Kollaborateur gesucht
Rumäniens Klein-Quisling Horia Sima wittert warmen Regen für seine politischen Pläne von übermorgen. Nach fünf anonymen Jahren wagte sich jetzt der 1945 in Kärnten tief Untergetauchte zum ersten Male wieder an die Oeffentlichkeit.
Damals stand sein Name prominent auf US-General Clarks CIC-Suchlisten. Aber schon als der erste alliierte NS-Zorn dem stärkeren Kommunistenkomplex gewichen war, konnte Sima die Seinen hoffen heißen. "Die Zeit arbeitet für uns", war die Parole auch der rumänischen Faschisten.
Sie arbeitete so gut, daß der einstige Bukarester NS-Mitläufer seinen belasteten Namen nunmehr ohne Scheu unter ein Memorandum setzte, das an König Michaels z. Z. Schweizer Adresse ging. Seine und seiner Legionäre Forderung: Michael möge ihnen Sitz und Stimme im rumänischen Nationalkomitee - Paris und New York - zubilligen. Hinter ihnen marschiere der aktive Teil der rumänischen Emigration.
Zunächst natürlich nur im Geiste. Die Marschbefehle erteilt Chef Sima seinen faschistischen Legionären in Deutschland, Spanien, Italien und Argentinien von seinem österreichischen Versteck aus per Zeitung. "Vestitorul" ("Der Verkünder") verkündet den Veteranen der Eisernen Garde die Stunde der Bewährung. Der Kampf geht "gegen kulturschänderischen Kommunismus und dekadente Demokratie".
Horia Simas bisherige staatsmännische Karriere war eine Kette politischer Pannen. Deren fatalen Folgen entzog sich der ehemalige Bukarester Gymnasiallehrer jeweils mit viel Glück im Unglück. Als Rumäniens königlicher Lupescu-Liebhaber Carol II. in einer Mittsommernacht 1938 die Häupter der Eisernen Garde rollen ließ ("Beim Fluchtversuch erschossen" sagte das offizielle Kommuniqué), saß Sima im sicheren Berlin.
Herzliche Sympathie verband den Codreanu-Nachfolger mit SS-Obergruppenführer Lorenz und den Balkanspezialisten des Reichssicherheitshauptamts. Der großgermanischen Umschulung verdankte der dunkelhaarige Rumäne sein Leben. Daran erinnerte man ihn in den folgenden Jahren häufig und mit Nachdruck.
Allerdings dauerte der Besuch des ehrgeizigen Eisengardisten - rumänische Version der faschistischen Fassade: Wuschelhaar, Lederkoppel und grünes Hemd - in der Prinz-Albrecht-Straße länger als geplant. Bis 1940 nach dem Verlust Bessarabiens, der Bukowina und Nordsiebenbürgens die ohnehin schon angeschlagene Königsautorität zerbröckelte. Simas Sonderzug fuhr von Berlin nach Bukarest.
Parteigesandter und SS-Obergruppenführer Neubacher gab genaue Instruktionen. Aber wieder lag die Eiserne Garde schief: General Antonescus Griff nach der Macht war schneller und sicherer. Selbst grünbehemdet, nahm er den damals 34jährigen Legionskommandeur als Vizepremier mit in die Regierung.
Die politische Ehe zwischen dem autoritären General und den jugendlich-radikalen Legionären dauerte nur vier Monate. Ende Januar 1941 verjagte der General - die Doppelgleisigkeit der Berliner Politik geschickt ausnutzend - die "dummen Nichtstuer und dreisten Narren".
Die bestiegen - diesmal als deutsche Landser getarnt - wieder einen Sonderzug und fuhren nach Berlin. Aber Hitler hatte den faschistischen Unruhestiftern längst seine Gunst entzogen. Auf Ploestis Oelfeldern drillten bereits Teile seiner 22. Infanterie-Lehrdivision rumänische Waffenbrüder. Was er brauchte, waren Ruhe und Ordnung im Hinterland der Zukunftsfront am Schwarzen Meer - keine revolutionären Experimente.
In Berlin wurden die Möchtegern-Experimentatoren an die kurze Leine genommen. Immerhin ließen ihnen dauerhafte SS-Sympathien auch jetzt noch einigen Spielraum. Bis Marschall Antonescu im Mai 1942 grollend in Hitlers Wolfsschanze erschien und sich über die Umtriebe der Horia-Sima-Leute beschwerte. Augenzeuge Oberst Ruiu schilderte später Wutanfall und Angebot des Diktators, die "Legionärs-Bande" in einem neuen Sonderzug nach Rumänien abzuschieben: "Machen Sie dann mit den Kerlen, was Sie wollen!"
Das wollte Antonescu allerdings nicht. Also wanderte Horia Sima nach Buchenwald. "Sonderbehandlung", befahl Gestapochef Kaltenbrunner.
Dazu kam es nicht. Simas Freunde im Kaltenbrunner-Laden und im Auswärtigen Amt setzten die Serie "Glück im Unglück" fort. Der Faschistenhäuptling überlebte. Nach dem Kriege konnten KZ-Legionäre als "Opfer des Faschismus" westalliiertes Mitleid einheimsen.
Aber vorher gab es noch ein Zwischenspiel. Im Frühjahr 1943 entfloh Sima nach Italien. Man nahm den ungebetenen Gast mit Mißtrauen auf, duldete ihn aber. Bis Antonescus heftiger Protest eine scharfe Hitler-Note an Mussolini auslöste und Horia Sima nach Buchenwald zurück mußte. Schwiegersohn Ciano tagebuchte: "Desto besser! Eine Canaille weniger!"
Aber auch Antonescus Stern war im Verlöschen. Der Putsch vom 23. August 1944 fegte ihn und die deutsch-rumänische Waffenbrüderschaft von der Bildfläche. Einen Tag später übersiedelte Horia Sima aus dem KZ in ein Berliner Hotel.
In Wien prüfte um die Zeit in Ribbentrops Balkan-Ausweichstelle Gesandter Altenburg geeignete Kandidaten für die Exilregierungen vertriebener Kollaborateure Südost- und Osteuropas. Rumänienspezialist Gamilschegg, einst Direktor des Deutschen Instituts in Bukarest, stand ihm zur Seite. Als alle Regierungsauserwählten ablehnten, kamen die Legionäre zum Zug.
Anfang 1945 stand das Konkurs-Kabinett. Chef Sima umgab sich mit seinen Getreuen: Dorfapotheker Vasile Jasinski wurde Arbeitsminister, Legionär Manoilescu Propagandaminister. Oberbefehlshaber General Chirnoaga steckte 3000 in Gefangenschaft geratene rumänische Landsleute in deutsche Uniformen. Das Ende ihrer Ausbildung fiel in die Maitage 1945.
Den faschistischen Exilrumänen folgten ein Jahr später die ersten Demokraten auf dem Flüchtlingspfad. Mit Regierungschef General Radescu als erstem und Königsjüngling Michael als Prominentestem. Während im KP-beherrschten Bukarest die Chefs der rumänischen Parteien ins Zuchthaus wanderten*), versammelten sich die Ersatzhäupter im Pariser "Rumänischen Nationalrat", mit General Radescu als Chef der New Yorker Filiale. Die Balkanreferenten im Washingtoner State Department unterhalten herzlich-inoffizielle Beziehungen zu diesem Pauker-Feind.
Von den Exil-Faschisten allerdings halten sich die Exil-Demokraten vorerst vorsichtig fern. Dabei entfaltet Horia Simas Segel im politischen West-Ost-Passat zunehmende Zugkraft. US-zonale Anhänger finden in Münchens Kaulbachstraße 75/III liebevolle Führung. Transatlantische Zentrale auch für die rumänischen Faschisten ist General Perons Argentinien. Seit Apotheker-Minister a. D. Jasinski von Augsburg nach Madrid übersiedelte, predigte Radio Madrids "rumänische Stunde" in nur leicht gedämpften Legionärs-Tönen.
Im Emigrantenzentrum Paris bestanden die Sima-Leute unlängst sogar eine Kraftprobe: Sie vertrieben den Pauker-treuen Erzpriester Martinian Ivanovici aus der Rumänienkirche in der Rue Jean de Beauvais und setzten Metropolit Visarion Puiu, kirchlichen Berater von Simas Wiener Puppenregierung, an seine Stelle.
Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, was vermutet wurde, seit der rote
Archimandrit am 19. August 1949 in Estoril bei Lissabon Exkönig Carol mit Elena Lupescu, geb. Wolff, kirchlich getraut hatte. Es erwies sich, daß Ivanovici einer der Verbindungsmänner zwischen Carol II. und jener Macht war, welche die rumänische Monarchie stürzte. Während des Krieges habe Carol - so trumpft die Eiserne Garde auf - in engster Verbindung mit Sowjetbotschafter Umansky in Mexiko gestanden, und später in Rio de Janeiro mit dem dortigen Sowjetkonsul. Während Rumänien blutete, habe Carol mit den Russen fette Lieferungsgeschäfte gemacht.
Und weiter: Im Herbst 1947 - Carol und die Lupescu waren damals gerade mit ihren berühmt gewordenen 145 Koffern in Lissabon gelandet - seien die Sowjets entschlossen gewesen, König Michael durch Carol II. zu ersetzen: als besseren Sowjetisierungs-Kollaborateur. Diese Zwischenlösung erwies sich dann als überflüssig. Michael ließ sich zwanglos abhalftern.
Heute ist das Problem wieder aktuell Trotz radikaler Gleichschaltung ist sich der Kreml Rumäniens nicht sicher - für den Fall eines Truppenabzuges (der nach einem Oesterreich-Staatsvertrag notwendig würde). Die Russen brauchen - so schlußfolgern Horia Simas Leute plausibel - für die rumänische Schlüsselposition einen gefügigen Statthalter mit Resonanz im Volk und der vom Westen so hochgeschätzten konventionellen Maske.
Carol von Rumänien - aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen - halte sich für prädestiniert. Seine ehrgeizige Gattin - aus dem Hause Wolff - nicht minder.
Rußlandkenner indessen tippen auf Marschall Radion Malinowski als rumänisches Rokossowski-Gegenstück und als Kreml-Kandidaten für die Statthalterei in Bukarest.