Max Machon machte Schmeling groß
Max Schmeling machte Wind
Im Hinterzimmer der kleinen Schöneberger Ex-Gaststätte Wüstenhagen, Fritz-Reuter-Straße, amerikanischer Sektor, sitzen alle Tage Berlins Boxer, Ring- und Punktrichter beisammen und fachsimpeln. Max Machon, Schmelings Weggenosse über 22 Jahre, präsidiert. Seit knapp 14 Tagen ist er wieder im viergeteilten Berlin. In seinem Charlottenburger Heim haben ihn Berlins Boxer jetzt zum KBB-Präsidenten (KBB = Kommission für Boxsport Berlin) gewählt.
"Ich bleibe Berlin treu", sagt der 54jährige Manager, "da kann es kommen, wie es will". Max Machon hat seit seiner Remigration noch keine Ruhe gehabt. Sein neuer Posten ist ehrenamtlich. Nach einem neuen Job hat er sich noch nicht umgesehen. Den alten Ringmännern liegt die Nachwuchsschulung am Herzen, deshalb hat er die Wahl angenommen.
"Wir haben so wenig Leute mit Erfahrung. Nur große Erfahrung kann Fehlentscheidungen beim Kampf ausschließen." Neu aufgetauchte Reformvorschläge für eine neue Punktberechnung lehnt der bewegliche Box-Präsident ab. Die bisherige 20er Punktberechnung ist international. Folglich muß sie bleiben.
Die KBB, der Machon vorsitzt, ist der größte deutsche Boxerverband, zuständig für Berlin und die Ostzone. Mit 156 Profi-Fightern. Im Westen gibt es noch acht Verbände.
Berlin hat noch keine Boxvereine. Der Boxsport untersteht dem Magistrats-Hauptsportamt. Eines der wenigen Aemter, die noch nicht ost-westgeteilt sind wie alles in der City. "Wir wollen nicht gespalten werden", das glaubt man dem ehrlichen Machon-Gesicht. Er hofft, es wird gut gehen. Die Boxer sind ausgezeichnete Steuerzahler. 2,5 Steuermillionen zahlen sie im Jahr.
Daß die Berliner Boxer trotz Luftbrücke ein Winterprogramm starten können, freut Machon. "Wir haben jetzt unseren Sportpalast." Die Messehallen am Funkturm fassen 6000 Menschen. Für Weihnachten sind Großkämpfe geplant. Wer gegen wen, steht noch nicht fest.
Weil Schmeling sein Ring-Ade sagte, ist Machon nach Berlin gekommen. Er bleibt aktiv. 1939 kann er sein 30jähriges Boxjubiläum feiern. Inzwischen ist er zum zweitenmal verheiratet. Mit einer Sportsfrau. Erika Machon spielt Hockey bei den "Wespen".
Wenn Max Machon von seinen großen Erlebnissen erzählen kann, wird er sehr lebhaft. Seit 1926 waren Schmeling-Machon ein Gespann. Kennenlernen war Zufall. In Köln brauchte Machon einen Mann, der zwischen den Runden in der Ecke "Wind" machte. Schmeling, blutjunger Anfänger, fand sich. "Er war mir sympathisch. Ich ihm sicher auch." Sie blieben zusammen. Machon machte Schmeling groß.
Zwanzigmal überkreuzten sie allein den Ozean nach USA. 1938 das letztemal. Zum Schmeling-Louis-Kampf. "Da war alles gegen uns." Dann erzählt der Trainer interner: "Tausende von Kommunisten demonstrierten. Waschkörbeweise kamen die Drohbriefe. Maxe hat sie gar nicht alle zu sehen bekommen." Anti-Schmeling-Propaganda-Marken wurden verkauft. Durch Hinterausgänge schlichen sie damals auf die Straße. "Wir waren eben die bösen Nazis," schulterzuckt Machon.
Nach tätlichen Angriffen mußte Schmeling in den Ring steigen. Ein linker Louis-Haken traf Schmelings Schläfe, dann kam der berühmte Nierenschlag. "Und Louis schrieb keine schlechte Handschrift". Jede einzelne Phase weiß Machon noch, jeden Schmeling-Gesichtsausdruck. Er warf das Handtuch. In USA darf das nur der Ringrichter. Schmeling kam bei "Acht" immer wieder hoch. Neuer Louis-Schlag. "Da bin ich dazwischen gesprungen." Das ist in USA auch verboten. "Aber ich laß' doch Maxe nicht totschlagen." Das alles mußte damals in Deutschland unter den Tisch fallen. Für die Verlierer standen nur zwölf alte Freunde auf dem Bahnhof in Berlin-Charlottenburg.
Jetzt ist Schmeling manchmal froh, daß er nicht siegte. "Der Verrückte hätte mich kommen lassen, dann hätte es einen dicken Bonbon an die Brust gegeben. Geendet wäre ich in Nürnberg", sagt Max Schmeling heute. Eine Vorkriegs-USA-Reise kam nicht wieder zustande. Hitler lehnte ab. Fünfmal 100000 Dollar blieben dadurch unverdient.
Max Machons Wunsch ist es, noch einmal einen Schwergewichtler groß zu machen. "Aber ein Weltmeister wird in jedem Land nur alle hundert Jahre einmal geboren." An einen guten Mann, der noch nicht "versaut" ist, würde er sich wagen. Es gibt viele Angebote, aber wenig Talente. Und aus einem Droschkengaul ein Rennpferd machen, das kann auch Max Machon, der Gewiefte, nicht.