WAHLKAMPF PROPAGANDA-SORGE
Sozialdemokratische Späher haben bei der Sondierung des Hauptkampffeldes der kommenden Bundestagswahl eine überraschende Entdekkung gemacht. In der christdemokratischen Bereitstellung kundschafteten sie eine sorgfältig getarnte Kolonne aus, von deren Existenz die SPD-Wahlmanager noch keine Ahnung hatten: eine "Deutsche Demokratische Aktion", die
von dem Konteradmiral außer Dienst Siegfried Sorge befehligt wird und bereits im April 1958 in Bonn gegründet wurde, bis heute aber nicht einmal im Telephonbuch der Bundeshauptstadt verzeichnet ist.
Dabei ist dieser sogenannten DDA eine Aufgabe zugedacht, die keine geringe strategische Bedeutung hat. Sie soll im nächsten Jahr an die Stelle jener "Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise" (ADK) treten, die sich bei den letzten Bundestagswahlen als Propaganda-Kompanie der CDU durch ihre munteren Werbemethoden hervorgetan hat. Aus einem einleuchtenden Grund soll die Arbeitsgemeinschaft jetzt aus der vorderen Front herausgezogen werden: dem Wahlvolk ist inzwischen aufgegangen, daß Arbeitsgemeinschaft und CDU identisch sind. Der CDU-Generalstab aber braucht Hilfstruppen, die als überparteiliche Organisationen ins Feld ziehen.
Auf Wahl- und Propagandahilfe solcher neutraler Vereine wollen die Christdemokraten nicht verzichten,
- nachdem Meinungsumfragen ergeben
haben, daß Propaganda-Aktionen, die unter dem Namen einer Partei laufen, beim Wahlvolk Mißtrauen erregen, und
- nachdem das Bundesverfasgungsgericht im Sommer 1958 jene steuerrechtlichen Bestimmungen als verfassungswidrig und damit nichtig bezeichnete, die es möglich gemacht hatten, Geldspenden an politische Parteien vom steuerpflichtigen Einkommen abzusetzen.
Zweck der CDU-organisierten "Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise" war es, als nicht durch Parteiinteressen belastete Werbeagentur vor die Wähler zu treten und jene Steuersummen, auch aus öffentlichen Fonds, zu kassieren, die von der CDU nicht mehr vereinnahmt werden konnten.
Mit der allmählichen Entlarvung der Arbeitsgemeinschaft als einer christdemokratischen Nebenstelle schien der Erfolg der ADK jedoch nicht länger
sicher, weshalb beschlossen wurde, ihre Funktionen nach und nach einer anderen Gruppe zu übertragen.
Der Übernahme der ADK-Pflichten durch die DDA stehen keine Hindernisse entgegen. DDA-Admiral Sorge und sein Stellvertreter, Alexander von Hase, entstammen beide der "Arbeitsgemeinschaft", ebenso der Geschäftsführer der neuen Aktion, der ehemalige RAD-Oberstfeldmeister Erich Sander, der bei der ADK zum Bezirksbeauftragten für Bonn und den Siegkreis avancierte.
Die DDA-Spitzenfunktionäre vermeiden einstweilen sorgfältig jeden öffentlichen Hinweis auf die Existenz der neuen Wahlkampf-Brigade. Sander zum Beispiel firmiert gegenwärtig noch als Geschäftsführer des "Bundes der Notgemeinschaften ehemaliger berufsmäßiger Arbeitsdienstangehöriger und ihrer Hinterbliebenen e.V."
Die auf Tarnung bedachten deutschdemokratischen Aktionäre - zur Zeit etwa 130 an der Zahl - störte es auch nicht, daß nordrhein-westfälische Verfassungsschützer der verdächtigen Namensgebung mißtrauten und damit die Registereintragung des Vereins hinauszögerten.
Schließlich ließen sich die Schutzorgane vom Wortlaut der Vereinsstatuten überzeugen: DDA-Aspiranten, die dem Verein erst auf Vorschlag eines bereits eingeschriebenen Mitglieds beitreten dürfen, haben danach bei ihrer Aufnahme einen Revers zu unterschreiben:
daß sie sich
- "jederzeit für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland" und
- "für deren Sicherung und Verteidigung gegen jede Form von Totalitarismus und jede Art der inneren und äußeren Bedrohung" einsetzen wollen.
Dem Verein (Sander: "Wir sind ein Zusammenschluß zur Verstärkung der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit") war es gleichgültig, daß sich im Februar 1959 das Komitee "Rettet die Freiheit" mit einem Organisationsschema konstituierte, das nahezu wörtlich von dem der "Deutschen Demokratischen Aktion" abgeschrieben war. Die DDA-Mitglieder empfanden sogar Freude darüber, wie der Freiheits-Verein im Bonner Nahkampf binnen Jahresfrist auseinandergenommen wurde.
Die "Deutsche Demokratische Aktion" erwartet vielmehr geduldig den Tag, an dem sie die "Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise" als CDU-Wahlkampfkolonne ablösen darf.
Die im Dezember 1951 von dem damaligen Kanzler-Staatssekretär Dr. Otto Lenz und dem schleswig-holsteinischen CDU-Kreistagsabgeordneten Hans Edgar Jahn gegründete ADK gehörte 1953 und 1957 zu den stärksten Wahlkampfhelfern der CDU, obwohl die SPD nichts unversucht ließ, den einstigen NS-Führungsoffizier Jahn wegen seiner tolpatschigen Reden anzuschwärzen. Jahn 1954: "Die Demokratie hat es nicht verstanden, die Menschen an ihre Verantwortung zu erinnern. Die zukünftige Truppe wird ein besseres demokratisches Gefühl haben als die zivile Regierung und die Volksmenge."
Noch während des letzten Bundestagswahlkampfes gab der sozialdemokratische Parteivorstand einen 13 Seiten langen Bericht über ADK-Machenschaften heraus, und auch für das kommende Jahr haben wohlinformierte SPD-Redakteure schon passende Enthüllungen auf Lager. Um so verblüffter waren die SPD-Manager, als sie nun die einstweilen unangreifbare, weil bescheiden auf Abruf wartende Organisation namens "Deutsche Demokratische Aktion" entdeckten.
Die mit wahlkampferfahrenen Routiniers beschickte "Aktion" hat bis heute nicht mehr als drei "Informationstagungen" abgehalten. Auch ihre Delegiertenversammlungen berief sie nur ein, um dem Registergericht keinen Anlaß zum Mißtrauen zu bieten.
Die sechs Fachausschüsse, unter ihnen je einer für Wehrpolitik und Publizistik, stehen bislang nur auf dem Papier, können aber jederzeit mit erprobten Kräften aus der Taufe gehoben werden: Dem Unternehmen wird der großzügig organisierte Apparat der "Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise", die keine Mitglieder, nur Mitarbeiter kennt, rechtzeitig zu Beginn der Wahlschlacht zur Verfügung gestellt.
DDA-Geschäftsführer Sander
CDU-Arbeitsdienst in Reserve