09.03.1992
„Man muß mal hauen“
SPIEGEL: Herr Ministerpräsident, wer regiert eigentlich im Land Mecklenburg-Vorpommern - der CDU-Landesvorsitzende und Bonner Verkehrsminister Günther Krause oder Sie als Chef einer CDU/FDP-Koalition?
GOMOLKA: Die Außenwirkung zeigt nicht immer die realen Verhältnisse. Ich bin der Ministerpräsident. Und Sie können meine Kabinettskollegen fragen: Ich glaube, es ist schon klar, daß ich auch Regierungschef bin.
SPIEGEL: Davon ist wenig zu merken. Als Sie vorige Woche in den USA waren, hat Krause handstreichartig Ihre Koalitionsvereinbarung zur Werftenpolitik gekippt - statt Einzelprivatisierung wollte er ein Verbundkonzept mit staatlicher Beteiligung.
GOMOLKA: Jeder, der Professor Krause kennt, weiß, daß er gelegentlich zu spontanen Äußerungen neigt, die sich dann später als belastend herausstellen können. Es ist für mich allerdings normal, daß eine Landespartei weitergehende Forderungen stellt, als eine Regierung dann in praktische Politik umsetzen kann. Aus dieser Sicht ist Krauses Aktion sogar eine Stützung der Position der Landesregierung und des Ministerpräsidenten.
SPIEGEL: Krause ist Ihnen also gar nicht in den Rücken gefallen?
GOMOLKA: Das ist ein Eindruck. Ich habe eine andere Beurteilung der Sachlage.
SPIEGEL: Der CDU-Vorstand will den Kurswechsel in der Werftenpolitik stiekum - in Ihrer Anwesenheit, aber ohne Wissen des liberalen Partners - schon Mitte Februar beschlossen haben.
GOMOLKA: Nach meiner Erinnerung handelte es sich dabei nicht um einen konkreten Beschluß, sondern nur um eine übereinstimmende Erörterung des Landesvorstands zu Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik . . .
SPIEGEL: . . . über die Sie Ihren Koalitionspartner zwei Wochen lang im dunkeln gelassen haben.
GOMOLKA: Wir erhalten auch keine Protokolle von Vorstandssitzungen der FDP.
SPIEGEL: Wem fühlen Sie sich stärker verpflichtet, Ihrer Partei oder Ihrer Koalitionsvereinbarung mit der FDP?
GOMOLKA: Selbstverständlich meiner Partei. Etwas anderes ist die Frage, was man dann praktisch umsetzen kann. Ich kann ziemlich hoch pokern.
SPIEGEL: In Bonn betreibt CDU-Landeschef Krause offen Ihre Ablösung und nennt bereits neue Ministerkandidaten für Schwerin . . .
GOMOLKA: Nennen Sie mir doch mal ein paar Beispiele für solche Pläne. Ich erfahre immer nur gerüchteweise von solchen dubiosen Dingen.
SPIEGEL: Das machen wir gern. CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch soll im Herbst Bundesverkehrsminister Krause ablösen, der Sie in Schwerin aus dem Amt drängt. Ihren CDU-Fraktionschef Eckhardt Rehberg will Krause zum Finanz- oder Wirtschaftsminister machen, Ihren liberalen Wirtschaftsminister Conrad-Michael Lehment in jedem Fall aus der Regierung entlassen. Sind Sie Ministerpräsident auf Abruf?
GOMOLKA: Ich weiß nicht, wer Ihnen so was sagt und wer solche Gedankenspiele treibt. Mich kümmert und erschüttert so was jedenfalls nicht. Ich gehe davon aus, bis 1994 Ministerpräsident zu bleiben, und dann stelle ich mich zur Neuwahl.
SPIEGEL: Alles mit der heutigen Mannschaft?
GOMOLKA: Wenn sich die Situation weiter zuspitzt, werden personelle Konsequenzen zu ziehen sein.
SPIEGEL: Wen wollen Sie opfern?
GOMOLKA: Das wird dann zu gegebener Zeit zu erörtern sein.
SPIEGEL: Wie handlungsfähig ist denn noch eine Regierung, deren wichtigste Mitglieder, Innenminister Georg Diederich und Justizminister Ulrich Born, sich permanent gegen ihren eigenen Ministerpräsidenten und Parteifreund stellen?
GOMOLKA: Das stimmt so nicht.
SPIEGEL: Bei wichtigen politischen Entscheidungen in der letzten Zeit haben beide gegen Sie gestimmt, so auch wieder in der Werftendiskussion.
GOMOLKA: Das ist in ganz seltenen Fällen mal passiert. Und trotzdem haben wir im Kabinett am Ende auch über die nächsten Schritte bei der Werftenberatung Einigung erzielt. Aber wenn Sie schon soviel über Kabinetts-Interna wissen, werden Sie auch gemerkt haben, daß ich in den letzten Monaten eine zunehmend härtere Gangart fahre. In der praktischen Politik muß man schon mal hauen.
SPIEGEL: In Ihrem Kabinett, so scheint es, kämpft jeder gegen jeden. Über Sie und Ihre Blockflötenvergangenheit als Greifswalder CDU-Stadtrat zum Beispiel werden fleißig Hinweise gestreut.
GOMOLKA: Darauf gebe ich nicht viel, so was belastet nur das Kabinettsklima. Aber hoffentlich suchen Sie eifrig und werden fündig.
SPIEGEL: Ihre Akte ist ja verschwunden . . .
GOMOLKA: Die Akte wird gesucht. Ich habe einen Antrag gestellt, die Unterlagen waren noch nicht auffindbar. Ich bin gespannt auf das Ergebnis, denn ich wurde bereits während der Studienzeit denunziert, und ich hatte auch hinterher Schwierigkeiten, weil ich mich zu Zeiten der DDR zwar nicht heldenhaft, aber etwas eigenwillig verhalten habe. Es ist für mich nicht vorstellbar, daß keine Akte existiert.
Aber ich schließe absolut aus, daß es Stasi-Kontakte gab. In meiner ganzen Dienstzeit habe ich kein offizielles Gespräch mit dem Ministerium für Staatssicherheit geführt.
SPIEGEL: Können Sie sich denn vorstellen, auch etwas anderes zu sein als Ministerpräsident?
GOMOLKA: Ich habe eine gewisse Wehmut, wenn ich an meinen alten Beruf denke. Eines Tages werde ich meine Manuskripte über die Quantifizierbarkeit vorhistorischer Küstenveränderungen zu Ende bringen, die ich weggelegt habe. Jetzt aber habe ich eine Verantwortung, und dazu werde ich stehen.
DER SPIEGEL 11/1992
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