Politik ist Geschäft
Die Sehnsucht der Saar ist die Treue zur deutschen Heimat!" So steht es in einer Dissertation, die 1935 erschienen ist und mit der der damals 36jährige Volksschullehrer Emil Straus aus Goellheim in der Pfalz promovierte. Ueber die Zeit nach dem ersten Weltkrieg heißt es in dieser Dissertation auf den Seiten 94 und 95: "Die französischen Offiziere mit ihren Damen, viele Ausländer, die sich damals im Saargebiet aufhielten, wirkten wie ein rotes Tuch auf die Bevölkerung."
Und: "Die Beschränkung der freien Meinungsäußerung in Wort und Schrift war durch die Gewalt der Militärverwaltung auf jedermann ausgedehnt... besonders litt die Presse unter dem Druck der Verwaltung außerordentlich... die im Saargebiet noch stationierten Truppen übten in dieser Zeit wieder einen schlimmen Terror auf die Saarbevölkerung aus. Der Belagerungszustand wurde verhängt, Kriegsgerichte traten in Tätigkeit, Presseverbote, Freiheitsberaubungen und Massenausweisungen waren an der Tagesordnung."
Der Verfasser dieser Arbeit, Emil Straus, ist jetzt zum Botschafter und Leiter der diplomatischen Mission der Saarregierung in Paris ernannt worden, als Pendant zu Gilbert Grandval. Zwischen dieser seiner Dissertation und seiner Ernennung zum saarländischen Botschafter in Paris hat Dr. Emil Straus freilich mancherlei Beweise ganz gegenteiliger Gesinnung geliefert.
Schon 1937 suchte er um die Zuerkennung der französischen Staatszugehörigkeit nach (er hatte seines mosaischen Glaubens wegen aus Deutschland emigrieren müssen), aber erst zehn Jahre später, 1947, wurde sie ihm durch Dekret im "Journal officiel" verliehen.
So sehr französisch fühlte er sich nun auch wieder nicht, denn als er nach dem Kriege an die Saar zurückkam, und - inzwischen zum Katholizismus übergetreten - der dortigen Christlichen Volks-Partei (CVP) beitrat und für sie in den Saarlandtag ging, leugnete er in Fraktionssitzungen
ab, daß er auch Franzose sei. Als er schließlich - als Saarkultusminister - am 14. Juli 1948 eine Festrede halten sollte, erklärte sein Fraktionskollege Heinrich Danzebrink im Landtag: "Es ist bedauerlich, daß die Saarregierung zum französischen Nationalfeiertag einen Festredner vorschlägt, der seine französische Staatsangehörigkeit verleugnet."
Eine Erklärung für diese Wandlungen seiner Seele gab der Emil Straus dem Dr. Richard Gerber, Polizeiverwaltungsdirektor des Saarlandes von 1947 bis 1948, als er ihn überreden wollte, gleich ihm in die CVP einzutreten: "Treten Sie bei. Sie ist die stärkste Partei und bietet die größten Chancen. Werden Sie Mitglied. Verstehen Sie doch: Politik ist ein Geschäft."
Nun wird Emil Straus im neuen saarländischen Gesandtschaftsgebäude in Paris, der Villa Said, Politik machen.