Frauen Dolch im Mund
Auf den Empfängen der Kölner Industrieprominenz wirken viele der anwesenden Damen auffälliger als die 56jährige mit dem kunstblonden Haar. Zunächst pflegt sie still im Hintergrund zu operieren, doch bald schon steht Etta Schiller im Mittelpunkt.
Der Name hat noch immer Flair: Als Gattin des SPD-Superministers Karl Schiller, heute 78, war sie Anfang der siebziger Jahre in die Männer-Domäne Bonn eingebrochen. Nicht klammheimlich, sondern offen machte sie Politik - eine Installateurin der Macht, die den Angetrauten bald ins Abseits brachte.
Weil sie ihren Karl so stark zu beeinflussen verstand, wurde sie mal als blonder Rasputin verteufelt, mal als Vorreiterin der Gleichberechtigung gefeiert. Vielen Bonnern ist noch ihr Satz in Erinnerung, als Frau eines Politikers sei sie "eine Mischung aus Dompteur, Irrenarzt, Chefberater und Krankenpfleger".
Nach ihrer Scheidung 1974 kehrte die promovierte Juristin und einstige Regierungsdirektorin in die Verwaltung zurück. Seit knapp fünf Jahren steht sie dem Finanzamt Köln-Süd vor, einem feinen Bezirk: Herren wie Otto Wolff von Amerongen und Walter Scheel müssen bei ihr die Einkünfte deklarieren.
Abgesehen von gelegentlichen Auftritten beim Geldadel und auf Polit-Festen war es um die Spitzenbeamtin ruhig geworden. Beruflich schien alles ausgereizt: "Das Schönste an meinem Arbeitszimmer", seufzte sie mal, "ist der Blick auf die St.-Pantaleon-Kirche."
Doch nun hat die Dame beschlossen, sich noch einmal mit "Lust in die Arena zu begeben". Und wieder droht sie sich, wie einst in Bonn, furios zu verheddern - diesmal im Kölner Klüngel.
Die seit Ende der Adenauer-Ära abgeschlagene CDU der Domstadt hatte letzten Sommer ihr Mitglied Etta Schiller für höhere Aufgaben entdeckt: Die Frau mit dem großen Namen sollte Oberstadtdirektorin werden. Der letzte christdemokratische Verwaltungschef war der Adenauer-Sohn Max - das war 1965.
Im September 1989 wurde der Oberstadtdirektor-Posten in der viertgrößten westdeutschen Stadt vakant: Die - verglichen mit der CDU - erfolgreichere, aber zumindest ebenso versumpfte Kölner SPD hatte ihrem Mitglied Kurt Rossa, 60, nach zwölf Jahren als Verwaltungschef den Stuhl vor die Tür gesetzt.
Damals hatte Frau Schiller gar nicht so schlechte Chancen, Deutschlands erste Oberstadtdirektorin zu werden. Mit den Stimmen der CDU und der Mini-Fraktionen von FDP und Grünen schien ihr die Macht im Rathaus durchaus drin. Vor der Kommunalwahl im Oktober trat sogar Kanzler Helmut Kohl gemeinsam mit der Kandidatin auf.
Die Wahl am 1. Oktober 1989 geriet zu einer klaren Absage an die dreisten Kölner Klüngler. SPD und CDU verloren, FDP und Grüne legten zu, und erstmals marschierten mit stattlichen 7,4 Prozent die rechtsextremen Republikaner ins Rathaus ein.
Seither ist die Nachfolge für Rossa in der Schwebe. Die SPD hat zwar einen ordentlichen Kandidaten, sie bringt es aber nur auf 41 Mandate - die CDU und der Rest kommen dagegen auf 54 Sitze.
Die selbstbewußte Etta trat an und stellte sich bei den Grünen vor. "Ihr Vorteil", lobte Jörg Frank vom Fraktionsvorstand der Grünen, wäre "ein neuer Führungsstil in der Verwaltung, transparenter und kooperativer".
Sie könne, kommentierte Frau Schiller die grünen Komplimente, "keinem verbieten, mich zu wählen". Überdies habe sie "nichts gegen die Grünen". Wenn auch die Braunen sie wählen würden, wäre das nicht schlimm: "Die sind meines Wissens doch keine verbotene Partei", zudem sei es "eine geheime Wahl".
Den Christdemokraten geht der Ehrgeiz von Frau Etta zu weit. "Wir hatten", erklärt der neue Kölner CDU-Vorsitzende Axel Rodert, "ein derart schlechtes Wahlergebnis, daß wir unsere Kandidatin nur mit Hilfe extremistischer Parteien durchbringen können." Das aber, sagt Rodert, wolle er nicht.
Nun mehren sich auch in der Union wieder die Vorbehalte gegen die Frau mit dem unbedachten Mundwerk. Ihre Zunge sei so spitz, hatte einst der Bonn-Berichter Friedrich Nowottny kommentiert, "daß man daraus bequem einen Dolch machen könnte".
Auch die strengen Katholiken in der Kölner CDU nörgeln kräftig. Denn Frau Schiller ist evangelisch, geschieden und bekennt sich überdies zu ihrem 14jährigen unehelichen Sohn Jan. Mancher kann auch nicht verwinden, daß die Kandidatin sechs Jahre lang Mitglied der SPD war und erst nach ihrer Ehe mit Karl Schiller der CDU beitrat.
Bis Ende voriger Woche beharrte sie auf ihrer Kandidatur, obwohl die CDU-Spitze intern auf Distanz zu ihr gegangen ist. Etta Schiller weiß, daß ihr nicht mehr viel Zeit bleibt: Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf ein kommunaler Wahlbeamter bei seiner ersten Berufung nicht älter als 56 sein.
Etta Schiller wird am 17. April 57. f