BEHÖRDEN / STAATSBURGERSCHAFT Weder noch
Rupert Schmied ist 169 Zentimeter groß, fährt einen Opel, dient als Unteroffizier im Flugabwehr-Raketenbataillon 33 in Lindau am Bodensee und verfügt auch sonst über sichere Kennzeichen menschlichen Daseins. Doch Schmied weiß: "Ich existiere gar nicht."
Mit dem Soldaten, den es gar nicht gibt, beschäftigen sich seit nahezu fünf Monaten das Bonner Verteidigungsministerium und die Wiener Landesregierung, das Landratsamt im badischen Lörrach wie das österreichische Generalkonsulat in München.
Der Rechtsfall kam auf, als Rupert Schmied am 13. Juli 1970 für seine Heirat mit der Hausgehilfin Caroline Seefelder, 18, beim zuständigen Landrat samt um Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises einkam. Hochzeit sollte am 22. Juli sein. Zum Oktober war dem Paar eine Dreizimmerwohnung in Lindau zugesagt worden, die Möbel waren bereits bestellt.
Doch es ergab sich, daß Rupert Schmied gar kein Deutscher ist. Denn sein Vater -- so ermittelten die Landrats-Leute -- sei 1908 im Alter von vier Jahren mit den österreichischen Eltern nach Deutschland eingewandert. Obwohl er seitdem ununterbrochen in Deutschland lebte, sei Schmied senior per Geburt noch immer Österreicher.
Zwar war Vater Schmied durch das nationalsozialistische Gesetz über die "Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" vom 13. März 1938 de jure deutscher Staatsangehöriger geworden. Aber dieses zweifelhafte Privileg wurde ihm mit der "276. Kundmachung der (Wiener) Bundesregierung vom 4. November 1949" wieder genommen. Mithin war Schmied-Vater nicht nur per Geburt, sondern auch nach dem Gesetz wiederum Österreicher.
Ein bundesdeutsches Gesetz vom 17. Mai 1956 bestätigte diese Umwandlung, gab aber den Zwangs-Ein- und Ausgebürgerten die Möglichkeit, sich mit einer formalen Willenserklärung bis zum 30. Juni 1957 abermals und endgültig eindeutschen zu lassen. Schmied senior: "Das hat mir keiner gesagt." Und: "Ich war Immer und bin auch heute noch Deutscher."
Juristen denken anders. Schmied senior -- reichsdeutscher Soldat im Zweiten Weltkrieg, der seit 1938 deutsche Personalpapiere mit sich herumträgt -- ist seit fünf Wochen wieder in österreichischen Personalkarteien erfaßt. Um überhaupt etwas zu sein, mußte er sich die österreichische Staatsangehörigkeit verschreiben lassen. Seither betreibt er seine Einbürgerung als Deutscher.
Sein am 8. Oktober 1948 ehelich geborener Sohn Rupert Schmied ist mithin ebenfalls Österreicher -- wie es das Bonner und das Wiener Gesetz befahl. Doch die Juristen denken abermals anders.
Denn mit dem "250. Bundesgesetz vom 15. Juli 1965" sprach Wien all denen die österreichische Staatsbürgerschaft ab, die "freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates" treten. Und genau das hatte Rupert Schmied am 1. Januar 1968 getan. Als Wehrpflichtiger zu den westdeutschen Fahnen gerufen, verpflichtete er sich gleich für vier Jahre freiwillig zum Kommißdienst. Damit wiederum ging er der ererbten österreichischen Staatsangehörigkeit verlustig. Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsrangelei ist er weder Deutscher noch Österreicher noch Staatenloser.
Dennoch darf Schmied bei der Bundeswehr weiterdienen. Denn Dr. Jürgen Schreiber von der Personalverwaltung des Bundesverteidigungsministeriums schrieb seiner Einheit am 12. August 1970 auf entsprechende Fragen: "Das Dienstverhältnis wurde rechtswirksam begründet." Eine Täuschung der Einstellungsbehörde liege nicht vor, "da Schmied nach den gegebenen Umständen an seiner deutschen Staatsangehörigkeit keinen Zweifel haben konnte".
Mit dieser Rückenstärkung gab Heirats-Freiwilliger Schmied dem österreichischen Generalkonsulat in München schriftlich zu verstehen, daß er Deutscher bleiben oder werden wolle und nicht daran denke, aus der Bundeswehr auszuscheiden.
Aus der Sicht des Wiener Generalkonsulats in München erschwert nun freilich gerade diese Willenserklärung eine Bereinigung der Staats-Affäre. Denn schlicht für staatenlos erklären mögen die Münchner Wiener den Abtrünnigen auch nicht, weil erst "nachgewiesen werden muß, ob er überhaupt Österreicher ist" -- so eine Angehörige des Konsulats. Und diese Prüfung ist offensichtlich schwierig: "Das können wir nicht entscheiden, das muß Wien machen" -- so die Auskunft vom Generalkonsulat.
Eugen Feurer, Sachbearbeiter im Landratsamt Lörrach, kommt nicht mehr durch; "Ich meinte, das müßte einfach sein." Rupert Schmied, rechtlich ein Niemand, hat vorerst nur ein menschliches Bedürfnis: "Ich will heiraten."