SCHWEDEN Schreckliche Vision
Die Schweden sollen keine eigenen Autos mehr besitzen und sich nicht mehr beliebig viele Beefsteaks und Quadratmeter Wohnraum leisten dürfen -- nach den Vorstellungen zweier Stockholmer Zukunftsforscher, die bereits mit gutem Beispiel voranfahren: täglich per Rad ins Büro.
Das nordische Volk mit dem größten Bruttonationalprodukt aller Völker ist nach den Scheichtümern Kuweit, Abu Dhabi und Katar die reichste Nation der Welt. Daß sie durch entsprechend starken Konsum einen überdurchschnittlichen Teil der in der Welt verfügbaren Güter beansprucht, mißfällt den Futurologen: dem Ministerialrat Göran Bäckstrand und dem Professor Lars Ingelstam vom "Sekretariat für Zukunftsstudien". Es ist der schwedischen Regierung unterstellt, die sich schon lange für Freiheit und Entwicklung der Dritten Welt engagiert:
Als bislang einziger Staat erfüllt Schweden voll das von der Uno fixierte Entwicklungshilfe-Soll und stützt die Forderung der Dritten Welt nach einer neuen, für sie gerechteren Weltwirtschaftsordnung. Ihre Enthaltsamkeitsthese haben die Zukunftsverbesserer nicht auf Geheiß der Regierung, sondern "ganz privat" verfaßt: auf Anregung des schwedischen "Dag-Hammarskjöld-Fonds" für Forschung, Aufklärung und Ausbildung in Sachen Entwicklungshilfe.
Ihre Arbeit ist Teil eines Reports. den der Fonds der Uno-Generalversammlung vorlegen will, die im September über eine Neuverteilung der Rohstoffvorräte nachdenken soll. Der Report erläutert auch, welche Veränderung mehr Solidarität mit der Dritten Welt in Schweden erforderlich macht.
Dazu gehört nach Bäckstrands und Ingelstams Ansicht. "daß wir Schweden etwas gegen unsere eigene verschwenderische Lebensweise und für unsere internationale Glaubwürdigkeit tun". Das heißt beispielsweise: Der Besitz von Pkw soll kommunalbehördlichen Verleih-Unternehmen vorbehalten sein. Von ihnen können Selbstfahrer von Fall zu Fall und zum Selbstkostenpreis einen Leihwagen mieten.
An Schwedens Wohnraum wollen die Reformer durch bedarfsgerechte Umverteilung 20 Prozent einsparen. Jeder der acht Millionen Schweden verfügt heute über fast 27 Quadratmeter Wohnfläche -- im Durchschnitt: die unteren Schichten weniger, die oberen mehr. Um hier Verhältnismäßigkeit zwecks Einsparung zu erzielen, werden Gesetze und Steuern gegen Wohnraum-Unterbelegung empfohlen.
Dadurch lasse sich der Heizölbedarf senken. Um so leichter könne Schwedens Erdölkonsum auf dem Stand VOn 1970 -- 3,5 Tonnen pro Kopf -- stabilisiert werden.
Schließlich möchten die beiden Sparer, die keineswegs Vegetarier sind, ihrem Volk noch die Fleischkost um ein rundes Fünftel schmälern: von 58,4 Kilogramm (einschließlich 4.2 Kilo Geflügel) auf 48.1 Kilogramm pro Kopf und Jahr -- durch Fleischmarken.
Sie rechnen ihren Landsleuten vor, daß beispielsweise für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch (außer 7.3 Kilo Heu) 2.5 Kilo Getreide verfüttert werden, die als Menschenfutter mehr Menschen satt machten als auf dem Umweg über das Rind.
Wenn die schwedische Presse der Spiegel der schwedischen Seele ist, haben Bäckstrand und Ingelstam ihrem Volk die Urlaubsfreude gründlich verdorben. Die meisten Zeitungen nannten sie wirklichkeitsfremd, ihr Zukunfts-Schweden eine "schreckliche Vision".
Zu den wenigen Ausnahmen zählte Schwedens angesehenste Zeitung, "Dagens Nyheter": Ein geringerer Wohlstand könne durch "äußeren Zwang" auferlegt oder durch "inneren Zwang" gewünscht werden. Mithin sei die Überlegung zweckmäßig, "wie sich ein ärmeres Schweden ohne Verluste wesentlicher Werte gestalten läßt".
Das Stockholmer Blatt berichtete über eine weitere Spar-Idee Bäckstrands und Ingelstams, die nicht in deren Katalog steht: Alle Freizeithäuser -- die von den Eignern relativ selten bewohnt würden -- werden Gemeineigentum mit größerem Nutzungseffekt. Eine Familie löst dann die andere ab.