GESELLSCHAFT / ALI KHAN Die Spur des Glücks
Jockei Fred Palmer, Sieger im "Grand Prix de Paris", sprang aus dem Sattel seines Wunderpferdes "Phil Drake", verbeugte sich vor den hunderttausend jubelnden Besuchern des Rennplatzes Longchamp und brachte den wild schnaubenden Dreijährigen zu seiner glücklichen Besitzerin, Madame Suzy Volterra. Die lebenslustige Suzy, Witwe des Pariser Theatermagnaten Léon Volterra, schmiegte sich an die dampfende Brust des Siegerpferdes, das erst vor kurzem das Epsom-Derby für sie gewonnen hatte, und gab dem leicht irritierten "Phil Drake" einen herzhaften Kuß aufs Maul.
Bei diesem Anblick gerieten die Turf-Ritter auf der Renntribüne von Longchamp in sentimentale Ekstase. Würdige Herren unter grauen Zylindern drängten sich in einer plötzlichen Wallung kollektiver Galanterie nach vorn, um die Gewinnerin der 25 Millionen Franken (rund 300 000 Mark) des "Grand Prix" begeistert abzuküssen.
Selbst die an stürmische Verehrung gewöhnte Madame Volterra verlor in diesem Gewühl die Nerven. Als sie das leuchtend weiße Schantung-Seidenkleid der Begum Aga Khan erblickte, stürzte sie sich, laut aufheulend vor Glück, in die Arme der einstigen Schönheitskönigin.
Im Kreise seiner Favoritinnen beobachtete der Stiefsohn der Begum, Prinz Ali Khan, den Karneval der Gefühle. Selbstbewußt stand der "goldene Prinz" neben der massigen und verwitterten Götzenfigur seines Vaters, den Zylinder verwegen auf das schüttere schwarze Haar gedrückt: ein Bild nobler Nonchalance und orientalischen Phlegmas, eine überzeugende Verkörperung der Rolle, die sein Vater schuf, der Rolle des "göttlichen Snobs" - des Snobs, der zugleich ein Stellvertreter Allahs auf Erden ist, dem die Opferspenden vieler Gläubigen ein Leben in unermeßlichem Reichtum gestatten.
Im Cataract-Hotel zu Assuan, wo der Aga vor wenigen Monaten ernsthaft um
sein Leben bangte, hat Ali dem 77jährigen Oberhaupt der mohammedanischen Ismailiten-Sekte versprochen, daß er ihm vor seinem Tode keine neue Hollywood-Braut mehr vorstellen und sich fürderhin intensiver um das hohe geistliche Amt kümmern wird, das er in absehbarer Zeit übernehmen muß. Alis Halbbruder Sadri, ein tugendsamer Träumer, der bis dahin als Nachfolger des Aga Khan galt, hat seit jenem Gespräch unter vier Augen keine Chance mehr, ein Gott zu werden, was die Oberhäupter der Ismailiten jedenfalls insofern sind, als ihnen ihre Lehre die Sündlosigkeit zugesteht.
Die Nachfolger-Würde hat an den Lebensgewohnheiten des Ali Khan nicht viel geändert. Pferdehandel und Pferdesport sind ohnehin Beschäftigungen, die eines Ismailiten-Oberhauptes durchaus würdig sind, was der Aga Khan der Welt seit Jahrzehnten demonstriert. Ali brauchte sich also auch als angehendes geistliches Oberhaupt dem Rennen in Longchamp nicht fernzuhalten.
Das Pferd, das Ali Khan beim "Grand Prix 1955" laufen ließ, stammte nicht aus seiner eigenen Zucht. Er kaufte die dreijährige Vollblut-Stute "Rey" als Lückenbüßer - und hoffte auf eine Außenseiter-Chance. Aber das Wunder von 1947 wiederholte sich nicht. Damals hatte Ali wenige Tage vor dem Rennen das als
zweitklassig geltende Pferd "Avenger" erstanden, das noch nie einen Platz belegt hatte. "Avenger" gewann den "Grand Prix" bei einem Wettsatz von 35:1. Jenes mirakulöse Ereignis verschaffte dem snobistischen Sohn des Aga Khan den Nimbus eines instinktsicheren Pferdekenners. Die Vollblut-Stute "Rey" freilich hatte er falsch eingeschätzt.
Ali war ein guter Verlierer. Am Tag nach dem Rennen gab er wie immer in bester Laune seine traditionelle Jahresparty in dem vornehmen Garten-Restaurant "Pré Catelin" im Bois de Boulogne.
Früher hatte Ali den Gala-Abend nach dem "Grand Prix" in seinem Pariser Haus am Boulevard Maurice Barrès gegeben, aber das Haus hatte ihm eine peinliche Blamage eingebracht. Die Zimmereinrichtungen waren von Pariser Möbel- und Antiquitäten-Geschäften nach eigenem Ermessen besorgt worden, und die Pariser Gesellschaft hatte sich über die mittelmäßige Ausstattung lustig gemacht. Daraufhin hatte Ali vor zwei Jahren seine Veranstaltung ins "Pré Catelin" verlegt.
Über 200 Gäste trafen sich diesmal im "Pré Catelin", um den Triumph der Madame Volterra zu feiern. Die großen dunkelbraunen Bettelaugen Alis aber hingen an einer sommersprossigen Person, die er seinen Gästen als Überraschung präsentieren wollte. Es war die Londoner Schlagersängerin
Tilda Lee. "She looks like Rita" (Sie sieht wie Rita aus), stellten die Spötter fest. Während im Bois de Boulogne Tilda Lee mit heiserer Branntweinstimme gefühlvolle Songs näselte, trommelten bereits die Fernschreiber die Kunde von der neuen Ali-Romanze in die Welt hinaus.
Es sei weniger die Stimme der Tilda gewesen, wußte am nächsten Tag die Boulevard-Presse in aller Welt zu berichten, die es dem Ali angetan habe, als vielmehr die "frappierende Dynamik ihrer Bewegungen". "Sie bewegte sich bei ihrem Gewimmer mit dem Tempo eines automatischen Eierschlägers", berichtete schnoddrig ein Reporter des Londoner "Daily Express". Noch im Morgengrauen, als die Gäste den Bois de Boulogne längst verlassen hatten, sahen die schläfrigen Kellner des "Pré Catelin" Ali und Tilda in angeregtem Gespräch beisammensitzen. Das Rita-Hayworth-Double aus London hatte den prinzlichen ewigen Romeo bereits fest umgarnt.
Der echten Rita hätte der psychische Mechanismus der neuen Ali-Romanze kaum Rätsel aufgegeben. Sie saß einst mit ihrem damaligen Ehemann Ali und einer Freundin in einem Nachtklub, als eine ägyptische Bauchtänzerin sich in rasenden Rhythmen zu drehen begann. Ritas Freundin wies auf den Ehemann Ali, dessen Blick verträumt auf der Tänzerin ruhte. "Das verstehen Sie nicht", sagte Rita Hayworth. "Was meinen Mann interessiert, sind Tourenzahlen, sei es bei einem Motor, bei einem Rennpferd oder bei Menschen."
Elsa Maxwell, die korpulente Journalistin und Klatschtante des mondänen Riviera-Adels amerikanischer Provenienz, der sich auf Schloß "L'Horizon" bei Cannes in Ali Khans Schwimmbassin tummelt, hat den exotischen Playboy jahrelang mit der schläfrigen Wachsamkeit eines auf Beute lauernden Krokodils beobachtet. Sie sagt: "Natürlich verwöhnen ihn die Frauen, weil sie etwas von ihm erhoffen. Aber da ist noch etwas anderes. Es gibt Leute, die kokainsüchtig sind, und es gibt Leute, die trinken. Ali geht es so mit den Frauen."
Eine Frau, der man in Paris nachsagt, daß sie den Stil einer großen Dame besitzt, die Romanschriftstellerin Louise de Vilmorin, beantwortete die Frage, was sie an Ali eigentlich bemerkenswert fände, mit der überraschenden Feststellung: "Er ist intelligent."
Mit der Intelligenz des in "Tourenzahlen" denkenden Riviera-Athleten Ali Khan meinte die Vilmorin die Brillanz der gesellschaftlichen Oberflächen-Kultur, die eine bestimmte internationale Klasse begüterter Müßiggänger kennzeichnet. In dem stilsicheren Aga-Khan-Sohn hat diese Klasse einen idealen Vertreter gefunden.
Scharfsinn und Witz rühmt ihm auch seine Gespielin aus dem Pariser Nachtklub "Carrol's" nach - das Photomodell Lise Bourdin - mit der sich Ali am Tage seiner Scheidung von Rita Hayworth kummervoll betrank.
Was den Pariserinnen an dem "prince charmant" so imponiert, kam bei Alis Hollywood-Liebschaften gar nicht erst zur Sprache. Als Rita Hayworth ihrem späteren Gatten im Sommer 1948 bei einer Maxwell-Party im Kasino von Cannes zum erstenmal begegnet war, sagte sie nachher zu der sie mit Sperberaugen beobachtenden Elsa: "Ali? Well, a nice boy" - ein netter Junge. Drei weitere Hollywood-Stars, Yvonne de Carlo, Joan Fontaine und Gene Tierney, stellten dem Ali fast wörtlich übereinstimmend das Führungszeugnis aus, er sei höflich, charmant und
sehr aufmerksam, kurz: "He is a delightful person" - eine "entzückende Person".
Soviel Albernheiten aus ali-träumenden Star-Mündern hatten schließlich dem Ruf des liebebedürftigen Schloßherrn von Cannes einigen Schaden zugefügt. Im kritischen Augenblick rettete Elsa Maxwell das Don-Juan-Renommee ihres Schützlings durch ein knalliges Interview, in dem sie Alis Wirkung auf Frauen dämonischen Einflüssen zuschrieb. "Alis bloßer Anblick bringt die Frauen in Verwirrung", verkündete die von ihren Freunden "Plumpy" genannte Klatschchronistin der amerikanischen Massen-Presse. "Außerdem: Wenn ein 44jähriger Mann zur legendären Gestalt einer weltumspannenden Liebesromanze wird, so wird er das natürlich nicht ohne Grund."
In diesem Lobgesang steckt immerhin ein Fünkchen Wahrheit. Der Ali-Khan-Mythos und die von Zeit zu Zeit durch die Weltpresse laufenden Wellen schmachtender Publizistik um den "kecken, kraft- und geldstrotzenden Tausendsassa" sind mehr als nur das Nebenprodukt der inzwischen vergilbten Aga-Khan-Story.
Alis Feste, Liebschaften, Skandalaffären, Bravourstücke und Geschwindigkeitsrekorde entsprechen seinem rastlosen, vagabundenhaften Temperament und seinen Vorstellungen von dem privilegierten Leben eines mit Reichtümern und Unwiderstehlichkeit gesegneten Salonlöwen und Potentaten.
Wenn der 44jährige Erbe des Aga Khan mit blauer Lüsterjacke und Sandalen lässig über die "Croisette", die Flanierstraße von Cannes lummelt gibt er dort genau so den Ton an, wie wenn er im eleganten
Smoking im "Ritz" soupiert, im englischen Reitdreß durch den Bois de Boulogne galoppiert oder in koketter weißer Badehose in Cannes seinen braungebrannten Körper den bewundernden Blicken der Flimmer-Nixen seines Gefolges darbietet.
Wie streng der "goldene Prinz" gewisse Gesetze der Form und der Mode respektiert, plauderte sein Chauffeur Williams aus. Auf Wunsch seiner Frau Rita Hayworth hatte Ali Khan vor einem großen Rennen zwei ihrer Hollywood-Bekanntschaften, Joan Fontaine und Bing Crosby, nach Longchamp eingeladen. Ali Khan war im steingrauen Cut erschienen und wartete in der Hotelhalle auf Crosby. Plötzlich erblickte er den Filmsänger in einem Aufzug, der ihn erstarren ließ. Crosby trug einen Strohhut, ein rosa Buschhemd, eine kanariengelbe Krawatte und weißbraune Schuhe. Wortlos wandte Ali sich zur Tür.
Vergeblich hat die schwatzhafte Elsa Maxwell mit ihren Enthüllungen von Ali-Intimitäten versucht, ihrem publizistischen Schützling den Rang einer typischen Zeiterscheinung zu geben. Der Versuch mußte scheitern, denn Ali ist nur die moderne Version einer gesellschaftlichen Modell-Figur, die ein französischer Dichter bereits vor hundert Jahren entworfen hat. In seinem Essay über den "Dandy" schrieb damals Charles Baudelaire, der sich selbst zum Clan jener Hochmütigen rechnete, die niemals "alltägliche Menschen" sein können:
"Der reiche, müßige Mensch, der keine andere Beschäftigung hat, als der Spur des Glückes nachzulaufen, der Mensch, der in Luxus großgezogen und von Jugend auf an den Gehorsam der anderen Menschen gewöhnt ist, kurzum der Mensch, dessen einziger Beruf die Eleganz ist, wird sich stets, zu allen Zeiten, einer besonderen, durchaus eigenen Physiognomie erfreuen ... Diese Leichtigkeit der Allüren, diese Sicherheit der Manieren, diese Einfachheit und Selbstverständlichkeit der Herrschermiene, diese Art, einen Anzug zu tragen und ein Pferd zu lenken, diese stets geruhigen Gesten, die doch so viel Kraft offenbaren - das alles bringt uns beim Anblick eines solchen privilegierten Wesens, in dem das Anmutige und das Furchtbare so mysteriös sich mischen, auf den Gedanken: 'Der da ist vielleicht ein reicher Mann, sicherer aber noch ist er ein Herkules ohne Beschäftigung.'"
Liebe, Reichtum und materielle Eleganz, so schreibt Baudelaire in seinem Essay, seien für den vollkommenen Dandy nur Sinnbilder der aristokratischen Überlegenheit seines Geistes. "Die Leidenschaft des Dandys besteht in dem Vergnügen, in Erstaunen zu setzen, und in der stolzen Genugtuung, selbst doch nie erstaunt zu sein. Ein Dandy kann ein blasierter, er kann ein leidender Mensch sein; aber in diesem Falle wird er lächeln, wie der Spartaner unter dem Bisse des Fuchses lächelte."
Die Ratschläge Baudelaires für das Leben eines Dandys hat Ali Khan getreulich beherzigt. Man sah ihn im Februar 1953 tapfer lächeln, als der "Fuchs" ihn biß und der Gerichtshof von Reno (Nevada) nach 17 Minuten Verhandlungsdauer die Scheidung seiner Ehe mit Rita Hayworth wegen "seelischer Grausamkeit" aussprach. Trotz seines brieflichen Einwandes, daß "in Zeiten, in denen Kommunismus und soziale Revolution herrschen, auch meine Reichtümer schwinden können", hatte ihn das Gericht verurteilt, jährlich 48 000 Dollar für den Unterhalt seiner Tochter Yasmine an Rita zu zahlen.
Mit bemerkenswerter Intensität frönt er auch dem Vergnügen, andere Leute in Erstaunen zu setzen, ohne selbst je erstaunt
zu sein. Sein natürliches Talent auf diesem Gebiet bewies Ali Khan schon 1940, als die deutschen Truppen kurz vor Paris standen. Er holte gerade seinen Vater in Deauville ab, um sich mit ihm in Sicherheit zu bringen. In dem Wagen des Aga Khan befand sich ein Juwelenschatz von unermeßlichem Wert. Plötzlich befahl Ali dem Chauffeur, nach Paris zu fahren: Er hatte Lust, dort noch ein Eis zu verspeisen. "Fahren Sie", sagte er zu dem verstörten Chauffeur, "wir werden sobald in Paris kein Eis mehr bekommen."
Auch über gröbere Scherze berichtete Alis Chauffeur Emrys Williams, der sich in den Diensten des "Herkules ohne Beschäftigung" ein Herzleiden zugezogen hat, in der englischen Wochenzeitung "Sunday Pictorial": Ali habe ihn einmal im Londoner "Ritz"-Hotel in einen Kleiderschrank gesperrt, in dem er mehrere Stunden zugebracht habe, bevor er von einem Zimmermädchen entdeckt worden sei.
Chauffeur Williams zeigte in seinem Bericht Verständnis dafür, daß der Anwärter auf die Würde des Oberhauptes der Ismailiten eines Tages auf die Idee kam, in einem Obstgarten Kirschen zu stehlen. Aber als der empörte Eigentümer des Gartens den Prinzen dabei erwischte und sein Gewehr auf ihn anlegte, zweifelte der Chauffeur doch an dem Verstand eines "der reichsten Männer der Welt, der sein Leben riskierte, um ein Viertel Kirschen zu stehlen".
Der Behauptung des Chauffeurs, daß "Seine Hoheit" in einem Schweizer Kino im Beisein seiner beiden Söhne aus erster Ehe, der Prinzen Kathin und Halim, Stinkbomben geworfen habe, widerspricht Ali jedoch entschieden. Auch Juckpulver habe Hoheit damals verwendet, will sich Chauffeur Williams noch erinnern.
Solche eines echten Dandys unwürdigen Stilbrüche gehören nach Ansicht des Märchenprinzen in die trüben Phantasie-Regionen einer verleumderischen Dienstboten-Literatur. Viel eindrucksvoller als das zweifelhafte Stinkbomben-Abenteuer sind die Berichte über Alis Geschwindigkeitsrekorde, über seinen unbändigen sportlichen Ehrgeiz.
Über diese Passion des Dandys hatte Baudelaire in seiner ahnungsvollen Darstellung gesagt: "In allem Wahnwitz steckt Größe, in allen Exzessen Kraft ... Alle komplizierten materiellen Prüfungen, von der untadeligen Toilette zu jeder Stunde des Tages und der Nacht bis zu den gefährlichsten Kraftleistungen des Sports, sind nur eine geeignete Gymnastik zur Stärkung des Willens und zur Disziplinierung der Seele."
"Am Morgen jagten wir in Cannes zum Flugplatz und flogen nach Paris", erzählt Emrys Williams in dem Bericht über seine Abenteuer mit Ali Khan. "Dort erwartete uns schon ein Auto, mit dem ich in die Pariser Wohnung fuhr, wo Ali Khan seine
Post abholte. Wir hetzten zurück zum Flughafen, um eine Maschine nach London zu erreichen, wo wir mit einem dritten Auto des Prinzen in das Hotel Ritz fuhren." Von London ging es mit dem Flugzeug weiter nach Irland, wo Ali seine Gestüte einer Blitz-Inspektion unterzog. Er ritt 50 Kilometer und flog dann zum Dinner wieder nach Paris. Spät in der Nacht bestiegen die beiden eine fünfte Maschine, die sie nach Cannes zurückbrachte.
Mit besonderem Stolz erwähnt Ali bei Bar-Gesprächen einen 10 000-Meilen-Flug, den er mit 25 Jahren, kaum daß er sein Piloten-Examen bestanden hatte, mit einer einmotorigen Puss-Moth-Maschine in Indien unternahm. Ali flog damals von Bombay nach Karatschi, von dort quer über Indien und Malaia nach Singapur. Als einziger von vier Piloten, die sich an diesem Wettflug über den Dschungel mit einmotorigen Maschinen beteiligt hatten, kehrte er ohne Zwischenfall nach Bombay zurück.
Auch als Rennfahrer versuchte sich Ali Khan. Er probierte regelmäßig die neuesten Modelle der großen Rennwagen-Firmen und jagte damit in den dreißiger Jahren über die englischen und französischen Autostraßen. In Paris baute ihm ein italienischer Mechaniker kapriziöse Spezial-Rennwagen, die nach Alis Behauptung den neuesten Konstruktionen der Autofirmen überlegen waren. In England und Italien
belegte er bei großen Auto-Rennen respektable Plätze; aber als er sich 1953 mit einem Alfa Romeo an der "Mille Miglia" beteiligen wollte, meldete der Aga Khan ein Blitzgespräch aus Bombay an. Er verbot seinem Sohn kategorisch, sein Leben weiterhin bei solchen Renn-Abenteuern aufs Spiel zu setzen.
Die große Passion des Ali Khan aber waren von jeher die Pferde. Freimütig sagte Ali einmal: "Eigentlich sind mein Vater und ich nichts anderes als Pferdehändler." Daß er es im Herrenreiten zu einer Serie imponierender Erfolge brachte, hat der pferdebesessene Aga-Sohn dem Edgar Wallace zu verdanken.
Englands geschäftstüchtiger Kriminal-Autor, der für die "Daily Mail" Berichte über Pferderennen schrieb, versicherte dem Ali schon in dessen Jünglingsjahren: "Sie könnten es auf der Rennbahn zu etwas bringen." Die Wallace-Prognose stimmte. Dreimal wurde der Herrenreiter Ali Khan Sieger im "Bar-Steeplechase" von Liverpool, dreimal gewann er das älteste Rennen Frankreichs, den "Prix de Lyon"; viermal siegte er im französischen Amateur-Derby und dreimal im Nachtrennen der Amateure in Longchamp.
1946 stieg er als Teilhaber seines Vaters ins Pferdegeschäft ein. Er kaufte die Hälfte aller Zuchtstuten, Jährlinge und Fohlen,
die der Aga Khan damals besaß: allein in Irland 250 Pferde, die einen Schätzwert von drei Millionen Pfund (etwa 35 Millionen Mark) hatten. Methodisch baute er sich eigene Zuchtfarmen auf. Für rund 240 000 Mark kaufte er in Irland das Brannocketown-Gut; in der Nähe von Dublin erstand er die Gilton-Farm mit 280 Hektar Land. Drei weitere große Gestüte richtete er sich in Frankreich ein. Er flog selbst Vollblut-Jährlinge nach Saratoga (USA) und begann einen schwungvollen Pferdehandel mit den großen Rennstallbesitzern in allen Teilen der Welt.
Als 17jähriger hatte Ali zum erstenmal auf einem Rennplatz ein Pferd seines Vaters siegen sehen. Anfang der dreißiger Jahre mietete ihm der Aga im Londoner West-End ein Haus, das als Studiendomizil gedacht war. Er bezog einen Jahreswechsel von 600 Pfund, das waren - umgerechnet - damals immerhin rund 12 000 Reichsmark.
Von seinem ersparten Geld kaufte er sich das Rennpferd "Scamp", das er später mit hohem Gewinn weiterverkaufen konnte. An Stelle der Jurisprudenz, zu der ihm sein Vater geraten hatte, wurde die Auswahl aussichtsreicher Pferde sein Hobby. Er entwickelte dabei eine Instinktsicherheit, die sich später selbst der Pferdeschläue seines Vaters überlegen zeigen sollte.
Als der dunkeläugige exotische Beau Ali Khan mit 18 Jahren in der Londoner Gesellschaft der ausgehenden zwanziger Jahre auftauchte, war er schüchtern, unsicher und romantisch, ein sentimentales Bürschchen, das gerade erst in Deauville den Rockschößen seiner italienischen Mutter entronnen war, der vom Aga Khan zur zweiten Begum erhobenen Ballerina Teresa Magliano. Ein Veteran des Londoner Theaters, der Schauspieler Joe Coyne, nahm sich seiner an.
Coyne, ein gebürtiger Amerikaner, war damals etwa sechzig Jahre alt. Er war als Schmierenkomödiant aufgetreten, bis er zu Anfang des Jahrhunderts ein Engagement an einem Londoner Operetten-Theater bekommen hatte. Der alte Schauspieler war ein witziger und weltweiser Bonvivant, aber auch ein exzentrischer Snob, der sich dem Londoner Gesellschaftsklima glänzend angepaßt hatte. Er brachte dem Ali bei, wie man in der Londoner Society Freunde gewinnt.
Damals brach gerade über die konventionelle englische Hofgesellschaft eine Sturzflut leichtherziger Lebensfreude herein. Es war das Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg, in dem die Londoner Nachtklubs mit erlebnishungrigen Aristokraten überfüllt waren, in dem Noel Coward seine geistreichen Dialoge über das flotte Treiben englischer Lebemänner schrieb und in dem dionysische Feste Bohemiens, Parvenüs und Aristokraten fröhlich vereinten.
Die sozialen Schranken zerbrachen, die bis dahin die exklusive Society vom Amüsement kosmopolitischer Künstler- und Lebewelt-Kreise ausgeschlossen hatten. Der amerikanische Lebensstil wurde gesellschaftsfähig,
das Privatleben wucherte in die Öffentlichkeit, und das Glamour-Girl nistete sich im Gefühlsleben soignierter Herren ein. Aus dem Herrenmodemacher der angelsächsischen Welt, dem Prinzen von Wales, wurde der Liebhaber des Jahrhunderts, und im königlichen Schloß Belvedere bewegte sich ungeniert eine zweimal geschiedene Amerikanerin mit Namen Wallis Warfield Simpson, des Prinzen spätere Frau.
Der schüchterne Khan-Sprößling entdeckte seine zweite Natur. Er tauchte mit Blumenangebinden in den Londoner Theatergarderoben auf, verwandelte eisige Engländerinnen mit glutvollen Blicken in Bacchantinnen und ritt als stolzer Herrenreiter sein erstes Rennpferd. Sein Haus in der Aldfort-Street wurde zum Mittelpunkt erlesener Feste und nächtlicher Belustigungen. Autoscheinwerfer beleuchteten die gastronomischen Köstlichkeiten auf den Anrichten im Speisezimmer; das Fenstersims war zur Erbauung der Passanten mit elektrisch erleuchteten Glasfrüchten geschmückt.
Die Creme der Snobs und plutokratischen Nichtstuer zog es in jener Zeit zum Süden, an die französische Riviera-Küste. Die Sonne des "Midi" - der Landschaft am Mittelmeer - war eine bisher unbekannte Attraktion für die Kaste der Müßiggänger,
die dankbar für jede Anregung waren, wie sie ihre Langeweile vertreiben könnten.
"Nur tolle Hunde und Engländer gehen in der Mittagssonne spazieren", hieß eine Devise, die Noel Coward in London ausgegeben hatte. Die "tollen Hunde", die die Riviera überschwemmten, waren Millionen-Erben, Filmstars, Exilfürsten und Gigolos. Pompöse Hotelpaläste entstanden, Traumschlösser wuchsen aus dem Erdboden. Niemand paßte besser in dieses neue Paradies, in dem Luxus, Wohlsein und Lebensgenuß herrschten, als Ali Khan.
Er kaufte von der Schauspielerin Maxine Eliott für eine Million Schweizer Franken das Chê}teau de l'Horizon und begann seine sublime prinzliche Dandy-Rolle mit einer Inbrunst zu spielen, vor der die kleineren Sterne der bunten Riviera-Show verblaßten. Das Windsor-Paar, Orson Welles, König Faruk und selbst der dominikanische Luxus-Diplomat rubirosa wurden in den Schatten des zu immer größeren Dimensionen anwachsenden Ali-Khan-Mythos gedrängt.
Der Typ des Dandys wurde auf Schloß "l'Horizon" um eine neue Spielart bereichert, obgleich das keineswegs leicht war. Frühere Jahrzehnte hatten schon die verschiedensten Formen des Dandytums hervorgebracht. Der Typ datiert nicht erst aus der Zeit, in der Oscar Wilde seinen "Dorian Gray" schrieb und in London mit einer Sonnenblume in der Hand, das Haar neronisch geschnitten, spazieren ging.
Romantische und dekadente Literaturepochen hatten den Dandy stets zu einem ästhetischen Ideal erhoben, zu einer Wunschvorstellung aristokratischer und snobistischer Lebenskunst, blasierten Heroentums und raffinierten Müßiggangs. Bei dem Schriftsteller Stendhal strebte der Dandy nach gesellschaftlichem Einfluß, bei dem Romantiker Barbey d'Aurevilly war er der Leidende, der sich hinter der Maske des Stoikers verbirgt, bei Flaubert und Gide der reine Schöngeist.
In England, wo das Dandytum schon immer eine Stilform des Gesellschaftslebens war, gab es bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen jungen Mann, von dem der Dandy und Dichter-Lord Byron später sagte, daß sein gesellschaftlicher
Ruhm die Macht der Napoleon-Legende übertroffen habe. Es war der Fähnrich Brummell, ein Freund des Prinzen von Wales, der damals der Regimentskommandeur des Fähnrichs war. Der Prinz, später König Georg IV., galt als einer der elegantesten Männer Europas und betrachtete Brummell als seinen gelehrigen Schüler.
Aus dem Schüler wurde ein Meister, der seinen König überflügelte. Brummell wurde der Herrscher in der Welt des Reichtums, der Eleganz, der Krawatten; er beherrschte mit einem Kopfnicken den Adel Europas und wurde in allen Salons vergöttert. Die Zeitungen druckten seinen Namen hinter denen der Herzöge, und ein Fest, bei dem Brummell nicht Beifall spendete, war ein sicheres Fiasko. Das melancholische Lächeln des ironisch schwärmenden Liebhabers entzückte die Frauen: Sie sanken ihm zu Füßen, bevor er noch die Hand nach ihnen ausstreckte.
Brummell gehörte zur Rasse jener "Raffinés, Beaux oder Löwen", von denen Baudelaire in seinem Essay sagte, sie betrachteten das Dandytum als eine Art Religion. Als den furchtbaren Lehrmeister dieser Religion sah Baudelaire einen Sektenführer an, der zur Zeit der Kreuzzüge im Orient lebte und den er den "Alten vom Berge" nannte. Dieser Ur-Dandy schloß seine Schüler in einen "Garten voller Lustbarkeiten" ein, berauschte sie mit Haschisch, mordete mit ihnen oder befahl ihnen den Selbstmord. Der "Alte vom Berge" war niemand anders als der Ahnherr Aga Khans I. und damit ein direkter Vorfahr des Ali.
Die Ismailiten sind eine mohammedanische Sekte, die ihren Namen von einem gewissen Ismael herleitet, der im achten Jahrhundert lebte und dem für mohammedanische Begriffe unerhörten Laster der Trunksucht ergeben war. Ismaels Vater, ein Nachkomme der Mohammed-Tochter Fatima, schloß ihn zur Strafe dafür von der geistlichen Erbfolge aus, sprach ihm also das Recht ab, Imam (Oberpriester) der Schiiten zu werden.
Nach dem Tode Mohammeds hatten sich die Mohammedaner in zwei Gruppen gespalten: Die Schiiten hatten Ali, einen
Vetter Mohammeds und Ehemann der Mohammed-Tochter Fatima, zum Nachfolger der Propheten proklamiert, die Sunniten waren für den Schwiegervater Mohammeds, Abu Bekr, eingetreten.
Die Ismailiten zählten zu den Schiiten, die sich nach der Enterbung Ismaels abermals in zwei Gruppen spalteten, denn nur ein Teil der Ismailiten erkannte die Enterbung an: ihre Lehre ist die heutige Staatsreligion Persiens.
Die restlichen Ismailiten zerfielen in politisch-religiöse Gruppen, sie behielten aber ein gemeinsames geistliches Oberhaupt, einen Imam aus der Nachkommenschaft des Trunkenbolds Ismael; sie gestanden diesem Oberhaupt sogar göttliche Ehren zu.
Zu den Splittergruppen gehörte auch jene Sekte der "Assassinen" oder "Haschischverzehrer", die der "Alte vom Berge" kommandierte. Ein Nachkömmling des "Alten vom Berge", der 46. Imam Mohammed Hassan Ali, lebte im 19. Jahrhundert in Persien. Der Schah verlieh ihm den Titel eines "Aga Khan" (Oberster Herr) und ernannte ihn zum Gouverneur einer Provinz.
Dieser Mohammed war ein Ungeheuer an Vitalität. Er konnte sich rühmen, ein Gardekavallerie-Regiment zu besitzen, dessen 800 Reiter sämtlich seine leiblichen Söhne waren. Seine Reitertruppen waren wilde Burschen, die den Mordbrennern und Haschisch-Essern des "Alten vom Berge" keine Schande machten. Sie kontrollierten ganz Persien bis tief nach Afghanistan hinein und schafften dem Schah dessen Rivalen vom Hals.
Als der erste Aga Khan trotz aller Meriten beim Schah in Ungnade gefallen war, zog er mit seinen Gardisten-Söhnen und sonstigem Anhang nach Indien. Er ließ sich in Bombay nieder, nahm die Tribute der reichen indischen Ismailiten entgegen und bot den Engländern seine guten Dienste an. Die politische Verbindung mit den Briten wurde verpflichtende Überlieferung bei den Khans. Auch der dritte Aga und sein Sohn Ali übten und üben diese goldene Regel mit Treue und Gewinn.
Als Ali Khan jüngst nach langen Gesprächen unter vier Augen in Assuan aus dem Krankenzimmer seines Vaters trat, tat er sehr erstaunt, daß man seine Eignung zum zukünftigen Gott überhaupt in Zweifel ziehen konnte. "Zwischen meinem Vater und mir", sagte Ali, "gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Wie mein Vater bin ich ein aufrichtiger Muselmane. Ich bin aber nicht nur dazu bestimmt, das Haupt eines Priesterordens zu werden. Viel wichtiger ist der weltliche Teil meines Amtes."
In diesen Sätzen lag keine Ketzerei und kein Widerspruch. Der westliche Dandy Ali, der sich mit dekadenten Snobs, sensationshungrigen Vamps und verkaterten Exil-Potentaten in der Riviera-Sonne aalt, mag in einem Winkel seines Herzens ein Stück islamischer Religiosität bewahrt haben, zumal die Gesetze seines Sektenglaubens ihm beim Genuß des Lebens nur wenig Beschränkung auferlegen.
Nach dem Gespräch mit dem Vater in Assuan beglückwünschte die in Bombay erscheinende Zeitung "The Ismaili" den Ali zu seinem Geburtstag mit einem langen Huldigungsartikel. "Unser geliebter Prinz", schrieb das Blatt, "hat sein 44. Lebensjahr vollendet. Wir schließen uns den Ismaili-Gemeinden der ganzen Welt an, wenn wir Seiner Durchlaucht Prinz Ali Khan bei diesem Anlaß unsere Glückwünsche entbieten, Seine Durchlaucht hat die hervorragenden Eigenschaften seines erlauchten Vaters geerbt."
Solche Huldigungen haben die beiden Khans bitter nötig. Schon im Jahre 1927 hatte sich in Indien die oppositionelle Ismailiten-Gruppe der "Koja-Reformer" gebildet. Sie veröffentlichte ein Manifest, das den Aga Khan aufforderte, seine Götzen-Allüren aufzugeben. Göttliche Ehren stünden allein dem "wahren, allmächtigen Allah" zu. "Du sollst auch alle Opfergaben in Geld oder Ware ablehnen und abschaffen", rieten die knauserigen Reformer.
Eine Flugblatt-Kampagne setzte ein, die im Familienrat des Aga Khan als ernstes Alarmzeichen gedeutet wurde. Sie zeigte sich besonders wirksam in Ostafrika, wo in Kenia, Tanganjika und Uganda starke Ismailiten-Gemeinden bestehen. Anonyme Stimmen forderten ihn auf, sein Priester-Amt niederzulegen.
Besonders den Ali nahmen die Götzen-Stürmer aufs Korn. Sie warfen ihm sein frivoles Leben vor, seine Skandalaffären und Champagner-Exzesse. Ali ist noch kein Gott, er ist fehlbar und der Versuchung ausgesetzt wie sein durstiger Ahne Ismael. Dessen Mißgeschick wurde plötzlich wieder aktuell, und dem Aga Khan war das Menetekel ein Anlaß, seinem nichtsnutzigen Sohn ins Gewissen zu reden.
1954 lief die "Rettet-den-Khan"-Aktion auf vollen Touren. In ein baumwollenes Bußgewand gehüllt, pilgerte die Begum als erste europäische Frau nach Mekka. Ihre Juwelen hatte sie in Cannes gelassen, und das einzige Zeichen westlicher Zivilisation, das man an ihr bemerkte, war eine Sonnenbrille, hinter der sie die Skepsis ihrer gallischen Lebensweisheit verbarg. Als der Aga Khan im selben Jahr nach Karatschi flog, wo alljährlich sein fülliger Leib mit Spenden seiner Gläubigen in Gold aufgewogen wird, war Ali dabei.
Sein Vater schickte ihn auf eine Missionsreise zu den verstreuten Ismailiten-Gemeinden. Er trug einen eleganten Tropenanzug und eine unternehmungslustig schräg sitzende schwarze Karakulmütze. In stockendem Arabisch las er aus dem Koran vor und kassierte dann wie abwesend die Tribute, die reiche Kaufleute für seinen Vater mitgebracht hatten.
Als drei Jahre zuvor - im Jahr 1951 - Rita Hayworth und Ali Khan bei einer Afrika-Reise in Nairobi ankamen, begriff der Hollywood-Star bei einem ähnlichen Tribut-Zeremoniell zum erstenmal, daß ihr Ali kein Europäer, sondern ein mohammedanischer Sektenführer ist.
Der Schock war erbarmungslos und brutal. Eine jubelnde Menschenmenge umringte das Flugzeug, und Rita setzte ihr erprobtes Star-Lächeln auf. Ein riesiger Sonnenschirm wurde herangetragen; aber nicht Ritas, sondern Alis Kopf verschwand darunter. Die Traumfee der ganzen westlichen Hemisphäre wurde überhaupt nicht beachtet.
Ali Khan überließ seine Frau einem Kränzchen schwatzender Ismailiten-Frauen, die mit ihren brüllenden Säuglingen erschienen waren und ihr den kräftigsten zur Prämiierung in die Arme drückten. Rita lächelte tapfer. Aber noch ein anderer Schock stand ihr bevor. Als sie am Palmenstrand von Mombassa ihr Kleid über den Kopf ziehen wollte, um in die kühlenden Fluten des Indischen Ozeans zu tauchen, riß ihr entsetztes Gefolge sie zurück. Es wäre ein schlimmer Verstoß gegen die islamische Etikette gewesen.
Die Hayworth war im Grunde eine nette, kleinbürgerliche Seele, deren Nerven schon von ihrem früheren Gatten, dem genialischen Grobian Orson Welles, strapaziert worden waren. Die emsige Kuppelfee Elsa Maxwell hatte Rita Hayworth mit Ali Khan zusammengeführt, als Rita noch Mrs. Welles hieß. Ali ließ sich den Triumph
nicht entgehen, dem im Pariser "Tour d'Argent"-Restaurant speisenden Welles mit dessen Frau am Arm lächelnd gegenüberzutreten. Dann fuhr er mit ihr nach Mürren im Berner Oberland und stieg in demselben Hotel ab, in dem seine eigene Frau Joan - eine gebürtige Engländerin - ihre Ferien verbrachte.
Die Zeitungen der angelsächsischen Welt verspritzten damals ihre lange aufgestaute Entrüstung in einem Pressefeldzug gegen das skandalöse Pärchen. "Sunday Pictorial" riet der ersten Frau Ali Khans, ihre damenhafte Reserviertheit aufzugeben und dem Prinzen die "nächstbeste Champagnerflasche über den Kopf zu schlagen".
Die erste Ehe Ali Khans hatte immerhin 13 Jahre gedauert. Seine Frau Joan war in erster Ehe die Gattin des englischen Bierkönigs Loel Guinness gewesen. Sie war blaß, schlank und kühl. Ali hatte sie auf einer Party in Deauville dreist gefragt: "Liebling, wollen Sie meine Frau werden?"
Auf diese Frage wartet die bis vor kurzem als aussichtsreichste Ali-Braut geltende Filmschönheit Gene Tierney, ein hochbeiniges Karriere-Girl aus Brooklyn, bisher vergeblich. Die Liebe des Dandys, die nach Baudelaire keinen "Spezialzweck" hat, scheint seit jener Nacht, die dem "Grand Prix de Paris" folgte, der sommersprossigen Tingeltangel-Sängerin Tilda Lee zu gehören. Doch Gene Tierney ist nicht ohne Hoffnung, daß der goldene Prinz ihre Schmachtaugen (die sie übrigens in ihrem Testament einer New Yorker Augenbank vermacht hat) nicht vergessen kann.
Plumpys Schmacht-Legende Der Chauffeur im Kleiderschrank Engländer und tolle Hunde In den Gärten der Lust "Rettet den Khan!"