„Eine empörende Aktion“
SPIEGEL: Bundesinnenminister Otto Schily findet das Vorgehen der Staatsmacht gegen das Magazin "Cicero" richtig. Seit wann hat die SPD ein gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit?
Griefahn: Vom Verhalten Einzelner sollte man nicht auf die Ansichten einer ganzen Partei schließen. Ich selbst denke, dass die Aktion gegen "Cicero" empörend ist, und das sehen viele Sozialdemokraten so. Es muss klar sein: Wir brauchen die Pressefreiheit, und wir brauchen den investigativen Journalismus.
SPIEGEL: Der Innenminister spricht von Gesetzesbruch und bezichtigt die "Cicero"-Journalisten indirekt der Beihilfe zum Geheimnisverrat, weil sie aus vertraulichen Unterlagen des BKA zitiert haben.
Griefahn: Das ist eine unverhältnismäßige Übertreibung. Jeder Journalist, der investigativ tätig ist, hat Quellen, die er niemals preisgeben wird. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Informanten überhaupt bereit sind, Dinge aufzudecken. Der Informantenschutz ist für unsere Demokratie von immenser Bedeutung. Die Geschichte lehrt: So sind schon viele Skandale ans Licht gekommen.
SPIEGEL: Die Durchsuchung bei "Cicero" ist kein Einzelfall. Journalistenverbände registrieren schon seit längerem eine Zunahme von Razzien in Redaktionen.
Griefahn: Diese Entwicklung beunruhigt mich auch. Alle Demokraten müssen immer wieder gemeinsam die Pressefreiheit hochhalten und verteidigen. Es geht auch darum, dass Deutschland hier ein positives Beispiel für andere Länder abgibt.
SPIEGEL: Was muss geschehen, damit sich ein Vorgang wie bei "Cicero" nicht wiederholt?
Griefahn: Die SPD-Fraktion wird nochmals ein klärendes Gespräch mit Minister Schily führen. Ich als für Medienpolitik Zuständige werde mich weiterhin für die Pressefreiheit einsetzen. Das bedeutet auch, dass die beschlagnahmten Unterlagen und Datenmaterialien umgehend zurückgegeben werden sollten. Zudem würde ich mir wünschen, dass sich Otto Schily bei den Journalisten entschuldigt.
SPIEGEL: Schily betätigt sich nebenbei auch noch als oberster Medienkritiker der Republik. Er wirft der Presse vor, sie habe versucht, die rot-grüne Regierung wegzuschreiben.
Griefahn: Solche generelle Journalistenschelte ist wenig hilfreich. Ich habe mich auch über manche Berichterstattung gewundert. Aber man muss immer differenzieren. Unabhängig vom letzten Wahlkampf bin ich der Ansicht, dass wir eine Debatte über die Medienvielfalt in unserem Land brauchen. Wenn zum Beispiel der Springer-Verlag die ehemaligen Kirch-TV-Sender übernimmt, dann sehe ich darin eine bedenkliche Form der Medienkonzentration und Meinungsmacht. Auch solche Fusionen können eine Einschränkung der Pressefreiheit bedeuten.
INTERVIEW: ROLAND NELLES