Spröde Art
L. L. Matthias: "Es hing an einem Faden". Rowohlt; 384 Seiten; 28 Mark.
"Leo ist so klug! ... Aber er ist so ernst!" Das schrieb Lisa Matthias, Leos erste Gattin, 1927 in ihr Tagebuch. Die Einsicht wurde sehr viel später auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, in Lisas Memoirenband "Ich war Tucholskys Lottchen". L. L. Matthias, der Geschiedene, ist von der "bitteren Erfahrung" jener kurzen Ehe bis nach Mexiko verscheucht worden. So steht es in seinen Erinnerungen, die wenige Wochen nach dem Tod des Autors auf den Markt gekommen sind.
Ernste Erinnerungen -- Matthias geht vor allem auf die Widrigkeiten seiner Emigrantenjahre in Lateinamerika ein und auf die langwierige Krankheit der geliebten zweiten Gefährtin. Nicht alle Details, die er aufbewahrte, sind für Außenstehende interessant. Die Personen -- ob berühmt, ob unberühmt -- bekommen bei der spröden Schreibart dieses Zeitgenossen wenig Farbe ab. Über den österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg: "Der Funke fehlte ... Die Persönlichkeit fehlte"; Robert Musil -- "Alles in allem war der Nachmittag eine Enttäuschung" -- "schwebte ganz offensichtlich in den Wolken".
Andererseits gewinnen die Erinnerungen des Reiseschriftstellers und zeitweiligen Soziologie-Professors Matthias durch die rätselhafte Krankheit der Gefährtin und die Machenschaften von NS-Agenten eine Art von Kriminalspannung, wie sie persönliche Berichte selten bieten.
Auf der letzten Buchseite stellt der zum zweitenmal vereinsamte Matthias fest: "Vom Leben habe ich nun nichts mehr zu erwarten." Er hat sich im September 1970 in Ascona das Leben genommen.