PRESSE / „DER AKTIONÄR“ Heiße Tips
Im Londoner Hydepark entschloß sich der Düsseldorfer Selfmade-Verleger Hans Achim Bernecker, 32, mit dem Börsenjournal "Der Aktionär" gewinnträchtige Tips zu verkaufen. Im deutschen Westerwald beschloß er nun, selbst Kasse zu machen und sein Blatt zu veräußern.
In seinem Landhaus im Marktflecken Weidenhahn zog der ehemalige Radrennsportler und heutige Bentley-Fahrer die Bilanz seines kurzen verlegerischen Wirkens und errechnete sich unter dem Strich eine Verkaufssumme von über fünf Millionen Mark. Der Erlös wäre ansehnlich, denn erst im Herbst 1968 hatte er mit 20 000 Mark Eigengeld und 100 000 Mark Bankkredit sein Wochenblatt gegründet.
Schon als 22jähriger Student war Bernecker 1960 in die Redaktion des Düsseldorfer Wertpapier-Informationsdienstes "Die Actien-Börse" eingetreten, die er einige Jahre später für 200 000 Mark kaufte. Bei einem England-Besuch kam ihm 1968 die Idee, daneben auch noch ein illustriertes Tip-Journal für Börsen-Amateure aufzuziehen.
Während der letzten 18 Monate hat sich die wöchentlich erscheinende Außenseiter-Gazette zum Leib- und Magenblatt von gutverdienenden Mittelständlern entwickelt, die Auflage stieg von 20 000 auf über 70 000 Exemplare und liegt nicht nur bei Kiosken, sondern auch an den Anlageschaltern der Banken aus. Bernecker: "Ich habe keine Storys, sondern Geldtips zu verkaufen." Das Blatt schreiben und redigieren keine Journalisten, sondern ehemalige Anlageberater zu Monatsgehältern zwischen 2000 und 3000 Mark.
Unter Schlagzeilen wie "Westag: Nicht mehr lange so billig!" oder "Neckermann: Tiefststand schon erreicht?" werden Börsenwerte angepriesen oder angezweifelt.
Das oft grellbunte Titelblatt des "Aktionärs" wirbt Woche um Woche an den Kiosken für Berneckers Sparplan, gibt Anregungen für den Kauf von Spekulations- und Wachstumsfonds, deckt unsaubere Vertriebsmethoden von Investment-Haien auf und liefert Sparern und kleinen Spekulanten seitenlange Kurstabellen ins Haus. In Anzeigenkampagnen verspricht ihnen Bernecker die "heißesten Tips".
Etablierte Verlagshäuser behandelten den Außenseiter teils mit Herablassung, teils mit maßvollem Interesse. "Handelsblatt"-Jung-Geschäftsführer Dr. Arno Morenz: " So was würde zu uns nicht passen."
Bei anderen überwog das Interesse. So ließ das Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr <"Stern", "Capital") kürzlich bei Bernecker anfragen, ob er nicht verkaufen wolle. Bernecker: "Da mußte ich wohl nachdenken." In München trafen sich Ende vergangener Woche die Verlagsbosse von der Alster mit dem gedrungenen Außenseiter zu einem "ernsthaften Gedankenaustausch" (Bernecker).
Verleger John Jahr wittert in dem Objekt eine Chance, die von ihm und seinem Partner Dr. Gerd Bucerius herausgegebenen Wirtschaftsmagazine "Capital" (Druckauflage: 225 000) und "Der Volkswirt" (41 000) um eine wöchentlich erscheinende Publikation zu erweitern. Bernecker, der sich für 1970 auf einen Umsatz von zehn Millionen hochrechnet, sagt seinem Journal für die Zukunft Auflagen von 300 000 bis 400 000 Stück voraus: "Der Markt ist noch gar nicht angekratzt."
Trotz dieser Aussichten waren die Hamburger Verleger nicht bereit, den von Bernecker verlangten Preis von fünf Millionen Mark zu akzeptieren. Allenfalls wollte John Jahr drei Millionen auf den Tisch legen. Außerdem verlangten die Hamburger von Bernecker eine Konkurrenzklausel" Danach soll sich der Düsseldorfer auch noch von seinem Wertpapierdienst "Die Actien-Börse" trennen. Das aber wollte Bernecker ("Die Börse ist mein Hobby") nicht zugestehen. Falls der Verkaufsinteressent nicht doch noch einlenkt, erwägt John Jahr, ein "eigenes Objekt" herauszubringen. Doch auch Bernecker fühlt sich stark: "Ich habe noch andere Interessenten."
Auf jeden Fall will er sein Geld künftig nicht mehr im Pressegeschäft, sondern mit professioneller Berater-Tätigkeit machen. Bernecker beteiligte sich mit 42 Prozent an der neu gegründeten AVT Allgemeine Vermögenstreuhand GmbH, Köln-Düsseldorf, in der er bereits bis Ende Mai mehr als 100 Millionen Mark Kundengelder ansammeln und anlegen will. Gerüchte, ein geheimnisvoller Finanzier stärke dem Jungmann den Rücken, wischt er vom Tisch: "Ich sehe rot, wenn einer sagt, es gäbe jemand, der mich finanziert."