PORNOGRAPHIE Sex in der Box
Bill Hambling aus Kalifornien verlegte ein Buch über den amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman und verlor rund 50 000 Dollar. Ein Buch über den Vietnamkrieg mit einer Einleitung des Kriegskritikers Fulbright wurde sein "größter Reinfall des Jahres". Dann entdeckte Hambling den Sex -- und wurde reich.
Heute ist Hambling Präsident des Porno-Verlags Greenleaf Classics in San Diego. Monatlich bringt er 36 Pornotitel heraus. Hambling veranschlagt die Produktionskosten pro Titel mit 25 Cents. Die über 1000 in den USA auf Sex spezialisierten Buchläden nehmen ihm das Exemplar für einen Dollar ab und verkaufen es selbst mit 100 Prozent Gewinn.
Leroy Griffith hatte sich vor einigen Jahren in Miami ein nagelneues Kino gebaut. Griffith: "Früher habe ich "Meine Lieder -- meine Träume' gezeigt und viel Geld verloren. Als ich mich auf Sexfilme umstellte, habe ich in der ersten Woche bereits 4000 Dollar verdient."
Andere Kinobesitzer im Land handelten wie Griffith. Gab es vor fünf Jahren nur rund 90 Filmtheater in den USA, die ausschließlich Sexfilme zeigten, so bieten heute über 600 Kinos Filme dieser Art an; jede Woche stellen sich weitere Theaterbesitzer auf Sex um.
Sie alle profitieren von der Hochkonjunktur der Pornographie. Der Handel mit der abgebildeten, gefilmten und in allen Varianten beschriebenen Obszönität ist in den letzten Jahren auch in den USA ein Geschäft geworden. Der Gesamtumsatz wird nach dem Urteil von Fachleuten nur noch vom illegalen Rauschgiftvertrieb übertroffen.
Staatsanwalt Carl A. Vergari aus Westchester (US-Bundesstaat New York): "Die Schundhändler setzen jährlich 500 Millionen Dollar um." Andere Schätzungen veranschlagen den jährlichen Umsatz der Pornoindustrie auf bis zu zwei Milliarden Dollar.
Porno in Wort, Bild und Ton gilt als so zukunftsträchtig, daß sich nach Informationen der Polizei von Los Angeles bereits die Mal ja, Amerikas geschäftstüchtiges Verbrechersyndikat, für die Branche interessiert.
Hauptumschlagplatz für Pornoprodukte sind nach wie vor die "adult bookstores", wie Amerikaner die Läden für erotische Literatur nennen.
Noch vor wenigen Jahren konnten neun dieser Läden den Pornobedarf der Millionenstadt Los Angeles decken. Heute treiben über 90 Geschäfte schwunghaften Handel mit Büchern, Filmen und Platten, die von Penis und Peitsche handeln. In New York, seit je schon Schwerpunkt der amerikanischen Pornoproduktion, befriedigen sogar 200 Geschäfte die Nachfrage.
Besondere Attraktion dieser Läden: musikbox-ähnliche Guckkästen, die für eine Vierteldollarmünze Minutenfilme mit Sexualakt zeigen.
Stärksten Aufschwung im amerikanischen Pornogeschäft hat in den letzten Jahren der Versandhandel genommen, Sechs bis acht große und über 500 kleinere Produzenten überschütten Haushalte mit unangeforderten Postsendungen, in deren neutraler Verpackung das Angebot vom Farbfilm bis zum künstlichen Geschlechtsteil reicht.
Das Postministerium in Washington registrierte im vergangenen Jahr 237 070 Beschwerden über ungebetene Pornolieferungen.
Beschwerden organisierter und nichtorganisierter Bürger hatten bereits im vergangenen Jahr Präsident Richard Nixon veranlaßt, den Kongreß zur Verabschiedung eines wirksamen Gesetzes gegen den Postversand von Pornowerbung aufzufordern. Denn -- so das Ergebnis einer Gallup-Umfrage
nach wie vor wünschen mehr als drei Viertel aller Amerikaner strengere Gesetze gegen die Pornowelle.
Doch das Oberste Bundesgericht hat seit 1957 in einer Serie von Testlällen immer liberaler als das Volksempfinden und meist zugunsten der Pornoliebhaber entschieden.
Da der Kongreß zögerte, das von der Regierung gewünschte umfassende Anti-Porno-Gesetz zu verabschieden, schreitet die Nixon-Administration, die sich als Sprecherin der "schweigenden Mehrheit" der Amerikaner versteht, von sich aus ein. Das Justizministerium hat allein im Januar ein Dutzend Untersuchungen eingeleitet mit dem Ziel, den Begriff Pornographie enger als bisher zu fassen.
Richard G. Kleindienst, stellvertretender Justizminister: "Wir werden in dieser Frage nicht wie die letzte Regierung die Hände heben und aufgeben."
Zunächst einmal mußte Kleindiensts Behörde zurückstecken. Eine Sammlung erotischer Kunst, die das Justizministerium im November in Baltimore als obszön beschlagnahmen ließ, muß auf Anweisung eines Bundesgerichts in den USA freigegeben werden. Es sind unter anderem Bilder von Hans Belimer und George Grosz.