03.03.1986
Im Brüllton
Merkwürdig, wie das Erste Deutsche Fernsehen sein Reporterteam für die Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko aussuchte. *
Bisher fünfmal hat Heribert Faßbender, 44, Chef der Kölner ARD-Sportschau, von Welt- und Europameisterschaften im Fußball berichtet, meist für den Hörfunk. Ein sechstes Mal wird es für Faßbender vorerst nicht geben, denn auf die WM-Berichterstattung aus Mexiko hat er am Dienstag letzter Woche nach einer ARD-Intrige verzichtet.
Dabei wäre der examinierte Jurist, auch wenn er auf manche TV-Zuschauer ein bißchen steif wirkt, für den WM-Job im Mai und Juni besser qualifiziert als die meisten seiner Kollegen. "So viele gute Leute vor dem Mikrophon haben wir nun auch nicht", schrieb die "Kölnische Rundschau", "daß wir ohne weiteres auf einen der Besten verzichten können."
Ausgetrickst wurde Faßbender von seinem Kollegen Rudi Michel, 64, dem Mexiko-Beauftragten des ARD-Vorsitzenden Willibald Hilf. Michel, fünffacher WM-Endspielreporter des Fernsehens, kann Faßbender nicht leiden, weil der, wie Michel voller Zorn vorbringt, in der Presse zu gut wegkomme.
Außerdem habe sich Faßbender "als Herausgeber des Sportbuches des Jahrhunderts feiern" lassen, aber "keine Zeile dafür geschrieben". Das weist Faßbender zurück. Er zeichne schließlich nicht als Autor und habe jedenfalls das Vorwort geschrieben _(Heribert Faßbender (Herausgeber): ) _("Sporttagebuch des 20. Jahrhunderts". ) _(Econ Verlag, Düsseldorf; 672 Seiten; 98 ) _(Mark. )
.
Stichhaltigere Gründe für die Ablehnung Faßbenders waren von Michel bislang nicht zu hören, Fragen übertönt der Choleriker im Brüllton: "Da geht bei mir der eiserne Vorhang runter."
Keiner der vielen ARD-Würdenträger, voran Michel-Auftraggeber Hilf, konnte den Mann mit dem eisernen Vorhang stoppen. Als erster scheiterte ARD-Sportkoordinator Hans-Heinrich Isenbart, der nach einem Gespräch mit Michel zunächst "der persönlichen Meinung war, Faßbender werde mitfahren".
Als Faßbender dann auf Michels Vorschlagsliste fehlte und Isenbart auf die vermeintliche Zusage pochte, stritt Michel ab: "Das habe ich nie gesagt." Seine Version für die Unstimmigkeit: "Offenbar sind wir beide verkalkt." Falls Faßbender doch noch nominiert werde, so Michel, "trete ich zurück".
Mit seinem Fachwissen und Sprechtalent wird der WDR-Mann in Mexiko fehlen, Michel hat eine reichlich glanzlose WM-Truppe aufgestellt: etwa den drögen Hamburger Peter Jensen, den Münchner Hofberichterstatter Eberhard Stanjek, den farblosen Kölner Wilfried Luchtenberg. Mit Luchtenbergs Berufung hat Michel dessen Vorgesetzten Faßbender zusätzlich brüskiert. Als Spitzenkönner fand nur der Bremer Jörg Wontorra Gnade beim ARD-Teamchef.
Das ZDF setzte ein stärkeres Aufgebot dagegen - mit Dieter Kürten und Harry Valerien. Doch die ARD-Gremien konnten sich zur Korrektur der Michel-Liste nicht aufraffen. Die Programmdirektoren stellten dem WDR die Benennung zwar nachträglich frei, doch das war ein Scheinangebot.
Faßbender: "Ich kann doch nicht den eigenen Mann von der Liste streichen, um mich selbst draufzusetzen." Faßbenders zusätzliche Nominierung kam wegen der Team-Begrenzung nicht in Frage, auch wenn die ARD es nun anders darstellt. Überdies drohte die schwache Truppe wegen Michels Rücktrittsdrohung auch noch führerlos zu werden.
Faßbender zog sich daher auf andere Aufgaben zurück, den Weltpokal der Tennismannschaften im Mai und das Wimbledon-Turnier im Juni. Hilfs Südwestfunk aber verschleiert Michels Krawallkurs nun mit der Version, seiner WM-Liste hätten bis auf den WDR alle ARD-Sportchefs zugestimmt: "Von einem einsamen Entschluß Michels kann also keine Rede sein."
WDR-Programmdirektor Günter Struve widerspricht: "Michels Verfahren ist von der ARD-Programmkonferenz nicht akzeptiert worden. Aber Faßbender hat nicht mehr gewollt."
Heribert Faßbender (Herausgeber): "Sporttagebuch des 20. Jahrhunderts". Econ Verlag, Düsseldorf; 672 Seiten; 98 Mark.
DER SPIEGEL 10/1986
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung
DER SPIEGEL 10/1986
Ältere SPIEGEL-Ausgaben
Kostenloses Archiv:
Stöbern Sie im kompletten SPIEGEL-Archiv seit
1947 – bis auf die vergangenen zwölf Monate kostenlos für Sie.
Wollen Sie ältere SPIEGEL-Ausgaben bestellen?
Hier erhalten Sie Ausgaben, die älter als drei Jahre sind.
Top
-
1
-
2
-
3
-
4
-
5