GRIECHENLAND / ONASSIS/NIARCHOS Köder in Öl
Der Welt mächtigste Tankermilliardäre, Aristoteles Onassis, 64, und Stavros Niarchos, 60, wollen die Athener Militärjunta vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahren.
Anfang dieses Monats kamen sie mit der Obristenregierung überein, in den nächsten zwölf Jahren rund 800 Millionen Dollar (drei Milliarden Mark) im industriell unterentwickelten Griechenland zu investieren. Die Liaison verspricht Machthabern und Milliardären gleichermaßen Profit: den Tanker-Tycoons weitere Millionengewinne, der Regierung den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung und damit die Sicherung ihres Regimes.
Premier Georgios Papadopoulos sieht in dem angekündigten Dollar-Segen denn auch eine "bessere und glücklichere Zukunft für Griechenland und sein Volk".
Mit dem Abschluß der Wirtschaftspakte durch Kapitalisten und Obristen Anfang März endete ein jahrelanger Kampf rivalisierender Reeder, mächtiger Ölkonzerne und korrumpierter Militärs um Macht und Moneten.
Das Gerangel begann im Februar 1968, als die Regierung die wohl lukrativste Geldquelle Griechenlands feilbot -- eine Konzession für den Bau einer Erdölraffinerie. Mit 7,5 Millionen Tonnen Rohöldurchsatz jährlich soll die neue Anlage das Benzin für die künftige Motorisierung Griechenlands liefern. Bisher existieren im Land nur zwei Raffinerien, eine staatliche in Aspropyrgos (Kapazität: 1,8 Millionen Tonnen jährlich) und eine private der Esso-Pappas-Gruppe mit zwei Millionen Tonnen Kapazität in Saloniki.
Von Anfang an hatte den auf ausländisches Kapital erpichten Obristen die geplante Raffinerie nur als Köder gedient: Den Zuschlag sollte erhalten, wer gleichzeitig auch Kapital in andere, bisher nur zum Teil oder gar nicht erschlossene Bereiche der griechischen Wirtschaft investierte.
Aristoteles Onassis, Grieche mit argentinischem Paß, und der Amerika-Grieche, US-Lobbyist und ehemalige CIA-Mann Tom Pappas bewarben sich als erste um das Projekt. Pappas bot 150 Millionen Dollar zusätzlicher Investitionen, sein kapitalkräftigerer Landsmann hingegen offerierte 360 Millionen Dollar.
Pappas blieb auf der Strecke. Die Verhandlungsposition des Großreeders verstärkte sich automatisch. Er begann, der Militärregierung seine Bedingungen zu diktieren.
Papadopoulos, der fürchtete, sein Freund Onassis könnte sich durch zu harte Verhandlungstaktik selbst aus dem Geschäft katapultieren und ihm damit den Aufbauplan verderben, drängte den Tankerkönig daher, wenigstens einen Vorvertrag abzuschließen. Im Herbst 1968 pressierte es dem Premier so sehr, daß der Reeder seine Flitterwochen mit Ehefrau Jackie auf Scorpios abbrach, nach Athen flog und den Vorvertrag unterzeichnete.
Die Aufgabe, die Modalitäten des endgültigen Vertrages auszuhandeln, überließ der Premier fortan seinem Minister Ioannis Rodinos Orlandos sowie Staatssekretär Ioannis Nassoufis vom Koordinationsministerium.
Monatelang feilschten Nationalökonom Rodinos Orlandos, der in Tübingen und Lausanne studiert hatte, und Diplomingenieur Nassoufis, ehemals Assistent an der TH Braunschweig und Direktor bei Krupp -- beide als "deutsche Garde" im Koordinationsministerium bekannt -, mit dem Tanker-Milliardär um Erdölpreise, Frachtraten, Stromkosten und Kredite.
Während der Verhandlungen mit dem Reeder wurden die im Ölgeschäft unerfahrenen Regierungsvertreter nicht nur klüger (Onassis: "Die Herren lernen noch"), sondern auch mißtrauischer (Rodinos Orlandos: "Wir haben es mit einem Haifisch zu tun"). Hartnäckig weigerte sich der Tankerherr, seine Investitionszusagen so zu präzisieren, daß ein verbindlicher Vertrag abgeschlossen werden konnte.
Das Verhandlungs-Patt nutzte Onassis-.Ex-Schwager Stavros Niarchos, um sich selbst ins Spiel zu bringen. Niarchos übertrumpfte seinen Rivalen mit einem Angebot von 500 Millionen Dollar.
Einem Athener Ondit zufolge hatte Koordinationsminister Nikolaos Makarezos den Konkurrenten selbst zur Abgabe der Millionen-Offerte aufgefordert, um dem von Papadopoulos favorisierten Onassis einen eigenen Günstling entgegenzustellen. Onassis reagierte gereizt auf das Angebot seines Rivalen ("Alles Quatsch") und tat es als "Kopie" seiner Offerte ab. Die Regierung, seit Niarchos, Auftreten in einen Makarezos- und einen Papadopoulos-Flügel gespalten, suchte nach einem Kompromiß. Makarezos: "Die ideale Lösung wäre, wenn beide ihre Investitionsvorschläge realisierten."
Um beiden Schiffahrts-Giganten entgegenzukommen, scheute sich die Regierung sogar nicht, das Raffinerieprojekt in zwei unwirtschaftlichere Anlagen zu je 3,5 Millionen Tonnen Jahreskapazität aufzuspalten. Doch der Deutsch-Gardist im Koordinationsministerium, Rodinos Orlandos. legte sich quer. In einem 14seitigen Memorandum an Premier Papadopoulos empfahl er, das Millionenobjekt -wie international üblich -- weltweit auszuschreiben. Papadopoulos konnte nicht umhin zuzustimmen.
Onassis, der bei einem internationalen Wettbewerb um den Bau der Raffinerie seine Gewinn-Kalkulation gefährdet sah, holte zum Tiefschlag gegen den unbequemen Rodinos Orlandos aus. Im Beisein des Premiers nahm er den Minister an: "Herr Rodinos Orlandos, haben Sie mir nicht gesagt, es müßten die Wahlen kommen, damit die Obristen gehen?" Nur für den Moment schützte Papadopoulos Unparteilichkeit vor. Der Premier zu Onassis: "Die politischen Ansichten des Ministers sind mir aus der Zeit vor der Revolution bekannt." Aber später legte Papadopoulos seinem Minister doch nahe zurückzutreten. Rodinos Orlandos ging im Juni 1969, mit ihm sein Freund Nassoufis. Der Interessenkampf zwischen Reedern und Militärs war damit jedoch noch nicht entschieden.
Erst am 7. März 1970 konnte Papadopoulos verkünden, er sei mit Onassis und Niarchos handelseinig geworden. Hiernach erhält Onassis das Recht, die dritte Ölraffinerie zu bauen. Dafür verpflichtet er sich, 600 Millionen Dollar in verschiedene Projekte zu investieren, darunter in eine komplette Aluminium-Hütte mit einer Jahreskapazität bis zu 260 000 Tonnen und in ein Dampfkraftwerk mit bis zu 1440 Megawatt Leistung jährlich.
Niarchos darf sich zu zwei Dritteln an der bisher voll staatlichen Raffinerie in Aspropyrgos beteiligen, deren Kapazität er von 1,8 auf 4,5 Millionen Tonnen jährlich erhöhen will. Dafür mußte Niarchos der Regierung verbindlich zusagen, außerdem eine Schmierölraffinerie mit 100 000 Tonnen Jahreskapazität, eine Fabrik für Schiffs- und Großmotoren mit über 800 PS Leistung sowie eine neue Groß-Helling für seine eigene Werft zu bauen. Gesamthöhe der Niarchos-Investitionen: mindestens 200 Millionen Dollar.
Neutrale Beobachter freilich zweifeln, ob die beiden Tanker-Herren über ihre eigenen Ölinteressen hinaus mit den versprochenen Millionen überkommen werden. Onassis und Niarchos seien letztlich nur Strohmänner internationaler Ölkonzerne und Finanzgruppen. Sie selbst verfügten kaum über die genügenden flüssigen Mittel, um derartige Mammut-Projekte zu finanzieren.
In der Tat hatte sich schon ein noch mächtigerer Partner der Militärjunta mit seinen Finanz-Zusagen übernommen. Im Mai 1967 hatte Makarezos mit dem US-Konzern Litton Industries (l3O 000 Beschäftigte, acht Milliarden Mark Jahresumsatz) einen ähnlichen Investitionsvertrag abgeschlossen. Der Versuch, Griechenland in der internationalen Finanzwelt hoffähig zu machen, endete mit einem Fiasko. Ende 1969 trennten sich die Obristen von Litton.