CAESAR Ohne Lorbeer
Seit zweitausend Jahren zählt der römische Feldherr und Imperator Gaius Julius Caesar zu den umstrittensten Figuren der Weltgeschichte. Den einen gilt er als ein vom Machtrausch überwältigter Mann, dessen persönlicher Geltungsdrang sich zu einer echten Gefahr für Rom entwickelt hatte. Andere Historiker dagegen glauben in Caesar - er lebte in den Jahren 100 bis 44 vor Christi Geburt - einen genialen Realpolitiker sehen zu dürfen, dem vor allem die Größe Roms am Herzen lag. Kürzlich nun hat eine historische Hilfswissenschaft, die Numismatik (Münzkunde), eine Entdeckung zutage gefördert, die den Verteidigern Caesars Recht zu geben scheint.
Dem Münchner Münzforscher und Privatdozenten für Alte Geschichte, Dr. Konrad Kraft, war aufgefallen, daß Caesar auf den zu seinen Lebzeiten geprägten Münzen weder einen Lorbeerkranz trug - den später die römischen Kaiser anlegten - noch ein Diadem, das die griechischen Herrscher als Zeichen ihrer Würde trugen.
Auf allen Münzen, die Kraft fand und untersuchte, trägt Caesar vielmehr einen Kranz, dessen Form dem Königsschmuck der Etrusker, einem von den Römern unterworfenen Volksstamm, nachgebildet ist. Kraft zieht daraus den Schluß, daß Caesar sich durch seine Erfolge keinesfalls in einen Machtrausch habe steigern lassen, der den Bestand des römischen Weltreichs gefährdete. Das aber war das Argument, mit dem Caesars republikanische Feinde den Mord an ihm begründeten.
Nun wird von der historischen Forschung nicht bestritten, daß Julius Caesar so etwas wie eine gesicherte Alleinherrschaft über die römische Republik angestrebt und zum Teil auch erreicht hatte. Nach seinen militärischen Erfolgen in Gallien, am Rhein, in Britannien, Griechenland, Spanien, Nordafrika und Ägypten war er vom Senat zum Diktator und Imperator auf Lebenszeit ernannt worden. Caesar-Statuen wurden aufgestellt, zugleich war er der erste Römer, dessen Porträt zu Lebzeiten auf Münzen abgebildet wurde.
In einem auf sein Geheiß gebauten Tempel - der Venus Genetrix geweiht - wurde die göttliche Abkunft der Adelsfamilie verherrlicht, aus der Caesar stammte: der Julier. Ein während seiner Amtszeit eingeführter - im wesentlichen noch heute gültiger - Jahreskalender bekam den Namen seines Geschlechts und hieß fortan "Julianischer Kalender"*; der Monat, der bis dahin "Quinctilis" geheißen hatte, wurde zum "Julius" - zum Juli.
Da Caesars Ehe mit Calpurnia - seine vierte - kinderlos geblieben war, die ägyptische Königin Cleopatra ihm aber bereits ein Kind geboren hatte, plante Caesar, sich durch Gesetz das Recht zu sichern, "Frauen zu heiraten, welche und so viele" er wollte. Bedrückt mußte zudem Calpurnia die ungleich jüngere und kapriziöse Cleopatra in das Haus der Eheleute aufnehmen.
Bei der Auslegung aller dieser Fakten hatte sich nun die deutsche Geschichtsforschung in zwei Lager gespalten. Die eine Partei, deren prominentester Vertreter der Historiker Eduard Meyer (1855-1930) war, glaubte, aus Angaben, die von den Schriftstellern Cicero und Sucton überliefert sind, herauslesen zu müssen, daß dem Caesar seine Erfolge zu Kopf gestiegen waren und daß sein persönlicher Geltungsdrang das römische Imperium ernstlich gefährdete.
Die andere Partei aber, am prominentesten vertreten durch Theodor Mommsen (1817-1903), glaubte an solchen Caesarenwahn nicht. Sie hielt dafür, Caesar habe in richtiger Einschätzung der politischen Verhältnisse erkannt, daß die Weltmacht Rom einer Zentralgewalt bedurfte - wie denn auch erst Caesars Großneffe, der spätere Kaiser Augustus, Roms Größe festigen konnte. Der Historiker Hans Delbrück behauptete sogar, die Menschheit habe es mit
ungeheurem Blut bezahlen müssen, daß Caesar ermordet wurde. Theodor Mommsen war zu dem Schluß gekommen, Caesar habe nichts anderes angestrebt als eine "politische, militärische, geistige und sittliche Wiedergeburt Roms".
Für die Beurteilung der staatsmännischen Gaben Caesars ist es nun wichtig zu erfahren, auf welche Weise sich der Diktator die Alleinherrschaft zu sichern wünschte. Als im höchsten Maße unklug müßte gelten, wenn Ceasar ungeniert nach dem Titel "Rex" (König) gestrebt hätte, ein Titel, der für die republikanisch fühlenden Römer durch dessen letzten Träger Tarquinius Superbus hoffnungslos kompromittiert war. Für die Forschung war es bedeutsam, ob Caesar wirklich nach diesem Titel gestrebt hatte, oder ob nicht nur seine Opponenten den Eindruck hatten begünstigen wollen, daß er es täte. Sie hätten dann ein willkommenes Argument gehabt, sich Caesars zu entledigen.
Aufschluß über diese Frage konnte aber nur geben, was sich kurz vor der Ermordung Caesars im März 44 vor Christi Geburt zugetragen hatte. In diesem Jahre plante der damals 55jährige Caesar einen Feldzug gegen die Parther, einen kriegerischen Volksstamm, der sich etwa im Gebiet des heutigen Iran aufhielt.
Über die Monate, die Caesars Aufbruch zu den Parthern vorangingen, sind ziemlich präzise Berichte überliefert. So ist sicher, daß Caesar am 26. Januar 44 vor Christi Geburt bei der Rückkehr von einem Fest aus der Menge mit dem Ruf "Rex" begrüßt wurde. Caesar zügelte sofort sein Pferd und antwortete: "Mein Name ist nicht Rex, sondern Caesar." Zwei im Gefolge anwesende Volkstribunen ließen die begeisterten Schreihälse festnehmen und vor Gericht stellen.
Zur gleichen Zeit hatten Unbekannte ein Standbild Caesars mit einem diademartigen Stirnband geschmückt. Auch dieser zweifelhafte Kopfschmuck wurde sogleich wieder entfernt. Bis heute ist ungeklärt, ob diese Zwischenfälle von Opponenten arrangiert waren, die das republikanisch gesinnte Rom gegen Caesar aufbringen wollten. Nach der Lesart anderer Historiker wiederum waren die Vorfälle von Caesar geplant, der auf diese Weise habe prüfen wollen, wie die Römer auf seine Absicht, König zu werden, reagieren würden.
Beim Lupercalienfest* des Jahres 44 vor Christi Geburt, einem aufwendigen Massenschauspiel, saß Caesar auf einem ihm vom Senat verliehenen vergoldeten Rundstuhl. Dem Thron näherte sich ein pompöser Zug, dessen in ein Tierfell gehüllter Anführer in den Händen ein Diadem trug. Caesars zwielichtiger Parteigänger Marcus Antonius lief eilends herbei und bot Caesar das Diadem an, das verhaßte Zeichen der Tyrannei. Das umstehende Volk schwieg düster, vereinzeltes Murren war zu hören. Caesar ließ sich nicht auf die fragwürdige Annahme des Diadems ein. Er hielt eine wohlgesetzte Rede und befahl, den ominösen Schmuck in den Tempel des römischen Hauptgottes Jupiter zu bringen, weil dem allein die Ehre des Diadems gebühre. Die diplomatische Lösung des heiklen Augenblicks wurde von den Massen mit Zustimmung quittiert.
Die Anhänger der Caesarenwahn-Theorie behaupten nun, Caesar würde das Diadem nur zu gern angenommen haben. Wahrscheinlich habe er die ganze Szene von langer Hand vorbereitet, doch hätte ihn der Mangel an Beifall im letzten Moment abgeschreckt.
Am 15. März endlich sollte im Senat eine bedeutsame Sitzung vonstatten gehen. Damals war es bereits üblich geworden, mit Orakelsprüchen Politik zu machen. Diesmal ging das Gerücht um, die Senatspartei, die den Caesar stützte, würde am 15. März eine Prophezeiung bekanntgeben, der zufolge die Parther, gegen die Caesar ziehen wollte, nur durch einen König zu besiegen seien. Deshalb müsse man dem Caesar Königstitel und Diadem wenn schon nicht für das gesamte Imperium, so zumindest für dessen Provinzen zuerkennen.
Am 15. März fiel der Imperator einer Verschwörung von mehr als sechzig Senatoren zum Opfer. Er starb, von 23 Messerstichen durchbohrt.
Der Historiker Dr. Konrad Kraft gibt nun zu bedenken: "Hätte Caesar nur für den Osten Diadem und Königstitel gewollt, so brauchte er nicht den Senat zu bemühen." Die unterworfenen Herrscher des Ostens, meinte Kraft, hätten ihm diese Insignien jederzeit auf den Knien angeboten, wenn er sie darumgebeten hätte. Es werde zudem berichtet, erläutert Kraft, daß Caesar an jenem Morgen gar nicht habe in den Senat gehen wollen, nachdem ihm seine Frau Calpurnia von bösen Träumen erzählt hatte. Erst einer der verschwörerischen Senatoren - so vermeidet der Geschichtsschreiber Plutarch -, ein gewisser Decimus Brutus*, soll ihn überredet haben: "Was werden deine Neider dazu sagen." Brutus empfahl dem Caesar dringend, zur Senatssitzung zu gehen.
Caesar, so folgert Kraft, hätte wirklich blind gegen die römischen Realitäten sein müssen, wenn er zunächst an den Lupercalien, also im Februar, das Symbol der Königswürde - das Diadem - für sich gewollt und, nach dem Scheitern des Planes, es nun über den ihm feindlich gesinnten Senat zu erreichen gesucht hätte.
"Rexname und Diadem", schreibt Kraft**, "waren in Roms allgemeiner Meinung Kennzeichen des entarteten Monarchen und heilige Aufforderung zum Tyrannenmord." Daß Caesar klug genug war, seine Pläne nicht durch solcherart mißliebige Symbole zu gefährden, wies Dr. Kraft nun an den Münzen nach, die zu Caesars Zeiten geprägt worden waren und die sein Profil zeigen. Münzen waren zu, jener Zeit nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern hatten bei den zum größten Teil analphabetischen Bewohnern des römischen Imperiums eine Art Propagandawert, ähnlich den heutigen Wahlplakaten.
Auf keiner der Münzen nun, deren Entwurf von Caesar gebilligt worden war, tragt der Imperator das verhaßte Diadem oder den Lorbeerkranz der späteren Kaiser. Aus Vergleichen mit etruskischen Münzen und Vasen kann Dr. Kraft glaubhaft nachweisen, daß der Kopfschmuck auf Caesar-Münzen die etruskische Krone ist, ein von keiner Vergangenheit kompromittiertes Ornament, das die Könige in mythischer Vorzeit getragen haben sollen.
Der Lorbeerkranz auf Augustus-Münzen wird zum Beispiel von zwei Zweigen gebildet, aus deren Stielen die Blätter herauswachsen. Die beiden Zweige werden von einem geknoteten Band zusammengehalten, dessen freie Enden in den Nacken fallen. Auch das griechische Herrscherdiadem besteht aus einem Bande, das eng an der Stirn anliegt und im Nacken geknotet wird, so daß wiederum die freien Enden hinten am Hals herabhängen.
Der Kranz, den Caesars Münzporträt trägt, besteht dagegen - was den Forschern bisher entgangen war - aus vielen kleinen, dicht übereinandergestaffelten Blättern und unterscheidet sich deutlich von den Diademen oder Lorbeerkränzen auf anderen Münzen. Der Kranz Caesars ragt kräftig über die Stirn hinaus und liegt im Nacken fest an. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen: Auf allen Münzen mit dem Bildnis Caesars fehlen die herabhängenden Bänder.
Daß Caesar statt der kompromittierenden Ornamente die etruskische Krone wählte, ein Symbol für die mythischen Ursprünge römischer Größe, wertet Kraft nicht nur als Zeichen von Caesars politischer Geschicklichkeit, er sieht darin auch einen der Gründe für die Niederlage seiner Feinde, die zwei Jahre nach Caesars Ermordung der Rache des Caesar-Freundes Marcus Antonius anheimfielen.
Schreibt Kraft: "Gerade daß Caesar nicht Rex hieß und nicht das verpönte Diadem trug, brachte letzten Endes die Mörder um den zustimmenden Widerhall in der Menge und isolierte sie ... Gerade durch den klugen - oder müssen wir sagen: durch den schlauen - Verzicht auf Diadem und (den Titel) Rex hat der Tote noch über die Mörder triumphiert."
* Durch den "Julianischen Kalender" bekam das Jahr 365 Tage, jedes vierte Jahr wurde ein Schaltjahr von 366 Tagen. Bis dahin hatte das Jahr nur 355 Tage, dafür gab es häufig Schaltmonate
* Die Lupercalien sind ein Sühne- und Reinigungsfest, das dem Gott Faun geweiht war und jeweils am 15. Februar begangen wurde. Der Name des Monats Februar kommt vom lateinischen februare = reinigen.
* Nicht identisch mit dem Caesar-Freund Marcus Brutus, der an Caesars Ermordung teilnahm.
** "Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte", 3. und 4. Jahrgang; Verlag Michael Laßleben, Kallmünz, Oberpfalz.
Caesars Ermordung (Gemälde von Karl Piloty): "Der Königstitel ...
... war Aufforderung zum Tyrannenmord": Münzporträt Caesar (l.), Kaiser Augustus