FILM Zur Sache, Kätzchen
Selten in der Geschichte des Kinos hat es so ein Schlachtfest gegeben wie bei diesem Film. Geradezu hysterisch wurde "Catwoman", nach gigantischem Hype, zu Katzenklein verarbeitet, zunächst in den USA, dann in London vergangenen Donnerstag, am Tag seiner England-Premiere.
Mit stetig steigender Wut übrigens, denn im Kritikergeschäft müssen die Nachstolpernden jeweils die Vorangehenden an Niederträchtigkeit übertreffen. Toter als tot erreicht der Streifen die deutsche Kritik.
Und das bei einem Film, der die zauberhafte Halle Berry in Leder und Latex zeigt. Mit Peitsche. Ja, hat die Branche keinen Funken Ehre mehr im Leib?
Lauter Katzenkritiker mit sehr hohen Ansprüchen. Der der Londoner "Times" nennt Halle Berry "oberflächlich". Der von "USA Today" fand vorher, dass Berry "nicht überzeugend schnurrt". Die "Financial Times" urteilt: "Lächerlich".
Leute, es geht nicht um "King Lear", sondern um einen Film, in dem eine Frau im Katzenkostüm steckt. Aber was für eine! Sie ist ein Darling mit großen dunklen Augen, die feucht schimmern können. Ihre Zähne sind makellos, vom Rest ganz zu schweigen.
Woher nur die Wut? Einen Anhaltspunkt gibt die "Washington Post". "Der Film wurde von einem gewissen Pitof gedreht", der erstens Franzose ist, zweitens aus der Werbebranche kommt und drittens nur diesen einen Namen hat, nämlich Pitof. Wahrscheinlich raucht er Filterlose.
Ein Franzose für "Catwoman" - und das in den USA, wo man Pommes frites aus Verachtung für Franzosen, besonders für einnamige (Chirac!), in "Freedom Fries" umbenannt hat! Eine krasse Fehlentscheidung. Vielleicht war sich das Studio auch plötzlich nicht mehr sicher: der Oscar-Liebling Halle Berry und Leder-BH? "Für so was Perverses brauchen wir einen Franzosen, Joe!" "Wird gemacht, Boss." Wie auch immer: Im Film selbst entdecken wir neben Halle Berry, die unwahrscheinlich sexy ist, eine bizarre Geschichte über das Altern, über den Feminismus, die Frauenquote, die Schönheitsindustrie und Hollywood.
Dazu ein paar wirklich hübsche optische Einfälle, wie den, Halle Berry mit Leder-BH und Peitsche auszurüsten, oder sagten wir das schon?
Sie heißt Patience, Geduld, mit der üblichen Vorgeschichte zur feministischen Erweckung. Sie lässt sich herumtreten von ihrem Boss, dem Chef des Schönheitskonzerns Hedare-Beauty, der genau das auf den Markt wirft, was man seiner Frau immer aus Duty-Free-Shops mitbringen soll: eine Creme, die ewige Jugend verspricht.
Die hier allerdings verlangt besondere Markentreue. Wer sie absetzt, erleidet fürchterliche Entstellungen. Rabenschwarze Seelen im Geschäft um die schöne Schale also, Jugendsucht und die Großdealer dafür, was für ein Thema!
Patience kommt der Sache durch Zufall auf die Spur, wird von den Killern des Konzerns gejagt, fällt in Säure, wird bewusstlos an einen Felsen angespült - wie es eben im Kampf um Schönheitscremes so zugeht.
Patience wird (was für ein Bild auf diesem schlierigen Felsbrocken vor der nächtlichen Silbersilhouette Manhattans) von einer geheimnisvollen Katze wachgeküsst. So ist sie von Stund an, noch ohne es richtig zu wissen, Catwoman, die im Bücherbord schläft, und, absolut hinreißend, auf dem Weg zur Arbeit auf der Straße Hunde anfaucht.
Schließlich dämmert ihr, dass das alles nicht normal ist, und sie sucht eine Katzenprofessorin auf.
Die sieht dann genauso aus, wie sich Frauen zufriedene allein stehende ältere Frauen vorstellen, mit Brille in einer gemütlich-knuffigen Wohnung aus tiefen Sesseln, Büchern mit Goldschnitt, Tiffany-Lampen und jeder Menge Katzen.
Sie hat ihren Job verloren, weil sie in der "männlich dominierten akademischen Welt" ausgebootet wurde. Mit anderen Worten: Sie ist die Feminismus-Großmutter Gloria Steinem, die ihrer Enkelin zuruft: "Schlag zurück, heirate nie und trage einen Leder-BH, mein Kind!"
Ihr Hauptvergnügen an diesem Film, gestand Berry, habe darin bestanden, das sexy Outfit zu tragen. Unseres auch. Und los geht eine hirnrissige Trash-Orgie, in der sie Ganoven vermöbelt, einen kleinen Jungen von der Kirmesschaukel rettet, geschmeidig an Wänden hochklettert und mit dem Hinterteil wackelt.
In einer knisternd choreografierten Basketball-Szene bringt sie einem jungen Detective in einem Ghetto-Hinterhof das Spiel der Spiele bei - sie bespringt ihn regelrecht.
Schließlich trifft sie auf ihre wahre Gegenspielerin, auf Sharon Stone, die früher mal das Gesicht des Beauty-Konzerns war und jetzt jenseits der 40 ist.
Die Bitch der neunziger Jahre also trifft auf die nette Dunkle vom Dachfirst. Eine Auseinandersetzung zweier Frauengenerationen, bei der man besser nicht im Weg steht. In einem furiosen Katzenzweikampf hoch oben in der gläsernen Kuppel der Konzernzentrale zieht Catwoman die Silberkralle über die marmorne Wange der weißblonden Tragödin.
Stone, im Splitterregen aus Glas und Spiegeln, sieht Sprünge und Risse in ihrem Gesicht, sieht ihr Alter wie Dorian Gray, sieht ihre Zukunft mit diesem Alter, und sie weiß, dass sie die nicht will. Lesebrille und tiefe Sessel und Katzenbücher? Nie!
Ein bösartiges, rabenschwarzes Finale, wie es sich nur ein Gauloises rauchender französischer Einnamiger ausdenken kann. Doch wenn Catwoman am Schluss über den Dachgiebel ins Mondlicht davonschleicht, mit schaukelndem Hinterteil, dann hat man sich auf alle Fälle hübscher amüsiert als beim Gros der diesjährigen Sommer-Blockbuster. Schnurrrrr! MATTHIAS MATUSSEK