„Der Somali ist ein Killer“
In einem Rundbrief an mehrere US-Diplomaten bat das Washingtoner Außenamt um Stellungnahmen zum Einsatz in Somalia. Die Antwort des US-Botschafters in Kenia - ungewöhnlich offen und brutal - wurde der Zeitschrift U.S. News & World Report zugespielt. Auszüge:
Die überstürzte Hast, mit der die US-Regierung bereit scheint, ins somalische Hornissennest zu greifen, hat mich zugegebenermaßen verwirrt und ratlos gemacht, aber auch alarmiert. Läßt man den Aspekt humanitärer Hilfe einmal außer acht - ein sicherlich zwingender Aspekt, aber auch nicht zwingender als beispielsweise im Sudan -, so vermag ich nicht zu erkennen, welche vitalen US-Interessen hier berührt werden. Politik, scheint mir, sollte besser mit dem Kopf als mit dem Herzen gemacht werden.
Wie lange wird die amerikanische Öffentlichkeit eine vergleichsweise massive, teure US-Präsenz in Somalia hinnehmen, und wie hoch darf die Rechnung ausfallen, die sie zu zahlen bereit wäre?
Es kann als sicher gelten, daß eine Truppe von 30 000 Soldaten in Mogadischu und anderen somalischen Häfen landen kann, ohne daß es zu Verlusten auf seiten der Amerikaner kommt (oder allenfalls zu ganz geringen). Aber niemand sollte glauben, daß die bewaffneten Banditen am Strand sitzen bleiben werden, um sich vernichten oder entwaffnen zu lassen. Die Revolvermänner und die bewaffneten "Techniker" werden sich vielmehr ins Innere des Landes zurückziehen - außerhalb der Reichweite von Uno-Geschützen.
Wie Italiener und Briten fassungslos feststellen mußten, sind Somalis geborene Guerrilleros. Sie werden die Straßen verminen, Hinterhalte legen und Überfälle wagen. Sie werden zwar nicht in der Lage sein, Konvois am Durchkommen zu hindern, aber sie werden Verluste zufügen - und selbst welche hinnehmen.
Einen Tag lang oder auch zwei wird alles ruhig bleiben, dann wird ein somalisches Kerlchen eine Handgranate in ein Cafe werfen, in dem sich amerikanische Soldaten aufhalten. Es wird eine Entführung geben oder auch zwei. Gelegentlich werden Heckenschützen einen Soldaten ermorden, der Wache schiebt. Wer Beirut gemocht hat, wird Mogadischu lieben.
Wofür das Ganze? Um Zehntausende somalischer Kinder 1993 vom Hungertod zu erretten, dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach 1994 dann doch erliegen werden (es sei denn, wir wären bereit, auch bis Ende 1994 zu bleiben)? Auf welche Zeitspanne unserer Anwesenheit in Somalia sollen wir uns einrichten? Was sind wir bereit zu tun? Lebensmittel zu liefern, sie zu bewachen und zu verteilen, auf Guerilla-Jagd zu gehen, ein Rechtssystem zu gründen, eine Polizeitruppe aufzubauen, eine Armee zu schaffen, die Bildung politischer Parteien zu fördern, freie und ehrliche Mehrparteienwahlen zu organisieren?
Ich kenne Schätzungen - und ich glaube, sie sind nicht übertrieben -, nach denen es allein fünf Jahre dauern würde, um Somalia wenigstens auf die Knie, nicht etwa schon auf die Füße zu bekommen. Kambodscha kostet die Uno zwei Milliarden Dollar im Jahr. Was wird Somalia kosten? Zehn Milliarden?
Schließlich: Was werden wir zurücklassen, wenn wir wieder gehen? Der Somali ist hinterhältig, der Somali ist ein Killer, der Somali ist so schwierig wie sein Land und genauso nachtragend. Die einzige "wohltätige" Wirkung eines größeren amerikanischen Einsatzes in Somalia wird wahrscheinlich die sein, daß er die Nation eint - gegen uns, die Invasoren, die Außenseiter, die Ungläubigen, die wohl ihre Kinder gefüttert, aber auch ihre jungen Männer erschossen haben.
In alten Zeiten gingen die Somalis auf Raubzüge, um sich Kamele, Frauen und Sklaven zu beschaffen. Heute sind sie auf Kamele, Frauen, Sklaven und Nahrung aus.
Habe ich eine bessere Idee? Nicht wirklich. Ich glaube nur nicht, daß es für Somalia eine rasche Lösung gibt, wie wir Amerikaner sie so sehr lieben.