PROMINENTE Trickserei beim Examen
Der umstrittene Hamburger Klinik-Gründer Ulrich Marseille, Spitzenkandidat der rechten Schill-Partei bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, hat sich persönlich nicht immer an Recht und Ordnung gehalten. Das belegen jetzt aufgetauchte Prozessakten. Marseille verweist bis heute zwar gern auf sein Jurastudium, verschweigt aber in der Öffentlichkeit das peinliche Ende der Juristen-Karriere: Nachdem er 1983 an der Uni Bremen wegen einer miserablen Arbeit erstmals durchs Staatsexamen gerasselt war, flog er beim zweiten Mal 1984 bei einem Täuschungsversuch auf. So blieb Marseille, der damals noch seinen Geburtsnamen Hansel trug, ohne Bremer Jura-Abschluss. Das Prüfungsamt ließ ihn danach nicht zu weiteren Prüfungen zu. Dagegen klagte Marseille durch mehrere Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht - letztlich erfolglos. Das Prüfungsamt beschuldigte ihn vor Gericht, er habe "zwei Chiffre-Anzeigen im 'Hamburger Abendblatt'" aufgegeben und einen Anwalt "gegen Honorarversprechen" beauftragt, die "wissenschaftliche Arbeit für ihn zu erstellen": Am 10. Dezember 1983 war in dem Blatt eine Chiffre-Anzeige (PG 6582 HA) erschienen: "Jurist gesucht, bei guter Bezahlung für Examensarbeit, zivilrechtliches Thema noch wählbar". Doch der Anwalt, der sich danach auf die Anzeige meldete, kam in Wahrheit im Geheimauftrag des Hamburger Prüfungsamtes, wo die Annonce aufgefallen war. Marseille entschuldigte sich damit, er habe persönliche, familiäre und gesundheitliche Probleme gehabt und sich deshalb nicht genügend vorbereiten können. In einem anderen Rechtfertigungsversuch erklärte er vor Gericht, der Ghostwriter habe ihm seine Hilfe geradezu "aufgeschwatzt". SPIEGEL-Fragen zu der verschärften Mogelei mochte Marseille bis Redaktionsschluss nicht beantworten.