Innere Sicherheit Gefaltet wie ein Karton
Oberstaatsanwalt Klaus Pflieger benutzte nicht das Florett, sondern den Holzhammer. Die Polizisten des Wiesbadener Bundeskriminalamtes (BKA), wütete der Karlsruher Jurist am Donnerstag vergangener Woche, seien Gehilfen der Bundesanwaltschaft und hätten gefälligst den Bundesanwälten "zu dienen". Statt dessen falle "eine Behörde der anderen in den Rücken".
Ort der deftigen Polizistenschelte: das Frankfurter Oberlandesgericht, wo die mutmaßliche Terroristin Eva Haule, 39, wegen des Verdachts angeklagt ist, im August 1985 an der Ermordung des US-Soldaten Edward Pimental und an einem Sprengstoffanschlag auf die U. S. Air Base in Frankfurt beteiligt gewesen zu sein. Beide Verbrechen hat die Rote Armee Fraktion (RAF) verübt.
Anlaß des Wutausbruchs war ein Gutachten des BKA. Aus dem Papier geht hervor, daß die Angeklagte womöglich nicht direkt an den Terroraktionen mitgewirkt hat. Sie habe sich zwar in Kassibern an andere RAF-Häftlinge über die Anschläge geäußert. Die dabei häufig verwendete "Wir-Form" bezeichne jedoch, so das Gutachten, nicht zwangsläufig "die ausführenden Täter", sondern die RAF als Ganzes.
Der Zoff um das unerwünschte Papier (Pflieger: "Abweichende Meinung eines einzelnen Beamten") ist Höhepunkt in einer Fehde, die seit dem mißratenen Anti-Terror-Einsatz von Bad Kleinen im Juni vergangenen Jahres immer ruppiger gerät.
In Karlsruhe wird den Wiesbadener Bundespolizisten Mitschuld gegeben, daß Generalbundesanwalt Alexander von Stahl gefeuert wurde - zu Unrecht, wie viele seiner ehemaligen Untergebenen glauben. Daß Stahl nach dem Fehlschlag von Bad Kleinen uninformiert vor Fernsehkameras und dem Bonner Innenausschuß herumstotterte, lag nach Ansicht von Bundesanwälten vor allem daran, daß das BKA dem Chefermittler "bewußt Informationen vorenthalten" habe.
Die Kritik richtet sich auch gegen den BKA-Präsidenten Hans-Ludwig Zachert, 56. Er war nach der Terroristenjagd zunächst in Deckung geblieben und meldete sich erst aus einer Kur zurück, als Stahls Entlassung schon feststand.
Zorn aus Karlsruhe zog sich Zachert vor allem wegen Äußerungen zum Brandanschlag von Solingen zu. Weil er die Beweislage gegen die mutmaßlichen Brandstifter öffentlich als "sehr schwach" bezeichnet hatte, wurde der BKA-Präsident vorletzte Woche nach Karlsruhe zitiert. Dort sei er, berichten Mitarbeiter, vom kommissarisch amtierenden Behördenleiter Gerhard Löchner "zusammengefaltet worden wie ein Umzugskarton" - ein einmaliger Vorgang.
Die Demontage von außen geht einher mit Autoritätsverlust im Innern. Zachert, kritisieren Wiesbadener Beamte, habe das Amt nicht mehr im Griff. In der einstigen Vorzeigebehörde des Bundes, berichtet ein Fahnder, gehe es derzeit "drunter und drüber". Auf der Führungsetage kämpfe "jeder gegen jeden", viele der rund 4000 Bediensteten seien "tief verunsichert" oder "bitter frustriert".
Indizien dafür: Geheime Unterlagen des Amtes sind in den letzten Monaten Journalisten gegen Bares angeboten worden; das Gutachten im Fall Haule wurde, auf offiziellem Briefpapier des Amtes, vorige Woche anonym an mehrere Redaktionen verschickt.
Der Personalrat kritisierte, daß "Offenheit und fairer Umgang" im BKA nicht mehr zählten. Die Gewerkschaft der Polizei monierte, Zachert, der gern zu Interpol-Veranstaltungen ins Ausland reist, vernachlässige die "amtsinternen Angelegenheiten".
Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) traut Zachert nicht mehr zu, die im BKA notwendigen Reformen durchzuziehen. "Seit Kanther da ist", sagt ein BKA-Beamter, "wird gnadenlos an Zacherts Stuhl gesägt."
Als Laufbahnbeamter darf Zachert nicht gefeuert, sondern nur in eine gleichrangige Position versetzt werden. Die allerdings gibt es nicht.
Bleibt nur die Möglichkeit, daß ein Amtsarzt den Präsidenten dienstuntauglich schreibt. Y