BUNDESWEHR BESOLDUNG Hörbare Signale
Es geht", so versicherte Oberstleutnant Heinz Volland, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV), "dem Verband niemals darum, lautstark aufzutreten." Letzte Woche jedoch wurde Vollands Pressure-group, die mit 140 000 Mitgliedern die sozialen Interessen von 60 Prozent der Berufs- und Zeitsoldaten vertritt, ihrem Grundsatz untreu: Sie veranstaltete geräuschvolle Protestversammlungen.
In München, Regensburg und Hammelburg (Unter! ranken) vernahmen DBwV-Soldaten einen "unumgänglichen Paukenschlag" und wurden, wie Vollands Vorstands-Kollege Hans Erich Seuberlich den Vorgang einordnete, "Zeugen eines historischen Augenblicks". Seuberlich in München: "Zum erstenmal in der deutschen Wehrgeschichte versammeln sich deutsche Soldaten zum offenen Protest," Denn deutsche Soldaten, die sich einst als erster Stand im Staate über schnöden Mammon erhaben dünkten, hadern 1970 wegen zu niedriger Bezahlung mit ihrem Dienstherrn.
Ausgerechnet in Bayern, wo der Landtagswahlkampf vergangene Woche in die letzte Runde ging, proklamierten sie ihren Notstand als "Sparbüchse der Nation". Offiziere und Sergeanten protestierten dagegen, "von der Bundesregierung als Konjunkturbremse mißbraucht" worden zu sein, weil sie "In der Rezession mit Durchhalteparolen zaum Besoldungsverzicht gezwungen wurden".
Die "Stiefkinder des öffentlichen Dienstes" (Volland) beklagten den "Rückstand der Soldaten in der allgemeinen Einkommensentwicklung" gegenüber der übrigen Bevölkerung, der nach DBwV-Berechnungen über 20 Prozent beträgt. Sie wollen dies Fehl nicht "länger widerspruchslos hinnehmen" (Seuberlich), fordern eine lineare Besoldungserhöhung um 15 Prozent von Januar 1971 an, die sofortige Zahlung einer Überbrückungszulage von 300 Mark sowie "strukturelle Verbesserungen
Obwohl seit einiger Zeit vor allem Unteroffiziere und Feldwebel besser bezahlt werden, bemängelt die Soldaten-Lobby, die Militärs seien im Vergleich zu anderen Bundesbeamten bei den sogenannten Planstellenverbesserungen zu kurz gekommen. Tatsächlich sitzen die meisten Hauptleute noch immer auf Hauptmannsbezügen, während ihre Kollegen, die Amtmänner bei Bahn und Post, inzwischen für gleiche Arbeit eine Stufe höher bezahlt werden.
Im Bierdunst des Münchner Löwenbräukellers verstärkten 2500, teils in Uniform mit Bundeswehrbussen aus dem bayrischen Oberland herangeschaffte Protestierer die "hörbaren Signale" (Seuberlich) mit Pfiffen, Trampeln und Zwischenrufen ("Warum streik'n mir denn net glei!"), derweil CSU-Wahlhelfer vor dem überfüllten Brauhaus um Zweitstir-· men für den Mittenwalder Oberst der Gebirgstruppe und CSU-Landtagskandidaten Sepp Prentl warben und im Festsaal Flugblätter einer "überparteilichen Wählerinitiative" (unterzeichnet von 17 Prentl-Kameraden) herumgereicht wurden.
Im Regensburger Kolpinghaus St. Erhard applaudierten am darauffolgenden Mittwoch 500 Teilnehmer der Protestaktion die laut DBwV-Direktive "keinen parteipolitischen Charakter" annehmen sollte -- einem (nicht namentlich) begrüßten "verehrten Herrn Landtagsabgeordneten": dem Regensburger CSU-MdL Richard Wagner.
Dem Bundeswehr-Verband schien öffentlicher Protest "die letzte Möglichkeit" zu sein, "sich doch noch Gehör zu verschaffen" -- nachdem er in Verhandlungen mit den Bonner Regierenden nicht erhört worden war.
Zwar habe, so rekapitulieren die Verbands-Oberen, der für die Salärs im öffentlichen Dienst zuständige Bundesinnenminister bei einer Anhörung im Mai versprochen, die Wünsche der Soldaten im damals geplanten dritten Besoldungsneuregelungsgesetz zu berücksichtigen (Volland: "Wir waren sehr glücklich"). Auch ein Besuch bei Kanzler Brandt im Juli stimmte zuversichtlich (Volland: "Wir waren voller Hoffnung").
Doch als die Regierung im Oktober die Gesetzes-Novelle zurückzog, statt dessen die Besoldung an den Orientierungsdaten des Wirtschaftsministeriums ausrichten wollte und deshalb keinen Zuwachs von mehr als acht Prozent zulassen mochte, hielten die Verbands-Soldaten nicht mehr still.
Der Erfolg war bescheiden, die unzufriedene Streitmacht holte sich Körbe. Als der DBwV-Vorstand am 20. Oktober auch beim Bittgang zu Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt "auf den Bauch gefallen war" (so Bayerns Verbandschef Major Claus Paschke), probten sie den Protest gegen Bonner "Hinhaltetaktik".
Der Verband hatte, so telegraphierte er am 21. Oktober an den Bundeskanzler, von der Hardthöhe "den Eindruck mitnehmen müssen, daß die Bundesregierung weder gewillt ist, die Soldatenbesoldung der allgemeinen Einkommensentwicklung anzupassen, noch die seit Jahren bestehenden besonderen Benachteiligungen gegenüber dem übrigen öffentlichen Dienst ... auszugleichen".
Ende Oktober beschlossen dann DBwV-Beauftragte aller Länder im "Haus Schönblick" zu Garmisch-Partenkirchen bei Selterswasser und Cola, den Verband zuerst in Bayern zu mobilisieren. Bayern-Vorsitzender Paschke, der SPD nahestehend und dennoch ohne Einwände gegen gerade dieses Gefechtsfeld: "Der Riese muß laufen lernen."
Am 1. November gab das Verbandsblatt "Die Bundeswehr" "Alarmstufe 1". Und am 10. November kam der Bundesvorstand in Bad Godesberg überein, den Protestweg zu beschreiten. DBwV-Flugblatt: "Das Maß ist voll!"
In den nächsten Tagen wollen die Sold-Streiter entscheiden, ob es bei Protestkundgebungen bleiben soll. TV-Kommentator Rudolf Woher vom ZDF vermutet: "Wer den Mund spitzt, ist auch bereit zu pfeifen."
Falls die Regierung, die dem Verband ein "Bild der Ratlosigkeit und inneren Zerstrittenheit" bietet, das Volland-Telegramm an Brandt bis zum 26. November unbeantwortet läßt, will der DBwV laut Pressenotiz (Volland: "Das ist keine Drohung") "auch nicht davor zurückscheuen, nach anderen Mitteln Ausschau zu halten" -- etwa Bummelstreik oder Dienst nach Vorschrift.