FERNSEH-ZULASSUNG Neue Enttäuschung
Während Bundespostminister Richard Stücklen und sein Staatsseketär Prof. Dr.-Ing.E.h. Karl Hertz vermittels technischer Bravourrleistungen das Zweite Fernsehprogramm vorbereiten, schließt die Deutsche Bundespost auf Weisung, eben derselben Postoberen eine stattliche Anzahl von Fernsehaspiranten auf unbestimmte Zeit vom Empfang des Ersten und bislang einzigen Programms aus.
Seit dem 1. Juni dieses Jahres verweigern die Postämter des Bundesgebiets all denjenigen Fernsehneulingen die "FernsehRundfunkgenehmigung",
deren Gerät nicht den "Technischen Vorschriften für FernsehRundfunk -Empfangsanlagen" vom 24. Oktober 1958 entspricht. Seitdem werden Postämter und Radio-Einzelhändler von den solcherart fernsehgeschädigten Bundesbürgern mit wütenden, wenngleich erfolglosen Protesten bedacht.
Staatssekretär Hertz hatte, als er noch Präsident des Fernmeldetechnischen Zentralamts (FTZ) der Bundespost in Darmstadt war, ermittelt, daß viele der in den letzten Jahren produzierten Fernsehgeräte, aller Reklamesprüchen zum Trotz, unter groben technischen Mängeln leiden. So war es noch bis zum vorigen Jahr üblich, Fernsehgeräte zu fabrizieren, deren Betrieb mit empfinlicher Funkstörungen für die Nachbarschaft verbunden ist.
Um diesem Mangel abzuhelfen, entwickelten, Hertzens Fernsehtechniker einen Katalog von "Funkstörungs-Grenzwerten", die künftig beim Bau der Televisionsgeräte beachtet werder müssen. Zweck des Katalogs war es, allen Fernsehteilnehmern einen ungestörten Bildesempfang zu bieten.
Das Bundespostministerium veröffentlichte die technischen Vorschriften am 24. Oktober 1958 und verfügte unter demselben Datum, daß "Fernseh-Rundfunk-Genehmigungen" vom 1. Oktober 1959 an nur noch dann erteilt werden dürfen, wenn das Fernsehgerät diesen gehobenen Anforderungen entspricht.
Der Rundfunkindustrie wurde auferlegt, das erste Stück jeder Fertigungsserie dem Fernmeldetechnischen Zentralamt, vorzuführen, das nach gehöriger Prüfung allen Geräten dieser Serie eine Prüfnummer, die sogenannte FTZ-Prüfnummer, zuteilt. Vom 1. Oktober 1959 an sollten dann nur noch die mit der FTZ-Prüfnummer versehenen Geräte zum Betrieb zugelassen werden.
Als die Industrie zu verstehen gab, sie sei nicht in der Lage, binnen Jahresfrist Geräte dieser gehobenen technischen Präzision auf den Markt zu bringen, erklärte sich das Postministerium bereit, die Auslauffrist für die Neuanmeldung von Geräten ohne FTZ-Nummer bis zum 31. Mai 1960 auszudehnen.
Tatsächlich kamen bis zum Mai dieses Jahres, nach und nach alle Gerätehersteller mit Apparaten auf den Markt, die mit FTZ-Nummern verziert waren und den Käufern, die gewünschte Bild und Tonqualität garantierten: Daraufhin sah das Bundespostministerium keinen Grund mehr, die Auslauffrist noch einmal zu verlängern. Am 9. Mai verkündete Stücklen: "Vom 1. Juni 1960 an werden... nur noch Ferrnseh -Rundfunkempfänger zum Betrieb zugelassen, die die technischen Vorschriften einhalten."
Aus Kulanzgrinden erlaubte man jedoch jenen Fernsehbürgern, die noch alte, ungeprüfte Geräte in Betrieb haben,
ihr Heimkino auch weiterhin ohne FTZ -Nummer zu betreiben. Das Bundespostministerium schränkte diesen Kulanz -Erlaß jedoch ein: "Wenn ein Fernsehgerät allerdings künftig vom Funkstörungs-Meßdienst der Deutschen Bundespost als Störungsquelle ermittelt wird" werde man seinen Besitzer zwingen, das Gerät nachträglich entstören und mit der FTZ-Nummer versehen zu lassen.
In den Genuß des Kulanz-Erlasses gelangt freilich nur, wer sein altes Gerät schon vor dem Stichtag, dem 1.Juni 1960, in Betrieb hatte, nicht jedoch, wer es erst nach diesem Termin erwirbt. Dekretierten die Beamten: "Ein neues und gebrauchtes Fernsehgerät ohne FTZ-Prüfnummer, das im Radio-Fachgeschäft erworben, beziehungsweise gemietet oder von Privaten erworben, beziehungsweise in anderer Form (z.B. durch Schenkung) übereignet werden soll, muß in einer Radio-Fachwerkstatt anhand einer Umbau-Anweisung des Geräteherstellers gegen Kostenerstattung so hergerichtet werden, daß es die Technischen Vorschriften einhält."
Diese Herrichtung erweist sich bei näherem Hinsehen als veritabler Umbau. Anhand einer technischen Umbauanleitung' muß der Fachhändler Teile des Geräts, und zwar den sogenannten Kanalschalter, gegen entstörte Ersatzteile, die er vom Herstellerwerk beziehen muß, austauschen. Kostenpunkt dieser Operation: 120. bis 200 Mark.
Betroffen sind ferner alle Gerätebesitzer, die nach dem, 31. Mai dieses Jahres ihren Apparat
- neu aus alten Händlerbeständen,
- gebraucht aus Händlerhand (in Zahlung genommene Apparate),
- gebraucht aus Privathand erwarben
oder noch erwerben oder
- beim Umzug aus dem Ausland mitbringen.
Ihnen allen wird seit dem 1. Juni die Empfangsgenehmigung vom zuständigen Postamt strikt verweigert. Hinzu kommen Jene, deren altes Gerät trotz gültiger alter Empfangsgenehmigung als Funkstörenfried ermittelt und denen daraufhin die Empfangsgenehmigung entzogen wird.
Bei den bundesdeutschen Radiohändlern gehen seit einigen Wochen ungebetene Entstörungstrupps der Bundespost aus und ein, was verständlicherweise die Freude am Handel trübt. Die deutsche Radioindustrie sieht sich überdies mit wenigen Ausnahmen bislang noch nicht in der Lage, ihre Fachhändler mit den Ersatzteilen und Umbauanweisungen auszustatten. Als erste haben drei Gerätehersteller, Blaupunkt, Imperial und Saba, erst jetzt die ersten FTZ -Prüfnummern für Umbauteile vom Fernmeldetechnischen Zentralamt zugeteilt bekommen.
Der in Bonn renommierte Elektrofachhändler Heinz Hansen beispielsweise weiß zuberichten, daß bisher ausschließlich die Firma Saba in der Lage war, ihn mit dem nötigen Material zu versorgen. Bei allen anderen Gerätefirmen werde es noch bis Ende des Jahres dauern, ehe sie ihren Fachhändlerstamm mit Ersatzteilen und Weisungen ausreichend versehen hätten. Klagt Hansen: "Bei mir kommt es dauernd vor, daß ich die Kundschaft wieder wegschicken muß.
Die Post war mal wieder etwas zu eilig."
Da die betroffenen Fernseher eine Genehmigung mangels FTZ-Nummer vom Postamt nicht erhalten, mit einem Umbau ihres Geräts aber keineswegs vor Ende dieses Jahres rechnen können, bleibt ihnen nichts weiter übrig, als ihr Gerät vorläufig auf dem Speicher zu deponieren. Aber selbst dann, wenn alle Fachhändler Ende dieses Jahres über die nötigen. Umbauanweisungen verfügen, wird es - auch außerhalb des Programms - neue Fernseh-Enttäuschungen geben.
Die Geräteindustrie vermag nämlich nicht für alle alten Typen entstörten Ersatz zu schaffen, sondern bestenfalls für die letzten Serien. Die Eigentümer älterer Geräte sehen mithin vollends in die Röhre. Meint der zuständige Referent des Staatssekretärs Hertz, Ministerialrat Arens: "Dann haben sie eben Pech gehabt."
Entstörer Hertz
Altgeräte auf den Speicher