KRUPP Stahl für Rasierklingen
Wenn es nach den Franzosen ginge, müßte Alfried Krupp wieder ins Kriegsverbrechergefängnis Landsberg zurück, trotz Amnestierung durch Hochkommissar McCloy und trotz der laufenden Gespräche um eine Europa-Armee französischen Musters.
Der Name Krupp dröhnt den Franzosen durch drei Kriege derart in den Ohren, daß sie von rechts bis links, ohne Rücksicht auf persönliche Schuld oder Unschuld, verlangen: Alfried Krupp soll weiterbrummen.
Englands Labour-Party widmet ihre Aufmerksamkeit mehr dem Vermögen des aus Landsberg befreiten Alfried. Tom Driberg, Linksaußen der Labour-Fraktion im Londoner Unterhaus, hält eine entsprechende Anfrage für seine Parteifreunde in der Regierung bereit.
Was wurde aus dem Krupp-Vermögen? Der Kern der Kruppschen Gußstahlfabrik, das hochmoderne Hüttenwerk Borbeck mit seinen Hochöfen, Siemens - Martin- und Elektroöfen, dem Walz- und dem Kraftwerk, ging in über dreijähriger Demontage als Reparationsgut in die Sowjetunion. Noch 1949.
Charles Wighton, Bonner Korrespondent des "Daily Express", kabelte am 5. 2. 51 nach London, daß Alfried Krupp (Jahrgang 07) bei seiner Verhaftung am 11. 4. 45 ausgesagt habe, sein Vermögen betrage 500 Millionen Mark. Authentischer ist, daß Alfried Krupp an jenem Tage beim Verlassen der Villa Hügel einen Anzug mitnehmen durfte, und daß er sich am 17. 11. 1947, als er zum ersten Male in Nürnberg vor dem US-Militär-Tribunal Nr. III stand, Manschettenknöpfe borgen mußte.
Nach seiner Entlassung aus Landsberg konnte Alfried Krupp von Bohlen und Halbach auch nicht in seine Heimat Essen fahren, es sei denn, er hätte sich als Obdachloser gemeldet. Auch sein Bruder Berthold - der einzige der Nachkommen Krupps, der überhaupt noch in Essen wohnt - hätte Alfried nur den Fußboden
seines möblierten Zimmers in Essen anbieten können. Deshalb fuhren Alfried und Berthold von Landsberg, wo sie von 60 Reportern interviewt und 25 Minuten lang gefilmt wurden, zu ihrer Mutter Bertha, die auf dem Familiengut Blühnbach bei Salzburg noch eine gufe Stube hat.
Wirklich ein Kronprinz. Hier ist Vater Dr. Gustav Krupp vor einem Jahre (16. 1. 50) als fast 80jähriger gestorben. Schon von der Internationalen Nürnberger Anklagebank war er wegen Krankheit und Schwäche entlassen worden. Sein ältester Sohn Alfried war unter acht Geschwistern der Kronprinz. Also mußte er an Vaters Statt nach Nürnberg und als Sohn des letzten deutschen Kanonenkönigs büßen. Kronprinz Alfried wurde an Stelle seines Vaters Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zu 12 Jahren Haft verurteilt.
Sechs Brüder und zwei Schwestern entsprossen der 1906 geschlossenen Ehe der Frau Bertha mit dem Legationsrat Dr. Gustav von Bohlen und Halbach, dem durch Kaiserl. Kabinettsorder allein das Recht verliehen wurde, den Namen Krupp zu führen.
Nicht seinen Kindern. Alfried Felix Alwin wurde unterm 13. 8. 1907 in das Standesamtsregister Essen-Bredeney als "von Bohlen und Halbach" eingetragen. Alfried wurde erst unterm 29. 12. 1943 von Adolf Hitler durch die Lex Krupp ermächtigt, ebenfalls "Krupp" vor seinen Namen zu setzen. Die Berichtigung des Standesamtsregisters Essen-Bredeney erfolgte am 17. 6. 1944. Alle übrigen Nachkommen Dr. Gustav Krupp von Bohlen und Halbachs heißen nicht Krupp.
Die fünfte Krupp-Generation - gerechnet von Friedrich Krupp (1787-1826) an, dem Gründer der Gußstahlfabrik - ist vom Schicksal gezeichnet:
* Alfried Krupp, geb. 13. 8. 07, nach sechs Jahren Haft aus Landsberg entlassen;
* Claus, geb. 18. 9. 10, gefallen als Flieger am 10. 1. 40 (nach ihm heißt eine ehemalig Kruppsche Besitzung im Emsland und das dazugehörende Dorf "Clausheide");
* Irmgard, geb. 31. 5. 12, ist Kriegerwitwe;
* Berthold, geb. 12. 12. 13, lebt als Chemiker in Essen;
* Harald, geb. 30. 5. 16, kam aus rumänischer Kriegsgefangenschaft ins Entlassungslager Frankfurt (Oder), wurde dort sofort von SED-Schergen gegriffen und in ein Lager bei Moskau verschleppt;
* Waltraut, geb. 31. 7. 20, verheiratet in Bremen, lebt aber mit ihrem Manne meist in Argentinien;
* Egbert, geb. 31. 8. 22, gefallen 1945 in Italien. (Ein Bruder starb in jungen Jahren.)
Auf Blühnbach ist es um Mutter Bertha still geworden. "Die schönste Nachricht meines Lebens war", sagte sie, "als die erste Karte von Harald aus Rußland kam."
Seit 1943 war Alfried Krupp wirklich ein Kronprinz. Auf Grund eines Hitlerschen Sondererlasses, der Lex Krupp (die umgekehrt im Hause Krupp nur die Lex Hitler heißt), wurde die seit 1906 bestehende Aktiengesellschaft "Fried. Krupp A. G." aufgelöst und in ein Familienunternehmen zurückverwandelt, dessen Vermögen Bertha Krupp auf ihren ältesten Sohn Alfried übertrug. So war Alfried mit 36 Jahren der alleinige Inhaber einer Firma, deren Reichtum nur noch mit dem Vermögen der Hohenzollern vor 1918 vergleichbar war.
Fungierte Alfried Krupp seiner Rechtsstellung nach als Regent - er war seit
März 1943 der Vorsitzende des Direktoriums - so war er in der Oberleitung des Krupp-Konzerns jedoch abhängig von jener festgefügten Hierarchie der Hausmeier, die seit dem Tode seines Urgroßvaters, des Kanonenkönigs Alfred Krupp (gest. 14. 7. 1887) den Konzern steuerte. Diesen ihm an Alter und Erfahrung weit überlegenen Männern pflegte Alfried "freie Hand zu lassen, er griff von sich aus nie in die Geschäfte ein und beschränkte sich im allgemeinen darauf, die ihm vorgetragenen Fragen zur Kenntnis zu nehmen oder kameradschaftlich zu erörtern". (Krupp-Prozeß, Verteidiger-Exhibit 2573, Urkundenbuch Krupp VI, S. 52)
Aber dieselben Länder Westeuropas, die früher Gerüchte einer überstürzten Heirat des leichtlebigen Kanonenprinzen mit einer familiengeächteten Außenseiterin der Gesellschaft betuschelten, dieselben Länder fordern heute, er solle brummen, weil er ein Krupp sei.
Der reichste Mann Großdeutschlands. Die Hausmeier erinnern sich nicht, daß Alfrieds Vater Gustav an jener berüchtigten Industriellenkonferenz im Düsseldorfer Park-Hotel am 27. Januar 1932 teilgenommen hätte, die Fritz Thyssen arrangierte und auf der Hitler sprach. Zu seinem 70. Geburtstag 1940 bekam Vater Gustav wohl die Goldene Ehrennadel der Partei, wodurch er automatisch Pg. wurde. Aber mehr als 12 Mark Monatsbeitrag hat der reichste Mann Großdeutschlands nie gezahlt.
Als ein Krupp-Direktor (er lebt heute noch) in SA-Uniform zu einem Begräbnis ging, bekam er am nächsten Tag vom Vorstand die Rüge: man sähe es nicht gern, wenn Krupp-Direktoren in Uniform herumliefen. Zwei Jahre flaggte Krupp nur seine Werkfahne mit den drei Ringen, bis 1935 die NS-Betriebszelle verlangte, daß endlich das Hakenkreuz vom Essener Turmhaus wehe.
Es stimmt also, wie Fritz Thyssen in seinem Buch "I paid Hitler" erzählt, daß Krupp nicht mit ihm ging. Wie es stimmt, daß Vater Gustav im Kuratorium der Adolf-Hitler-Spende saß. Die ewige Fechterei der Braunen war in Essen unerträglich geworden, SA, SS, Partei bis zum Gauleiter aufwärts gaben sich die Klinke in die Hand. Das ärgerte den Alten, worauf er vorschlug, je Mann und Jahr doch einen Pfennig zu geben, damit man ein unsichtbares Schild an die Tür machen könne: "Mitglied des Vereins gegen Bettelei" und endlich Ruhe habe.
Die Spendenlisten, die der CIC beschlagnahmen wollte, gab es gar nicht bei Krupp.
Was ist mit der Lex Krupp? Die überlebenden Hausmeier von Krupp verfügen heute nicht einmal mehr über ihr weltbekanntes Turmhaus in Essen. Der Publikumsstrom, der dort aus- und einflutet, gilt dem Postscheckamt Essen, das in das Turmhaus gezogen ist, wo einst Kaiser und Könige standen.
Die letzten Krupp-Direktoren mit ihrem Verwaltungstroß amtieren kümmerlich gegenüber in einem Nebengebäude, als seien sie Untermieter. Aber über ihre Tische sind bisher vier Rechtsgutachten gelaufen, die sich mit der einen Frage befassen: Besteht die Lex Krupp von 1943 überhaupt noch? Es sind bis heute Dutzende von Gesetzen aus der NS-Zeit aufgehoben worden, Hunderte sind aber noch in Kraft. Wenn Hitlers Sondererlaß nicht mehr gelten sollte, der die Rechte der Geschwister Alfrieds vernichtete und der zahlreiche Klauseln zugunsten der Hitler-Partei enthält, die Martin Bormann dem 1943 schon kranken Gustav Krupp abpreßte - , ist Alfried Krupp dann überhaupt der Erbe des Krupp-Vermögens?
Wenn weiter John McCloy in seinem Gnadenerlaß Alfried Krupp sein Vermögen zurückgab, ist dieser Teil des amerikanischen Gnadenerlasses für den britischen Hohen Kommissar, Sir Ivone Kirkpatrick, verbindlich? Denn der Rest des Krupp-Komplexes liegt in der britischen Zone. Tom Driberg will auch in dieser Richtung die Labour - Regierung festlegen: keine Rückgabe des Vermögens an Krupp, gleich ob an Frau Bertha, ihren Sohn Alfried oder dessen überlebende Geschwister.
Aber nicht nur Londons Unterhaus, auch der Bonner Bundestag wird sich in Kürze mit dem Krupp-Vermögen beschäftigen müssen. Einmal will die Stadt Essen aus dem 45 Millionen DM enthaltenden Remontage-Topf des Bundes einen Anteil für die Wiedererschließung der Kruppschen Trümmerwüste haben, die siebenmal größer ist als die Essener City. (Deshalb war der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages am 12. 2. 51 in Essen). Darüber wird Bonn in etwa vier Wochen debattieren.
Zur Kategorie der Schlimmsten. Wann sich die Bundesregierung aber einmal am Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission zur Neuordnung der Montanindustrie die Finger verbrennen wird (sie soll die Durchführungsbestimmungen paraphieren), das weiß kein Mensch.
Dieser Termin interessiert aber Alfried Krupp aufs höchste, denn auf der Leporello-Liste der Enteigneten zum Gesetz Nr. 27 prangt der Name seines Urahns Friedrich Krupp auf dem Anhang A an zweiter Stelle. (Da stehen die Schlimmsten.) Vor Krupp stehen nur noch die Vereinigten Stahlwerke.
Zur Stunde ist das Vermögen der deutschen Stahl- und Kohle-Konzerne eingefroren, also auch das des Krupp-Konzerns (früher 200 000 Beschäftigte), sofern die ausgegliederten Betriebe nicht in der Ostzone liegen und dort volkseigen oder Sowjet-Besitz geworden sind (z. B. Gruson-Werk in Magdeburg, heute Sowjet-AG). Da der Artikel 5, Absatz b des Gesetzes 27 aber eine Entschädigung der Altbesitzer vorsieht, ist das kommende große Aufwaschen dieses immer bedenklicher werdenden Schwebezustandes in den Eigentumsverhältnissen an Rhein und Ruhr eine Lebensfrage für die Familie Krupp.
Geblieben sind von Krupp lediglich die Lokomotivfabrik, die WIDLA-Fabrik, die Baubetriebe, die Elektrowerkstätten, eine Maschinenfabrik und die Anlagen zur Gewinnung und Verteilung von Gas, Wasser, Strom, Preßluft und Sauerstoff. Die Lokfabrik besaß anfangs nur die Erlaubnis für Reparaturen, baut jetzt aber auch neue Loks für die Bundesbahn und konnte vor einiger Zeit zwei Großaufträge auf je 100 Loks für Südafrika und Indonesien hereinnehmen. Damit haben 2500 Arbeiter und Angestellte für ein knappes Jahr eine Brotstelle.
WIDIA, das ist eine unnachahmbare Kruppmetall-Qualität. Diese Fabrikmarke bedeutet "wie Diamant". Dabei ist dieses 1926 auf den Markt gebrachte Sinterhartmetall gar kein Stahl, wie Laien immer annehmen, sondern "eine eisenfreie Legierung, hergestellt im pulvermetallurgischen Verfahren auf der Basis von Karbiden, verschiedener Metalle mit dem Bindemetall Kobalt". WIDIA ist härter als der härteste Stahl. Daran arbeiten wieder 1000 Menschen.
Du armes Essen. Insgesamt beträgt jetzt die Zahl der in den verbliebenen Essener Krupp-Werken Beschäftigten 12 800, wobei die Kruppschen Sozialbetriebe bereits eingeschlossen sind. (Die Krupp-Konsum-Anstalt mit ihren 116 Verkaufsstellen zählt allein 1600 Beschäftigte.)
Die Sozialstruktur der drittgrößten Stadt der Bundesrepublik (Essen mit 610 000 Einwohnern) ist völlig deformiert. In Essen leben:
Eine Analyse dieser Aufstellung ergibt, daß zwei Fünftel aller Essener mit ihren Familien von Renten und Unterstützungen leben und nur noch zwei Fünftel beschäftigt sind. In der eigentlichen Produktion stehen davon aber nur die Hälfte, die andere Hälfte gehört sogenannten Dienstleistungsberufen an wie Verwaltung, Handel, Verkehr usw. Es ist klar, daß das Fünftel der in der Werte erzeugenden Produktion Stehenden nicht ein Sozialgefüge
wie Essen tragen kann, mag die City auch von Menschen wimmeln.
Wie arm Essen ist, läßt sich am Steueraufkommen 1950 ablesen (siehe Tabelle).
Deshalb betont Essens Oberbürgermeister, Dr. Toussaint, immer wieder: "Wir müssen endlich loskommen von der Diffamierung Essens." Denn als die Waffenschmiede Großdeutschlands unterlag Essen einer alliierten Sondermassage. Lagen bei Kriegsende allein im Stadtgebiet Essen ca. 16 Millionen cbm Trümmerschutt = ein Drittel der Trümmermasse des Ruhrbezirks, so kam für Essen eine Sonderdemontage hinzu, die ihresgleichen sucht. Tausende Tonnen Demontagegut wurden von den Empfangsländern gar nicht abgenommen, stehen noch herum oder sind verschrottet.
Da tobte Albert Speer. Ueber das Problem Essen als Waffenschmiede ist die Diskussion endlos. Das sagt Krupp dazu: Von 1933 bis 1937 betrug der durchschnittliche Anteil der Wehrmachtslieferungen am Gesamtumsatz der Essener Werke 14 Prozent. Von der Gesamtarbeiterbelegschaft waren von 33 bis 37 rund 26 Prozent in der Rüstungsproduktion eingesetzt. Von 1938 bis 1943 stiegen die Wehrmachtslieferungen auf 23,5 Prozent des Umsatzes und die Zahl der Rüstungsarbeiter erhöhte sich auf 42,5 Prozent.
Nach der Verkündung des totalen Krieges wurde auch die Rüstungsproduktion total. Albert Speer tobte schon, wenn er erfuhr, daß nur eine Milchkanne nebenbei gemacht wurde. Krupp war führend in der Herstellung schwerer und schwerster Geschützrohre, schwerster Schiffsartillerie und der Wannen für den Tiger-Panzer.
Aber Krupp war auch gebranntes Kind. Dr. Gustav Krupp hatte schon 1918 erlebt, wie schwierig ein Rüstungswerk auf Friedensfertigung umzustellen ist. Von 1918 bis 1920 sank die Belegschaft der Essener Werke von 115 000 auf 20 000. Es grenzt an Wunder, daß sich nach 1918 die deutsche Waffenschmiede im Lok- und Lkw.-Bau trotz stärkster Konkurrenz durchsetzen konnte. Damals baute Krupp ebenso Landmaschinen wie Registrierkassen.
Deswegen nach 1933 das Bestreben in Essen, die Rüstungskonjunktur wohl mitzunehmen, aber sich mit einem hohen Anteil von Friedensproduktion rückzuversichern. "Daß die Firma Krupp mit dem Beginn der allgemeinen Aufrüstungspolitik des Hitler-Regimes wieder größere Rüstungsaufträge erhielt, war selbstverständlich. Wichtiger ist, daß es auch jetzt die ständige Geschäftspolitik der Firma blieb, den Anteil der Rüstung an der Gesamtproduktion auf ein vernünftiges Maß zu beschränken. Der Wille, die Rüstungsinteressen eher abzubauen als zu verstärken, kann nicht deutlicher dokumentiert werden als durch die Tatsache, daß Krupp die Aktienmehrheit an Rheinmetall, der größten deutschen Geschützfabrik, gerade in dieser Epoche veräußerte." (Aus der Verteidigungsschrift von Tilo Frhr. von Wilmowsky "Warum wurde Krupp verurteilt?")
Der Rubel rollte. Krupp als Gußstahlfabrik besteht seit 1812. Erst 1843 fertigte Alfred Krupp den ersten Gewehrlauf aus Gußstahl, den ihm das preußische Kriegsministerium mit dem Bemerken zurückschickte, die preußische Waffe sei so gut, daß sie keiner Verbesserung mehr bedürfe. In Berlin ist der Generalinspekteur der preußischen Artillerie, Generalleutnant v. Hahn, entschieden für Bronze, und da die Spandauer Heereswerkstätten staatliche Regiebetriebe sind, hätte sich die Rüstungsbürokratie den Ast abgesägt, auf dem sie saß, wenn sie Krupp an den Rüstungsspeck herangelassen hätte. In Essen hieß Hahn nur der "Bronze-Gockel".
Alfred Krupp mußte die Abdankung Friedrich Wilhelms IV. abwarten, bis dessen Bruder Wilhelm - der nachmalige Kaiser - noch als Prinz von Preußen am 10. Mai 1859 300 Gußstahlrohre bei Krupp bestellte, worüber der alte Roon, der Kriegsminister, einen fürchterlichen Krach machte. (Fertiggestellt wurden die Geschütze in den Spandauer Staatswerkstätten.)
Sein Brot hat sich Krupp damals am aufkommenden Eisenbahnbau verdient, für den er Radsätze, Achsen, Federn, Schienen lieferte und mit Kurbelwellen wie Schiffsachsen, in größten Abmessungen für Dampfschiffe.
Da man ihm in Berlin 16 Jahre lang die Tür wies, ging er mit seinen Kanonen ins Ausland. Der Zar hatte den Krimkrieg verloren und mußte seine Artillerie neu ausrüsten. Er bestellte bei Krupp für 1,5 Mill. Taler Kanonen. Aus diesem Batzen stammt die "Villa Hügel", in der heute die Combined Coal Control Group sitzt und die Alfried Krupp, der Urenkel, jetzt wiederhaben will.
Alfred rüstet 1866 die Süddeutschen aus, von denen alle Welt weiß, daß sie auf seiten Oesterreichs gegen die Preußen
stehen. Berlin weiß das, kann aber kein Ausfuhrverbot für preußische Kanonen erlassen, da es damit seine Karten aufdecken würde. Daß Krupp 1870/71 die Franzosen bewaffnet hat, ist Unsinn. Erst 1874 bekommt Krupp den Auftrag, die leichte Artillerie der deutschen Armee mit 2000 der neuen 8,8 cm - Feldgeschütze auszurüsten. Als man ihm zum Vorwurf macht, daß er Wien dieselben Geschütze liefern will wie Berlin, schreibt er dem Kaiser: "Von Preußen allein können wir nicht leben, wir brauchen in den nächsten zehn Jahren mindestens für 50 Millionen Bestellungen. Und wenn die fremden Staaten bestellen, kann ich doch auch nichts Schlechtes liefern."
Reißverschlüsse statt Panzer. Bis zum Tode Alfred Krupps hatte man in Essen 24 576 Kanonenrohre hergestellt, davon waren 10 666 im Lande geblieben und 13 910 ins Ausland gegangen. Bis zum Ende des Jahres 1911 waren die Lieferungen an Kanonenrohren auf 53 000 gestiegen. Davon hatten die deutschen Bundesstaaten 26 300 in Auftrag gegeben, mehr als die Hälfte aber, 27 300, bekam das Ausland.
Erst Versailles beendete diese internationalen Ausflüge der Essener Kanonenkönige. Potsdam besiegelte 1945 das Schicksal der Rüstungsdynastie Krupp. Die Anlage 12 b zu einer Denkschrift der Stadt Essen vom Februar 1951 enthält die detaillierten Pläne für elf Straßen, die demnächst über das Essener Krupp-Gelände führen werden, darunter die Reichsstraße Köln - Münster. Nebenher geht die Auflösung der Krupp'schen Terrain-Substanz.
Zur Aufschließung des 3000 preußische Morgen großen Geländes der einstigen Gußstahlfabrik wurde vom Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Stadt Essen die Industrie - Förderungs - Gesellschaft gegründet, die das Land, auf dem Großdeutschlands Waffenschmiede stand, vermietet, verpachtet oder verkauft.
Durch die Tätigkeit der Industrie-Förderungs-Gesellschaft war es bisher möglich, mit 29 Betrieben, bei denen bis zum Ende des Jahres 1951 voraussichtlich 4700 Personen beschäftigt sein werden, über Kruppsches Gelände Miet- und Kaufverträge zur Neuansiedlung abzuschließen. Für die Zukunft ist mit einer wesentlichen Vermehrung der durch diese Firmen geschaffenen Arbeitsplätze zu rechnen. Der Vertragsabschluß mit weiteren Firmen, die über eine Kapazität von über 500 Beschäftigten verfügen werden, steht bevor.
So ist im Panzerbau 2 eine Fabrik für Reißverschlüsse eingezogen, in der Umformerstation werden Textilien gefärbt, in der Stahlformerei 4 macht Osram seine Leuchtröhren, in Krupps Forschungsanstalt werden Spielzeuge und Fußbodenbelag fabriziert und in der Gießerei 5/7 (Westteil) Verbandmaterial und Arzneimittel. In der Gleichrichteranlage: Backöfen.
Auch hier ohne uns. Klar, daß dabei die Beschäftigtenzahl der Essener Metallindustrie von 1939 bis 1950 von 68 413 auf 28 441 sank (auch hier drückt sich der Aderlaß an Krupp aus). Um dieses Loch zu stopfen, kämpft Essen um ein neues Qualitätsstahlwerk. OB Dr. Toussaint am 22. Februar 51 im Rathaus Essen: "Viele Städte dürfen wieder Stahlwerke errichten. Nur Essen nicht. Aber auch Essen will an der Ausweitung der Stahlquote eines Tages partizipieren. Wir wollen die Möglichkeit haben, wieder Edelstahl zu produzieren."
Der Plan sieht die Errichtung eines Stahlwerkes mit einer Monatsleistung von
etwa 8000 t auf der Basis von SM- und Elektrostahl vor, in der Hauptsache für die Versorgung des nachgeordneten Walzwerks, zum Teil auch für die Weiterverarbeitung in Schmieden. Dazu die Errichtung eines Edelstahl-Walzwerks, bestehend aus Block-, Fein- und Drahtstraße, mit einem Ausbringen von etwa 5000 t/Mon.
Diesen Plan haben 41 Abnehmer von Walzdraht, Warmband und Halbzeug aus dem Raume Hagen - Remscheid gegengezeichnet. Mit Krupp haben sie ihr altes Lieferwerk für Edelstahl verloren.
Ministerpräsident Karl Arnold, Essens Oberbürgermeister Dr. Toussaint und die Ueberlebenden von Krupp erklären übereinstimmend: Niemand denkt in Essen mehr an Rüstung. Krupp ist derart dem Erdboden gleich gemacht, daß auf diesem Trümmerhaufen nicht vor drei Jahren die erste Panzerwanne das Werk verlassen könnte. "Aber wir wollen nicht mehr, auch hier ohne uns." Deutschland begnügt sich mit Edelstahl für Rasierklingen. Lieb' Frankreich, magst ruhig sein!
<0Kasten0> Rentner110 000 Einw. deren Angehörige 125 000 " Selbständige 25 000 " Arbeiter und Angestellte 220 000 " deren Angehörige130 000 " Insgesamt 610 000 Einw. LOHNSUMMENSTEUER KAPITALERTRAGSTEUER ESSEN 7 700 000 5 900 000 (1:0,77) DÜSSELDORF 7 700 000 13 00 0000 (1:1,86) FRANKFURT 4 500 000 12 000 000 (1:2,06) HAMBURG 10 000 000 36 000 000 (1:3,60)