DER STAAT FÜHRT BUCH
Nach geltendem westdeutschem Recht sind Sühne der Schuld und Tilgung der Strafe nicht identisch. Der Staat führt Buch über die Vorstrafen. Rechtsgrundlage bilden die "Strafregisterverordnung" sowie das "Gesetz über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken.
Die Strafregister werden bei der Staatsanwaltschaft geführt, die für den Geburtsort des Täters zuständig ist. Eingetragen werden sämtliche strafrechtlichen Verurteilungen -- Geldstrafen wegen Übertretungen allerdings nur dann, wenn der Täter nach Paragraph 361 des Strafgesetzbuches (unter anderem wegen Bettelei, Landstreicherei oder gewerbsmäßiger Unzucht) verurteilt worden ist.
Auskünfte über Eintragungen dürfen teils unbeschränkt, teils beschränkt gegeben werden, an insgesamt 83 Institutionen, die namentlich in einer Liste des Bundesjustizministeriums aufgeführt sind.
Zeitlich unbegrenzt, solange eine Verurteilung überhaupt eingetragen ist, werden Auskünfte im wesentlichen an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden gegeben. Andere Berechtigte bekommen Auskünfte nur fünf Jahre lang (vom Tag des Urteils an gerechnet) über Verurteilungen zu Geldstrafen oder zu Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, zehn Jahre lang (vom Ende der Strafverbüßung an gerechnet) in allen übrigen Fällen.
Getilgt werden Einträge im Strafregister zehn Jahre nach dem Urteilsspruch, wenn es sich um Geldstrafen oder Freiheitsstrafen wegen einer Übertretung handelt, 15 Jahre nach dem Urteil bei Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten und 20 Jahre nach dem Ende der Strafverbüßung in allen anderen Fällen (außer bei Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe).
Nach Eintritt der Auskunftsbeschränkung darf sich der Verurteilte gegenüber privaten Stellen als unbestraft bezeichnen, nach der Tilgung gegenüber jedermann.
Polizeiliche Führungszeugnisse, vor allem von Arbeitgebern vor der Einstellung verlangt, werden derzeit nicht von den Registerbehörden, sondern von der Ortspolizei ausgestellt. Sie enthalten keine Angaben über Erststrafen bis zu sechs Wochen Freiheitsentzug oder Geldstrafen bis 1000 Mark, auch nicht über Geldstrafen, deren Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einem Monat beträgt.
Die Zeitgrenzen, nach deren Ablauf Strafen nicht mehr in polizeiliche Führungszeugnisse aufgenommen werden dürfen, sind von den einzelnen Bundesländern festgelegt und generell kürzer als die Grenzen für die Auskunftsbeschränkung beim Strafregister. Viele dieser Regelungen sollen jetzt geändert werden. Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform im Bundestag berät zur Zeit den "Entwurf eines Gesetzes über das Zentral- und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz)". Der Entwurf sieht nur noch ein einziges "Bundeszentralregister" vor, in das lediglich Geldstrafen wegen Übertretungen nicht mehr eingetragen werden sollen.
Der Entwurf geht davon aus, daß im wesentlichen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden über sämtliche Registereintragungen Auskunft erlangen können. Alle anderen Behörden erhalten Auskünfte, "soweit sie es zur ordnungsgemäßen Erledigung ihrer Aufgaben benötigen -- und zwar in Form eines neuartigen Führungszeugnisses. Dieses Führungszeugnis wird nicht mehr von der Polizei, sondern vom Bundeszentralregister ausgestellt.
In der Begründung des Entwurfs heißt es: "Der Inhalt des (registerlichen) Führungszeugnisses liegt zwischen dem jetzigen amtlichen Führungszeugnis und der "beschränkten Auskunft aus dem Strafregister' des geltenden Rechts."
Nicht aufgenommen in dieses Führungszeugnis werden Verurteilungen zu Erststrafen (bis zu einem Monat) oder Geldstrafen (falls die Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr als einen Monat beträgt). Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten und zur Bewährung ausgesetzte Erstfreiheitsstrafen bis zu einem Jahr werden nach der Verurteilung drei Jahre lang im Führungszeugnis verzeichnet; sonstige Strafen nach der Verbüßung fünf Jahre lang.
Vorstrafen, die in einem Führungszeugnis nicht verzeichnet sind, dürfen gegenüber jedermann verschwiegen werden. Weisen bestimmte Behörden (etwa der Bundesnachrichtendienst) allerdings darauf hin, daß sie ein unbeschränktes Auskunftsrecht haben, dann darf sich ein Betroffener ihnen gegenüber nicht als unbestraft ausgeben.
Gelöscht werden Strafen im Zentralregister künftig nach fünf Jahren, wenn eine Erststrafe bis zu einem Monat ausgesprochen worden ist, nach zehn Jahren alle Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten und auch zur Bewährung ausgesetzte Erststrafen bis zu einem Jahr sowie nach 15 Jahren alle anderen Strafen.
Ist eine Strafe im Register zu löschen, so gibt es künftig keine Möglichkeit mehr, die Eintragung zum Nachteil des Verurteilten zu verwerten -- "soweit nicht Belange der staatlichen Sicherheit eine Ausnahme gebieten".