Datum: 30. März 1970 Betr.: Spiele
Kontroversen, wenn sie lang andauern, bekommen etwas Institutionelles, werden öffentliche Einrichtungen, die jedermann kennt, und so erst werden sie auch zum möglichen Thema der Spassmacher. Hellmuth Karasek zum Beispiel, Kritiker in der "Zeit", hat am SPIEGEL ein "neuartiges Verfahren" entdeckt, "bei dem man mit halber Kraft doppelte Leistung erzielt": Jeder Artikel, "an die richtige Adresse gerichtet", nämlich an das Verlagshaus Springer, provoziere automatisch nach der Presserechtsmanier "Unrichtig ist ... richtig ist vielmehr ..." eine Gegendarstellung in doppelter Länge. Karasek macht auch einige Vorschläge, etwa für Axel Springer: "Es ist gleichfalls unrichtig, dass mein Rauchverzehrer Rauchverzehrer heisst, weil ich auf diese Weise das Andenken eines mir liebwerten Chefredakteurs ehren will ...", etwa für den SPIEGEL: "... doch liegen der Redaktion drei eidesstattliche Erklärungen vor, aus denen hervorgeht, dass Springer plane, sämtliche Berliner Briefe Zehrers in Keilschrift in die westliche Seite der Berliner Mauer einmeisseln zu lassen."
Der "Monat", der mit seinen Lesern ins Spiel kommen will, weidet am gleichen Thema. Im März-Heft stellt er seinen Lesern als "Aufgabe Nr.l: Sie erfahren abends durch Rundfunk oder Fernsehen, dass Axel Springer und Rudolf Augstein sich am gleichen Tage entschlossen haben, in ein Kloster einzutreten. Entwerfen Sie a) die Schlagzeile für die "Bild'-Zeitung des nächsten
Morgens,
b) die sogenannte Hausmitteilung des SPIEGEL vom
darauffolgenden Montag."
Der Einsendeschluss, 1. April. hat sicherlich Symbolwert. Etwas davor schon probierte das Fachblatt "w & v Werben und Verkaufen" ein anderes Spiel mit seinen Lesern. Es fragte die Geschäftsführer und Gesellschafter einiger grosser Werbe-Unternehmen, welche Aktien sie kaufen würden, wenn nach Springer und Burda auch Gruner + Jahr, Bauer, der Jahreszeiten-Verlag und der SPIEGEL in Aktiengesellschaften verwandelt würden. Die Herren, von denen die riesigen Etats der Werbung verwaltet und verteilt werden, antworteten im Spiel dezidiert und kontrovers: Peter Roth (Dorland International): "Bevorzugen würde ich am ehesten Springer ..."; Dr. Hans Hoffmann (Carl Gabler): "Grundsätzlich keine"; Wolfgang Vorwerk (Team) entschloss sich für Springer und Gruner + Jahr; Ludwig Freiherr von Holzschuher (von Holzschuher, Bauer & Ulbricht): "In der
Reihenfolge Gruner + Jahr, Springer, Burda. Ausserdem den SPIEGELwegen seiner Alleinstellung"; Dr. Ferdinand Jungehülsing (Dr. Hegemann) bündig: "1. Springer. 2. SPIEGEL"; Dr. Hans Joachim Schürholz (Troost): "Alle"; John Hackbarth (Masius): "Wenn überhaupt, dann würde ich nur Aktien vom SPIEGEL kaufen"; Curt Meier
(Heumann, Ogilvy & Mather): "In erster Linie Aktien von Burda, dann SPIEGEL"; Berndt Berghäuser (BASF-Werbeleiter): "Eventuell würde ich SPIEGEL-Aktien kaufen, weil sie eine hohe Dividende versprechen." Doppelsinnig antwortete Geert Jäger (Medialeiter Young & Rubicam) : "Das ist eine Frage des Kurses."