FRANKREICH / DE-GAULLE-PLATZ Nationales Symbol
Was weder dem Sonnenkönig Ludwig XIV. noch dem Kaiser Napoleon gelang, schaffte Frankreichs republikanischer Monarch Charles de Gaulle schon wenige Tage nach seinem Tod: Ein Pariser Platz wird seinen Namen tragen -- nicht irgendein Platz, sondern "der berühmteste Platz von Paris, wenn nicht Europas oder der Welt" (so "Le Monde") -- der "Place de l'Etoile" mit dem Triumphbogen.
Vom "Etoile" aus war Triumphator Charles de Gaulle am 26. August 1944 nach der Befreiung von Paris die Champs-Elysees hinuntergezogen. Unter dem Triumphbogen -- 1806 von Napoleon in Auftrag gegeben, 1836 vollendet -- zelebrieren Frontkämpfer und Patrioten aller Art ihre nationalen Hochämter, entfachen Präsidenten und Minister die Flamme über dem Grab des Unbekannten Soldaten. Den Hagiographen de Gaulles schien allein dieser Ort würdig genug, den toten Chef zu ehren.
Einstimmig, das heißt, mit Unterstützung von 24 kommunistischen und neun sozialistischen Stadträten, beschloß der Pariser Stadtrat am Freitag vorletzter Woche, den Sternplatz m "Place Charles de Gaulle" umzutaufen. Stadtpräfekt Marcel Diebolt unterzeichnete den Ratsbeschluß und ließ ihn im "Bulletin municipal officiel" veröffentlichen, womit er Rechtskraft erhielt.
In einer offiziellen Feierstunde wollen die Pariser Stadträte die Namensänderung des verkehrsreichsten Pariser Rondells (200 000 Autos pro Tag, vier Metro- und zwölf Busstationen) vornehmen -- wenn es je dazu kommt.
Denn Franzosen aus Paris und der Provinz protestierten gegen den Ratsbeschluß. "Nichts würde dem Letzten Willen des Generals de Gaulle mehr widersprechen als dies", kritisierte "Le Monde". Und selbst die unpolitische Wirtschafts-Tageszeltung "Les Echos" schrieb: "Der Arc de triomphe wird für alle der Arc de l'Etoile bleiben."
Der ehemalige gaullistische Minister Paul Antier -- er war der erste französische Parlamentarier, der 1940 in London zu de Gaulle stieß -- gründete sogar ein "Verteidigungs-Komitee für den Place de l'Etoile" und forderte die Pariser Stadtverwaltung auf, ein Referendum über diese Entscheidung herbeizuführen.
Tausende von Parisern schlossen sich dem "Etoile"-Verteidiger Antier an. In Lyon befragte das "Comité lyonnais d'Information civique et sociale" seine 76 Mitglieder nach der Umbenennung des Etoile-Platzes. 58 von ihnen waren dagegen. Denn "der Place de l'Etoile ist ein nationales Symbol", schrieben die Lyonner Bürger, "an dem jeder Provinzler hängt".
Tatsächlich hat der Etoile seinen Namen bereits seit 1730, damals hieß er "L'Etoile de Chaillot". Fünf Wald-Alleen gingen sternförmig von ihm aus (daher der Name "Etoile"), heute sind es zwölf Avenuen, darunter die Prachtstraße "Champs-Elysees" und die vornehmste Straße von Paris, die Avenue Foch.
Außerdem darf der Stadtrat von Paris -- im Gegensatz zu Dutzenden anderer Städte Frankreichs, die bereits Plätze und Straßen auf den Namen de Gaulles umtauften -- den Vorschriften gemäß frühestens fünf Jahre nach dem Tod eines berühmten Zeitgenossen einen Platz oder eine Straße nach ihm benennen. Bei Roosevelt, Churchill und Kennedy hielten die Pariser Stadtväter freilich diese Zeit nicht ein, US-Präsident Wilson wurde sogar noch zu Lebzeiten mit einer nach ihm benannten Avenue geehrt.
Um wenigstens den traditionellen Namen "Etoile" zu retten, regte der konservative "Figaro" an, den Platz in "Etoile Charles de Gaulle" umzubenennen.
Auch der große Triumphbogen wird künftig anders heißen müssen. Zur Unterscheidung vom kleineren "Arc de triomphe du Carrousel" im Tuilerien-Garten lautete sein voller Name bislang "Arc de triomphe de l'Etoile". Nun wird man sagen müssen. "Arc de triomphe de de Gaulle,"
Im De-Gaulle-Dorf Colombey-les-Deux-Eglises hingegen soll nichts geändert werden: Die Gaullisten wollen den Ort samt umliegender Landschaft zur "site historique" erklären lassen. Nach einem Gesetz aus dem Jahre 1930 müssen Orte. die diesen Titel tragen, auf immer so bleiben, wie sie sind.
Im Radio wurde der französische Kardinal und Papst-Vertraute Danié. lau gefragt, ob Charles de Gaulle von der Kirche selig gesprochen werden könne. Jesuit Daniélou: "Technisch ist das möglich."