Heidrun war das Haustier des Ober-Gottes Odin, und in den Genuß des unerschöpflichen Quells kam der Germane erst nach seinem Ableben, wenn er zu den Göttern gerufen wurde.
So blieb zu Lebzeiten nur eine Vorstufe himmlischer Zecher-Seligkeit: periodische Gelage, meist zu Vollmond, bei denen der Göttertrank aus hölzernen Bechern, Büffelhörnern oder den Schädeln erschlagener Feinde genommen wurde.
Wundersame Wirkung wird dem Trunk heute noch zugeschrieben. Wunibald Schupp, 75, der im oberschwäbischen Ravensburg den Met braut, bekam "höchstes Lob" von seinen Kunden. Gerühmt wird der Trank, der von regionalen Kleinbetrieben angeboten wird, vor allem wegen seiner verdauungsfördernden und beruhigenden Wir* Bei einem "Rittermahl" in Neckargemünd. kung. Doch nun darf Schupp, ehedem Gastwirt, seinen Met nicht mehr vermarkten. 40 Jahre lang hatte er den selbstgebrauten Trunk ausgeschenkt. Als er in den Ruhestand ging, schränkte er die Produktion auf ein paar Fässer pro Jahr ein und vergab, zur Aufbesserung seiner kargen Rente, eine Lizenz für das Gebräu an einen schwäbischen Imker.
Der allerdings kam mit der Rezeptur nicht zurecht und verklagte Schupp. Gutachter stellten in zwei Prozessen fest, daß das Rezept, das Schupp 1942 aus einem ostelbischen Rittergut derer von Strachwitz mitgebracht hatte, nicht den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entspricht.
Um den Honig zu vergären, nimmt Schupp auf 30 Kilo Honig 80 Liter Wasser. Die Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes von 1932, in der die Herstellung "weinähnlicher Getränke" geregelt ist, läßt jedoch nur zwei Teile Wasser auf ein Teil Honig zu. Zitronen- und Milchsäure, die der oberschwäbische Met-Brauer verwendet, um das süßliche Getränk bekömmlicher zu machen, sind nicht vorgesehen.
Nach dem Staatsrezept, findet Schupp dagegen, lasse sich nur ein "erbärmliches Gesöff" herstellen, es ergebe niemals "echten, unverfälschten Met, wie ihn die alten Germanen tranken". Damit hat er wohl recht. In seinem 1903 erschienenen Standardwerk "Der deutsche Durst" berichtet der Kulturhistoriker Max Bauer über den Ur-Met der Germanen, der "eine Zusammensetzung von zwölf Teilen Wasser mit einem Teil Honig" aufgewiesen habe.
Daß die Verordnung auch noch "technologisch völlig unsinnig" ist, hat Martin Voit, 58, Diplomingenieur für Kellerwirtschaft beim Weinlabor Arauner im fränkischen Kitzingen, festgestellt: Met nach Staatsrezept vergäre schlecht, werde bei höheren Temperaturen leicht zäh und "schmeckt bei weitem nicht so gut" wie etwa Schupps illegaler Trunk.
Wenn der Met ordnungsgemäß hergestellt wird, meinen auch die Autoren des Fachbuches "Fruchtweine", Hugo Schanderl, Julius Koch und Erich Kolb, "so spricht das Getränk wenig an" und werde "einseitig süß". Ihr Rat: Zugabe von Milchsäure.
Weil der gesetzestreue Met "völlig unbefriedigend" sei, kümmern sich die Hersteller wenig um die staatlichen Vorgaben, meint der Experte Voit: "Die nehmen alle nicht das, was im gesetzlichen Rezept vorgesehen ist."
Doch als auch Schupp daranging, die "idiotische Verordnung zu stürzen", sah er sich allein: Weder im Landesverband Württembergischer Imker noch im Verband der Deutschen Fruchtwein- und Fruchtschaumwein-Industrie fand er Verbündete.
Beim Regierungspräsidium Tübingen, dem Stuttgarter Wirtschaftsministerium, dem Bundesgesundheitsministerium und dem Petitionsausschuß des Bundestags blitzte er ebenfalls ab.
Und auch ein aktueller Bonner Änderungsvorschlag zum Weingesetz berücksichtigt Schupps Anliegen nicht.
Dabei erfährt der altgermanische Rausch-Drink eine "gewisse Renaissance", wie Karl Wucherpfennig, 63, Professor für Getränkeforschung an der Forschungsanstalt Geisenheim, glaubt.
Zwar wurde bisher, schätzt Albrecht Korth, 58, Geschäftsführer des Fruchtweinverbands, in der Bundesrepublik jährlich höchstens eine halbe Million Liter Met gebraut.
Doch Öko-Freaks, Esoteriker und New-Age-Fans von heidnischen Kulten haben die Nachfrage belebt. In Gaststätten wie dem Neckargemünder "Ritter" wird Met auch schon mal in Trinkhörnern gereicht. Und seit zwei Jahren werden Honigweine sogar von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft prämiiert.
Korth sieht im künftigen EG-Binnenmarkt gewisse Entwicklungschancen für die Spezialität der Ahnen. So seien auch in Frankreich und in skandinavischen Ländern met-ähnliche Getränke im Angebot.
Schupp hat jedenfalls schon vorgesorgt: Beim Europäischen Gerichtshof beantragte er, die traditionswidrigen Bestimmungen außer Kraft zu setzen - "wegen Irrsinnigkeit". f