Medien Weibliche Muffel
Da liegt das Opfer, wehrlos "wie auf einem gynäkologischen Stuhl: auf dem Rücken, ihre Beine ragen hilflos in die Luft". Der Mann zieht sein Messer, "er sticht es in den Hals und schlitzt die Gurgel auf. Warmes Blut sprudelt dampfend heraus".
Der Schlächter stellt sich breitbeinig auf und beugt sich über den Unterleib, "er rammt sein Messer zwischen ihre Schenkel und zieht die Klinge hoch bis zur Gurgel". Eingeweide quellen heraus, der Erdboden färbt sich rot, "auch die gepflegten Hände des Mannes sind blutig. Seine Finger wühlen im Gedärm. Sein Messer stößt immer wieder zu. Haut reißt und Knochen knacken".
Der Täter legt seine Joppe ab, ihm ist warm geworden. Sein Opfer wird aufgebahrt und zu den anderen weiblichen Toten gelegt; man unterscheidet streng nach Geschlecht: "Hirschkühe, Rehe und weibliche Muffel", notiert erschüttert die Zeugin, Emma-Redakteurin Cornelia Filter, "haben keine Hörner und kein Geweih, sie gelten deshalb als ,gering''."
Das Patriarchat hat wieder einmal zugeschlagen, und Emma war dabei. In seinem 18. Jahr hat Alice Schwarzers Frauenblatt neue Fronten im Geschlechterkampf entdeckt: Was einst ein "Magazin von Frauen für Frauen", seit 1993 dann ein "Magazin von Frauen für Menschen" war, hat sich endlich gewandelt zum gemeinsamen Kampfblatt für Frau und Tier. Emma gibt jetzt neue Parolen aus: "Wer von Frauenhaß redet, kann den Tierhaß nicht ignorieren."
Die Welt ist voller Feinde für Frau und Tier, und fast immer sind sie männlich. Manche haben grüne Joppen an und schänden Schalenwild im Wald. Manche leben ihr Herrenmenschentum hinter der Kamera aus, wie Helmut Newton beispielsweise - und wenn Emma ihn entlarven will und dabei unerlaubt 19 Fotos abdruckt, dann kommt gleich sein Verlag und zerrt die Zeitschrift vor Gericht. Weil die Männer "Kritik verhindern und Frauen einschüchtern" wollen, ganz klar.
Andere sitzen in obskuren Initiativen wie "Mediawatch", lassen sich von der Heinrich-Böll-Stiftung finanzieren und prangern, natürlich, Emma an, wegen Panikmache gegen Muslime, bloß weil das Blatt in seinem "Fundamentalismus-Dossier" islamische Männer als blutige Schlächter darstellt.
Und selbst auf die Frauen von heute ist kein Verlaß: Auch feministische Szeneblätter haben sich darüber empört, einige haben gar aufgerufen zum Emma-Boykott.
Das "Magazin von Frauen für Menschen" betreibe "offen rassistische Hetze", stand im Blatt der Kölner Weibsbilder. Es sei leider gemacht von "weißen Mittelständlerinnen", schrieben die Düsseldorfer Schwestern in La Liberta.
Der Kreis der Gerechten ist klein geworden. 1977 ging Schwarzers Zeitschrift mit 200 000 Exemplaren an den Start und mußte noch 100 000 nachdrucken; jetzt meldet sie nur noch eine verkaufte Auflage von rund 44 000.
Was früher das Zentralorgan der Frauenbewegung war, verstrickt sich nun in skurrile Grabenkämpfe, streitet auf Nebenschauplätzen und folgt brav und stetig den Ideen, welche die Chefin formuliert. "Alice''s Spleen" (Emma) ist zur Zeit der Tierrechtskampf - das Frauenmagazin, so scheint es, will sich zum Fachblatt für Kurioses wandeln.
Kein guter Schachzug, um mehr Kundschaft zu finden. Im vergangenen Jahr erst hatte die Redaktion versucht, das Blatt zu liften: Das Layout klarer, die Bilder besser; Emma wurde doppelt so teuer, kostet jetzt 11,80 Mark und erscheint nur noch alle zwei Monate am Kiosk. Doch der Zuwachs blieb gering, vom alten Glanz ist das Magazin weit entfernt - an der Masse der engagierten Frauen schreibt es weiterhin vorbei.
Denn der Wandel war nur Kosmetik. Der Ton ist derselbe geblieben: Hier spricht fast immer der bittere Ernst der siebziger Jahre, feministischer Fundamentalismus, der keinen Widerspruch und keinen Zweifel toleriert. Schwarzer, die im Fernsehen durchaus souverän und komisch sein kann und sogar Willen zur Selbstironie zeigt, hat in ihrem Blatt immer auf die eindeutige Linie Wert gelegt. Sie "entbehre nicht autoritärer Züge", hat sie schon mal zugegeben. Wer anderer Meinung war, verließ früher oder später die Redaktion.
Das rächt sich jetzt. Nach wie vor herrscht hier die schlichte, strenge Weltsicht, die das Blatt seit den frühen Tagen bestimmt. Eine Weltsicht, von der sich Emmas Macherinnen zwar regelmäßig distanzieren; sie sind denn doch zu klug, um zu behaupten, daß die Frau dem Manne moralisch überlegen sei.
"Da kann ich nur wiehern", so hat es Schwarzer einmal formuliert; "das ist der moderne Lore-Roman. Einen Dreck sind wir die besseren Menschen". Aber, und das ist Emmas Dilemma, in der journalistischen Praxis sind sie es dann doch. So schreibt es sich schöner.
Es wärmt einfach, dieses Gruppengefühl der letzten Aufrechten; es hilft in dieser kalten, zersplitterten, modernen Welt, wenn man weiß, daß der Feind da steht, wo er schon immer stand.
Zünden deutsche Neonazis die Häuser von Ausländern an, dann interessiert sich Emma vor allem dafür, wie zu erklären sei, "daß Gewalt gegen Fremde nur von Männern ausgeht". Die Antwort allerdings ist längst klar: daß der Faschismus, wie auch der religiöse Fundamentalismus, "Männersache" sind.
Weibliche Skinheads, BDM-Mädchen, neofaschistische Frauen wie die Italienerin Alessandra Mussolini und überhaupt die weibliche Verstrickung in rechtsradikale Politik und Praxis sind Emma wenig Druckerschwärze wert.
Wird über Aids berichtet, dann liegt die Schuld am "Virus Mann". Fährt eine wild gewordene Autofahrerin beinahe vier lesbische Frauen tot, dann ist sie nicht eigentlich weiblich, sondern eine Frau, "die sich wie ein Mann aufführte: rücksichtslos und knallhart".
Jetzt also die Sorge ums Mitgeschöpf, das gemeinsam mit der Frau unter dem Terror des Herrenmenschen leidet: "Die Männer und das Schlachten - eine uralte Tradition. Frauen leiden mit." Fürs Patriarchat, so sieht es Schwarzer, sind Frauen und Tiere "seit Jahrtausenden ein Programm: Sie sind das Fleisch, der Mann ist der Geist; sie sind die Natur, der Mann ist die Kultur; sie sind das Opfer, der Mann ist der Täter." In Alices Wunderland haben Frauen niemals Hühner geschlachtet, niemals Gänse gestopft, niemals im Versuchslabor mit lebenden Mäusen experimentiert.
Früher, das gibt die Herausgeberin selbst zu, haben "sogar die Emmas (alte Crew!) mitleidig gelächelt, wenn ich über Tiere schreiben wollte". Heute ist das anders. Heute gibt es offenbar keine Emmas mehr im Blatt, die mitleidig genug lächeln oder ernsthaft genug widersprechen. Und niemand hindert die Chefin daran, mit der Katze im Arm um die Kaufkraft von Katzenmuttis zu flehen: "Tragen Sie mit bei zur Stärkung der einzigen konsequenten Stimme für Frauenrechte UND Tierrechte, und abonnieren Sie jetzt."
Nicht sehr wahrscheinlich, daß sie es tun. Den Frauen, wie gesagt, ist das Blatt zu ernst und engstirnig. Und die armen Tiere können Emma noch immer nicht entschlüsseln. Y _(* Nr. 1/1994. )
Emma-Chefin Schwarzer: "Sie sind das Opfer, der Mann ist der Täter"
Emma-Titel* "Haut reißt und Knochen knacken"