KATZER/WEHNER Spielen und gaunern
Hans Katzer, 51, will seinen Ruf als Renommier-Linker der Bonner CDU vor Gericht gegen Herbert Wehner verteidigen.
Der SPD-Fraktionschef soll zur Unterlassung einer verbalen Attacke verurteilt werden, die er am 10. Oktober in einem Interview des Hessischen Rundfunks losgelassen hatte: "Wir sind doch keine Betrüger, wir heißen doch nicht Katzer, wir spielen und gaunern doch nicht Sachen, die in Wirklichkeit nicht zur Zeit zu machen sind."
Wehner hatte sich über die Feststellung des Interviewers erregt, der SPD/FDP-Entwurf zur Verbesserung des Betriebsverfassungsgesetzes vermeide so gut wie jeden Schritt zur qualifizierten Mitbestimmung.,, Das haben wir ja auch nie gesagt", konterte Wehner. Wirkliche Mitbestimmung werde es erst bei absoluter SPD-Mehrheit geben, und bis dahin "nehmen wir das, was praktikabel gemacht werden kann, und schwindeln nicht".
Vier Tage später langte der aggressive Sozialdemokrat noch einmal hin. diesmal im Plenum des Deutschen Bundestags: Er bedauere Katzer, "weil er eine solche Rolle spielt, als ob er Arbeitnehmerflügel sei, es in Wirklichkeit aber nicht ist und erst in der Opposition lernt, daß er es sein möchte". Acht Tage danach reichte der Prominenten-Anwalt Professor Hans Dahs beim Bonner Landgericht Katzers Klage ein. Der CDU-Mann war empört: "Da wurde auf einmal ohne Not aus dem Hinterhalt geschossen."
Nicht ganz ohne Not. Als Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse und Obmann der nominell 60 Köpfe starken CDU-Arbeitnehmertruppe im Bundestag verleiht Katzer der konservativen CDU einen modisch progressiven Tupfer (SPD-Vize Helmut Schmidt. "Der ist ja nur die soziale Badehose der CDU"). Zugleich bereiten seine Mannen der SPD/FDP-Regierung Ärger, indem sie sich linker gebärden als die Koalition.
Der CDU-Parlamentarier und DGB-Funktionär Ferdi Breidbach hat das Koalitionsprogramm als "gesellschaftspolitisch schwindsüchtig" verspottet. Den SPD-Gewerkschaftern im Bundestag, so Franz Varelmann aus Katzers Kader, sei "das kleine Häuflein FDP-Leute anscheinend lieber als die stattliche Gruppe vorwärtsstrebender Gewerkschafter in der CDU".
Über solche Angriffe sind die Sozialdemokraten besonders empört, weil die Katzer-Mannschaft noch nie durch progressiven Elan aufgefallen ist. In Partei, Fraktion und Regierung-Katzer war von 1965 bis 1969 Bonner Arbeitsminister -- beugte sich das kleine Häuflein der CDU-Arbeitnehmer meist der Übermacht besitzbürgerlicher CDU-Interessen.
Ein Bündnis mit den SPD-Abgeordneten gingen die linken Christdemokraten nur selten ein. Selbst in der Großen Koalition fügten sie sich dem Fraktionszwang -- beispielsweise als die CDU/CSU letztes Jahr gegen den Willen der SPD die Verabschiedung des gesellschaftspolitisch wichtigen Städtebauförderungsgesetzes verhinderte.
"Das war noch nie ein Flügel", polterte Herbert Wehner im Hessischen Rundfunk. "Ich habe in meiner 20jährigen Praxis einmal erlebt, und das war bei der Abstimmung über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, daß eine Person dessen, was Sie Flügel nennen, eine Person für die weitgehende Forderung, die wir damals im Entwurf hatten, gestimmt hatte, alle anderen nicht, Herr Katzer auch nicht ... Das war der Flügel, eine Person. Mehr war das bisher nie." Wehners Fazit: "Das ist keine ehrliche Partei in solchen Fragen."
Daß er dennoch ehrlich sei, will Hans Katzer ("Ich bin sonst gar nicht so'n Mensch") nun vor Gericht geklärt sehen. Ihn habe die "Massierung" sozialdemokratischer Anwürfe gegen die Unionschristen in letzter Zeit zu seiner Klage veranlaßt: "Und nun das über mich. Das ist doch eine Verwilderung der Sitten. Da kann doch nicht jeder hingehen und etwas in die Welt hineindonnern."
Am 4. Dezember ist erster Termin. und Wehners Anwalt Erich Schumann sieht Chancen für seinen Mandanten, da es sich eindeutig um ein politisches Werturteil handle: "Es ist doch ganz deutlich, daß Wehner keinen kriminellen Vorwurf erheben wollte. Auseinandersetzungen im politischen Raum sind doch keine Auseinandersetzungen im Mädchenpensionat."