NilsMinkmarZur Zeit Scheitern im Vorgarten
Am Sonntagabend gegen 19 Uhr werde ich ungern gestört, denn dann läuft "Ab ins Beet" – eine dokumentarische Serie über Menschen in Deutschland, die sich der Gartengestaltung widmen. Es ist keine Ratgebersendung, denn nicht das Gelingen wird hier abgebildet, sondern das Drama, das Ringen und das Scheitern im eigenen Vorgarten. Es ist eine politische und vor allem philosophische Lehrstunde. Die Protagonisten sind Amateure, deren Liebe zur schönen Landschaft nicht unbedingt erwidert wird. Sie blicken in ihre Schrebergartenparzelle, ihren Siedlungsgarten oder auf das öde grüne Rechteck hinter ihrem Haus und sehen vor ihrem geistigen Auge, was da doch viel besser aussehen würde, etwa ein japanischer Bambuswald mit beleuchtetem Wasserfall, ein türkisfarbener Pool in Form eines Delfins, von weißem Sand umgeben, oder eine Düne wie in den Hamptons. Die schöne weite Welt, wie sie uns das Werbefernsehen zeigt, soll hinter dem deutschen Eigenheim neu erstehen: Palmen und Springbrunnen im Nieselregen, dahinter tuckert ein Traktor. Es geht oft schief.
Einer der sympathischen Mitwirkenden ist Claus, ein studierter Biologe, der als Eventmanager arbeitet und in keiner Folge fehlt. Doch seine eigene Kleingartenparzelle – das war die dramatische Entwicklung der letzten Staffel – war so verwildert, dass ihm der Vorstand mit Kündigung drohte. Ein Held der Postmoderne: Vor lauter Diskurs über den Garten vernachlässigte er das Gärtnern.
Es wird nie langweilig, denn "Ab ins Beet" lehrt uns die Schönheit des Scheiterns. Es ist die moderne Fassung der Arbeiten von Bouvard und Pécuchet, den beiden Helden aus Flauberts gleichnamigem Roman: Auch sie versuchten, im Garten- und Landschaftsbau Ruhe und Erfüllung zu finden, endeten aber ruiniert, nervös und mit Blick auf tote Bäume und mannshohe Misthaufen. Der Garten ist nichts als eine ausgeweitete Kampfzone. Bei "Ab ins Beet" wird der Kampf heroisch aufgenommen, auch kleine Arbeiten werden mit geliehenem schwerem Gerät angegangen. Es ist ein Fest für alle, die gern deutsche Alltagskultur studieren. Besonders brenzlig sind in dieser Sendung die Geschlechterbeziehungen, denn nun wird es offenbar: Männer können weder zuhören noch Fehler eingestehen, Frauen dafür auch nicht. Bei den aufflammenden Meinungsverschiedenheiten sind Recht und Unrecht etwa gleichermaßen verteilt, es handelt sich daher um ein familienverträgliches Programm. Die Folgen bauen lose aufeinander auf, meist wird abgerissen, was zuvor geschaffen wurde, es geht immer weiter. Das ewige Werden und Vergehen der Natur. So beweist "Ab ins Beet" Folge um Folge, dass uns Menschen die Errichtung irdischer Paradiese unmöglich ist. Es hat schon seine Gründe, dass die Schöpfungsgeschichte die Vertreibung aus einem Garten erzählt, es war letztlich für alle Beteiligten besser. "Ab ins Beet" dokumentiert, was Jean-Paul Sartre nur denken konnte: Der Mensch hat ein frustriertes und frustrierendes Verhältnis zum ihn umgebenden Sein, da hilft nicht mal ein Akkuschrauber.