Im Zeichen des guten Willens
Im Zeichen des guten Willens standen die Weihnachts- und Neujahrsbotschaften der Staatsmänner. Der Gedanke der Völkerverständigung soll als Leitstern über dem Jahre 1947 stehen. - In der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands gab General McNarney eine Amnestie für 800 000 politisch belastete Deutsche bekannt. Die kommunistische Pariser Zeitung "Le Soir" schreibt dazu: "Die amerikanische Zone wird von jetzt an ein Paradies der Nazis sein." Radio Moskau erklärte, durch diese amerikanische Maßnahme seien die Entnazifizierungsartikel der Potsdamer Beschlüsse nur noch eine Farce.
Ein einseitiger Versuch, die endgültige Friedensregelung vorwegzunehmen - so wird in englischen Kreisen die französische Saaraktion genannt. Die neue französische Zollgrenze umfaßt ein Saargebiet, das erheblich größer ist als die Saar, die 1935 für die Eingliederung in das Reich stimmte.
Die endgültige Stellungnahme der Alliierten zur Saarfrage wird am 10. Januar in London bei der Tagung der stellvertretenden Außenminister besprochen werden.
Die gleiche französische Aktivität zeigt sich in der Behandlung des Indochina-Problems. Frankreichs Kolonialminister erklärte, daß eine freie Uebereinkunft mit der Viet-Nam-Regierung unmöglich sei. Trotz heftiger Kritik im französischen Parlament hat das Kabinett Blum die militärischen Mittel, in Indochina Ruhe zu schaffen, verstärkt. Der Wunsch, klare Machtverhältnisse im Kolonialreich zu schaffen, kreuzt sich mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation des französischen Mutterlandes, die ebenso dringend durchgreifende Hilfsmaßnahmen fordert.
Die griechischen Unruhen setzen sich weiter fort. Obwohl die griechische Regierung die Amnestie und Straffreiheit für "Rebellen", die sich ergeben, verlängert hat, ist es noch zu keiner Beilegung der Streitigkeiten gekommen. Ein Antrag des griechischen Militärs, Aufständische bei Rückzügen über die bulgarische Grenze verfolgen zu dürfen, wurde abgelehnt.
Trotz der bisherigen Fehlschläge will Englands Regierung versuchen, die Frage der Zukunft Palästinas erneut zu verhandeln. Englische Einladungen sollen Juden und Araber am 13. Januar in London zusammenführen. Bei dem bisherigen starren Festhalten beider Parteien an ihren Forderungen gibt auch diese Konferenz keine großen Hoffnungen auf einen allseits befriedigenden günstigen Ausgleich.
Nach dem Scheitern der Londoner Indien-Konferenz entfalten Kongreßpartei und Moslem-Liga in Indien eine rege politische Tätigkeit. Streitpunkte dabei sind die im britischen Verfassungsplan vorgeschlagenen Gruppierungen der Provinzen und die zu bildenden Provinzregierungen. Nach einer Besprechung mit Pandit Nehru hat sich Mahatma Gandhi, der geistige Führer im Kampf um Indiens Unabhängigkeit, auf eine Fußwanderung durch die Unruhengebiete Ostbengalens begeben. Er hofft, durch sein Erscheinen die politischen und religiösen Leidenschaften beruhigen zu können.
Das Oel ist in Persien erneut in den Mittelpunkt der Ereignisse getreten. "Vorläufige Abmachungen" zwischen der anglopersischen Oelgesellschaft und amerikanischen Oelgesellschaften sehen den Ausbau der großen amerikanischen Oelleitung vom Persischen Golf zum Mittelmeer vor. Der Plan für die fast 2000 km lange Leitung, die nach Haifa führen soll, steht schon seit Jahren zur Diskussion. Er bedeutet eine wesentliche Ersparnis gegenüber dem jetzigen Schiffsweg durch das Rote Meer und den Suezkanal. Die englisch-amerikanischen Abmachungen haben in Persien die Ansieht ausgelöst, daß dadurch eine dritte Partei, nämlich Amerika, auf den Plan gerufen wird. Dieser neue Partner könnte nach persischer Meinung "Großbritannien bei der Rettung Persiens und des persischen Erdöls vor der russischen Politik im mittleren Osten unterstützen".