WAHRNEHMUNG Schön vertraut
Zum Schönsein eines Menschen gehört mehr, als für eine fremde Person auf den ersten Blick zu erkennen ist, und auch weit mehr als ein symmetrisches Gesicht oder das richtige Taille-Hüfte-Verhältnis. Zu diesem Ergebnis kommen drei Studien des Evolutionsbiologen David Sloan Wilson von der Binghamton University im Bundesstaat New York. In der ersten Untersuchung sollten alte Klassenfotos beurteilt werden: Die mit der Klasse nicht vertrauten Testpersonen waren sich dabei in ihrem Urteil relativ einig, sie folgten allein den körperlichen Kriterien; kannte die Versuchsperson jedoch die Abgebildeten, so war sie oft ganz anderer Meinung - sie empfand jene Menschen als deutlich schöner, die sie als besonders sympathisch in Erinnerung hatte; die Ekelpakete hingegen fand sie eher hässlich. Bei der Beurteilung der Schönheit von Mitgliedern einer College-Sportmannschaft fanden sich ähnliche Diskrepanzen; und auch bei einer Studentengruppe, die sechs Wochen lang gemeinsam eine archäologische Ausgrabung durchführte, veränderte sich die gegenseitige Einschätzung der Schönheit während dieser Zeit beträchtlich. Dass offenbar nicht nur körperliche Merkmale unsere Auffassung von Schönheit bestimmen, ist für Wilson dabei im Sinne der Evolution durchaus sinnvoll. Auch Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Mut, Fleiß oder Intelligenz seien schließlich für die richtige Partnerwahl von entscheidender Bedeutung.