WERBUNG / AGENTUREN Faules Fleisch
In den Düsseldorfer Altstadtkneipen gibt es für Stammkunden aus der Werbebranche seit kurzem ein neues Gesprächsthema: Massenentlassungen.
Zum erstenmal seit der Währungsreform müssen in der rheinischen Werbemetropole Graphiker, Kontakter, Mediaplaner und Texter um ihren Job bangen. Denn sechs Wochen vor Weihnachten erhielten über 100 Angestellte von Düsseldorfer Agenturen ihre Kündigung.
Deutschlands renommierteste Werbegruppe Team (Audi, Bärenmarke, Tchibo-Kaffee) zum Beispiel trennt sich zum Jahresende von 39 Mitarbeitern. Auch die Persil-Agentur Troost feuerte 22 Angestellte. Werbe-Gramm (HB, BMW) setzt zwölf Mitarbeiter auf die Straße. Die größte Entlassungsquote in Düsseldorf gab es bei der Filiale der anglo-amerikanischen Agentur Leo Burnett-LPE. Von 105 Angestellten bekamen 24 den blauen Brief.
Auch andere Großstädte in der Bundesrepublik wurden von der Entlassungswelle erfaßt. In Hamburg zum Beispiel mußte bei der Markenwerbung International (Lux Filter, Henkell-Sekt) jeder zehnte Beschäftigte seinen Abschied nehmen. In Frankfurt verringerte die Euro-Advertising gar ihren Personalbestand von 40 auf 25.
Eine böse Überraschung erlebte auch die Mannschaft der Frankfurter US-Filiale von BBDO. Am 12. dieses Monats eröffnete die Firma ihren 65 Mitarbeitern, daß das Unternehmen zum Jahresende wegen einer Partnerschaft mit Team geschlossen werde. Während die Bosse ihre Jobs behalten dürfen, gibt es für die übrigen 60 Angestellten keine Beschäftigung mehr. Kommentar des Informationsdienstes "Text intern": "Es trifft die Unteroffiziere und das Fußvolk."
Ausgelöst wurde "die Schlankheitskur" (Team-Geschäftsführer Willi Schalk) durch den wachsenden Kostendruck in der Agenturbranche. So müssen Werbefirmen, bei denen in der Regel 65 bis 70 Prozent der Ausgaben aus Personalaufwendungen bestehen, ihren Jahresumsatz um 15 Prozent steigern, wenn sie die Gehälter um zehn Prozent erhöhen wollen.
Während der Hochkonjunktur in den letzten Jahren konnten die im Bundesdurchschnitt überproportional angewachsenen Löhne leicht durch höhere Umsätze kompensiert werden. Für 1971 ist nach Branchenprognosen jedoch kaum noch eine Umsatzausweitung zu erwarten.
Einige Werbungtreibende bereiten sich sogar auf eine Rezession vor. Textil-Firmen zum Beispiel beschnitten ihre Werbeetats für das kommende Jahr um bis zu 20 Prozent. Investitionsgüterfirmen zweigten vom Werbebudget 1971 vorsorglich größere Summen als Werbereserve für die Zukunft ab. Auch bei den gutgespickten Etats der Zigaretten-Industrie (1969: 175 Millionen Mark) sind Einsparungen zu erwarten.
Diese Entwicklung zwingt Deutschlands Werbeagentur-Chefs, entgegen ihren bisherigen Gewohnheiten scharf zu rechnen. Nachdem bei vielen Agenturen die Reise- und Spesenetats beschnitten wurden, versuchen sie jetzt, ihre Personalkosten zu drücken.
Dabei bedienen sich die Firmen verschiedener Methoden. Während einige Agenturen freigewordene Planstellen nicht wieder besetzen, entschloß sich die Düsseldorfer Team-Gruppe zum Beispiel für eine Radikalkur. Um die gefährdete Jahresrendite von drei Prozent (Branchendurchschnitt 1,5 bis zwei Prozent) zu erhalten, ließen die Manager nach Nieten und faulem Fleisch fahnden. Schalk: "Zwei schlechte Leute sind teurer als ein guter."
Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch die Hamburger Lintas. Durch Arbeitsplatz-Analysen erfuhren die Chefs, daß zum Beispiel qualifizierte und hochbezahlte Texter oder Graphiker mindestens zweimal soviel schaffen wie weniger begabte Kollegen.
Werbe-Gramm glaubt einen Teil seiner Personalprobleme in Zukunft durch "klarere Arbeitsplatzbewertungen" (Geschäftsführer Theodor Breidenbach) lösen zu können. Dabei sollen auf "weniger anspruchsvolle Stellen weniger qualifizierte -- also billigere Leute" gesetzt werden.
Bei der Kostensenkung wollen die deutschen Agentur-Bosse freilich nicht auf das Vorbild amerikanischer Werbefirmen zurückgreifen. Im Herbst dieses Jahres gingen in den USA immer mehr Firmen dazu über, die Einkommen ihrer Angestellten zu beschneiden. Die General-Motors-Agentur MacManus, John & Adams kürzte zum Beispiel die Gehälter um zehn Prozent bei einem Jahreseinkommen von 10 000 Dollar, bei einem Jahresgehalt von über 25 000 Dollar sogar um 30 Prozent.
Von der grassierenden Existenzangst in deutschen Agenturen erhoffen sich viele Firmenchefs günstige Auswirkungen auf das künftige Gehaltsniveau der Branche. Burnett-Prokurist Richard Genzen: "Jetzt wird sich jeder genau überlegen, ob er von uns mehr Gehalt fordern will."