„BAFF“ Weg zu Heintje
Nach neun Uhr abends ist das deutsche Fernsehen bisweilen "für Jugendliche nicht geeignet". Doch am Montag letzter Woche kam erstmals Jugendfunk ins Abendprogramm: Die 16. Folge des WDR-Jugendmagazins "Baff" wurde um 21 Uhr ausgestrahlt und verschreckte prompt die Erwachsenen. Etwa 250 Bürger protestierten nach Sendeschluß gegen diese "Irren-Show", diese "Kommunisten-Scheiße, die zum Himmel stinkt".
"Baff", das "Modell für ein lebendiges, anstrengendes und anspruchsvolles Fernseh-Magazin" ("Die Zelt"), hat wieder einmal "Löcher ins deutsche Gemüt" ("Die Welt") gerissen.
"Schön ist die Welt" sang Rudolf Schock in diesem ersten Abend-,'Baff"' während -- im Bildhintergrund -- Fabrikschlote die Luft verpesteten. Die Sprüche von Werbegraphikern über ein neues Eis-am-Stiel-Plakat ("Ich persönlich tendiere mehr zur Verinnerlichung der Freude") kommentierte der Düsseldorfer Protestsänger Dieter Süverkrüp mit einem Lied über die "Konsumidioten":
schissen seht ihr aus, beschissen," Und während die englische Band "Chicken Shack" über den Bildschirm rockte, informierte eine Einblendung: "Im ZDF läuft jetzt ein prima alter Spielfilm."
Zweieinhalb Jahre lang, am Samstagnachmittag, erreichte der für "Baff" verantwortliche WDR-Redakteur Hans-Gerd Wiegand, 35, mit solchen Kontrastprogranimen nur "das Bewußtsein jugendlicher Zuschauer". Ergebnis: Die jungen Leute machten "Baff" zu ihrer Lieblingsshow.
An "Baff" schätzten sie die Mischung von Pop und Politik. die Kamera- und Montagetricks und eine Präsentation ohne Studio-Glamour' Entertainment-Illusionen und Moderatoren-Conference. "Es ist", sagt Wiegand, "bewußtseinserweiternd und unterhaltend zugleich, wenn man Ausschnitte aus der Realität miteinander kombiniert und kontrastiert."
In seinen 30-Minuten-Sendungen konfrontierte er schon wippende Gogo-girls in Soho mit Kriegskrüppeln in Vietnam; aus der Bonner "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften" blendete er in dänische Pornoläden über; nach einem bundesdeutschen Hunde-Salon ("25 Mark mit Haarfestiger"> zeigte er ausgemergelte Biafra-Babys; den vier abgetretenen "Panorama"-Chefs stellte er Hollands Heintje gegenüber.
Damit eckte Wiegand nicht nur bei älteren Zuschauern an. Als er einen verheirateten niederländischen Priester am heimischen Spültisch filmte, protestierten "mir unbekannte kirchliche Kreise" (Wiegand) beim WDR-Intendanten. Einen Kommentar des ARD-Politik-Koordinators Dieter Gütt zur Bundestagswahl 1969 mußte Wiegand auf Anweisung seines Chefredakteurs Franz Wördemann aus der fertigen Sendung wieder herausschneiden, Wiegand kündigte den Kommentar an, zeigte dann jedoch ein Stück stummen Schwarzfilm und nannte Gütt im Nachspann als Mitarbeiter -- "Baff"-Kenner ahnten den Eingriff.
Nachdem nun aber der Kölner Programmdirektor Peter Scholl-Lataur "Baff" ins ARD-Abendprogramm manövriert hat, hofft Wiegand wieder, ohne hausinterne Zensur "das kritische Denken der jungen Leute" fördern und jetzt auch die Alten "gegen Konsumterror und Unterhaltungsstumpfsinn" mobilisieren zu können.
Das allerdings wird zunehmend schwieriger; Denn "Baff" ist mittlerweile selber zu einem Markenzeichen der Konsumindustrie geworden: Die Bielefelder Dekorations-Gesellschaft "Impressa-Bentlage" fabrizierte 3000 "Baff"-Blechplaketten, die der WDR seinen jungen Zuschauern auf Anforderung kostenlos schickt. In Berlin wurde eine "Baff"-Boutique eröffnet, im westfälischen Münster eine "Baff"-Diskothek eingerichtet, in Ingolstadt soll eine "Baff"-Zeitschrift erscheinen, und in Hannover wird jährlich für zwei Millionen Mark "Baff"-Popkorn hergestellt.
Und nachdem das Magazin nun auch mit "Goldener Kamera" und "Goldenem Bildschirm' ausgezeichnet wurde, fürchtet die Münchner "Abendzeitung" das Ende der angriffslustigen Twen-Show: "Da Ist der Weg zu Heintje & Co. nicht mehr gar so weit."