Computer regieren
Am Anfang des 21. Jahrhunderts scheinen viele Voraussetzungen vereint, um den alten humanistischen Traum vom Ausbruch aus dem Kreislauf von Krankheit und Krieg, Not und Tod zu leben. Die Menschen können erstmals versuchen, das Ende der Geschichte zu erreichen, ihr Leben unter absolute Kontrolle zu bringen. Homo Deus nennt der israelische Historiker Yuval Noah Harari diese neue Spezies, die den Homo sapiens ablöst: eine Gattung von Übermenschen mit gottgleichen Fähigkeiten, die alle Übel beherrschen, am Ende sogar die eigene Biologie und damit den Tod. In seinem Weltbestseller Eine kurze Geschichte der Menschheit hatte Harari die Makrogeschichte der Evolution über 75000 Jahre erzählt, in seinem neuen Werk denkt er sich an der Schnittstelle von Anthropologie, Philosophie und Geschichte die Fortsetzung des menschlichen Siegeszugs über den Planeten aus: ein fantasievolles, so unterhaltsames wie erschreckendes Science-Fiction-Szenario. Am Ende dräut, wie in jeder Geschichte von biblischen Dimensionen, die Apokalypse. Der Mensch fällt seiner Hybris zum Opfer, an der Schwelle zur Allmacht entmachtet er sich selbst. Denn der Humanismus weicht dem "Dataismus", einer Technoreligion, die weder einen Gott noch den Menschen verehrt – sie huldigt allein den Datenströmen. Die Modernität ist ein faustischer Pakt, mit dem die Menschen ihre Fähigkeit zur Sinngebung, ihr Urteils- und Entscheidungsvermögen an Computer abgeben. Die entscheidende Frage: "Was wird aus unserer Gesellschaft, unserer Politik und unserem Alltagsleben, wenn nichtbewusste, aber hochintelligente Algorithmen uns besser kennen als wir uns selbst?" Der Humanismus macht es uns schwer, uns eine posthumane Zukunft vorzustellen. Aber die Antwort könnte sein: Der vollkommen glückliche Mensch, der Homo Deus, ist ein armes Schwein.