„SCHICKT EURE MANUSKRIPTE AN BERTELSMANN!“
Bertelsmann zahlt jedem Autor, wenn er drei Bücher bei ihm publiziert hat, eine Rente. Das finde ich, als Kleinverleger, sehr anständig von dem Kollegen.
Kurz vor der letzten Buchmesse hat Bertelsmann das schon einmal kundgetan, und es hat sehr zur Beruhigung der Hitzköpfe beigetragen.
Da damals nichts Genaueres zu erfahren war, hat Bertelsmann jetzt, wo viele Irregeleitete sich ganz unnütz über seine neuen Konzernerwerbungen aufregen, die Autorenrente noch einmal genau erklärt. Das wird wiederum sehr zur Beruhigung der Hitzköpfe beitragen.
Die Autoren, die schon bei Bertelsmann sind, haben es gut. Sie wissen, Kollege Mohn hat es gesagt, "Gewinn ist ein Maßstab. Das wissen sie aus ihren Autorenverträgen -- was dort bisher fehlte, legt Bertelsmann jetzt auf eine Bank und zahlt es ihnen schon frühestens nach fünf Jahren wieder als Rente zurück.
Das Verfahren vieler anderer Verleger, ihren Autoren gleich 12,5 oder gar 15 Prozent Honorar vom Ladenpreis jeden Buches zu zahlen, ist ganz falsch. Das Verfahren Bertelsmann ist richtig: Es bindet die Autoren an den Verlag und schafft ein gutes Betriebsklima. Das Betriebsklima bei Bertelsmann ist bekannt gut: Alle Angestellten erfahren immer sofort aus der Zeitung, was ihr Chef gerade ge- oder verkauft hat, zusammen mit dem Frühstücksei aus der Verlagsfarm.
Bei Bertelsmann erschienen bisher keine deutschen Autoren von Rang. Das ist deswegen so, weil es keine gibt. Es gibt keine, weil ein größerer Verlag fehlt. Reinhard Mohn hat es so ausgedrückt: "Nach internationalen Maßstäben gibt es in Deutschland überhaupt keinen größeren Verlag; das ist einer der Gründe dafür, warum wir mit der deutschen Literatur in den letzten Jahren nicht sehr weit gekommen sind."
Das ist wahr. Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Peter Bichsel, Wolf Biermann, Johannes Bobrowski, Heinrich Böll, Paul Celan, Friedrich Dürrenmatt, Günter Elch, Hans Magnus Enzensberger, Erich Fried, Max Frisch, Günter Bruno Fuchs, Günter Graß, Peter Handke, Helmut Heißenbüttel, Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Günter Kunert, Siegfried Lenz, Reinhard Lettau, Jakov Lind, Peter Rühmkorf, Anna Seghers, Arno Schmidt, Wolfdietrich Schnurre, Martin Walser, Peter Weiss -- ich will aufhören. Wir haben sie satt. diese nicht bei Bertelsmann erschienene Literatur, die uns nicht weiterbringt.
Bertelsmann wird das jetzt endlich ändern; und man muß das ein faires Angebot nennen: Alle deutschen Lyriker brauchen nur je drei Bände bei Bertelsmann zu publizieren -- 600 bis 800 Käufer finden sich dafür bestimmt -, und schon kriegen sie eine Rente. Falls es nicht reicht, schreiben sie noch ein Kochbuch.
Alle deutschen Dramatiker liefern Bertelsmann schnell drei Theaterstücke, und schon sind sie rentenfähig. Falls es nicht reicht, schreiben sie noch einen Reiseführer.
Alle deutschen Prosaschriftsteller veröffentlichen schnell drei kleine Erzählungsbände bei Bertelsmann, und bumms kommt der Rentenbescheid. Falls es nicht reicht, schreiben sie schnell noch ein paar Krimis.
Deutsche Autoren! Schickt eure Manuskripte an Bertelsmann! Aber schnell! Sonst kommt vielleicht schon in wenigen Wochen eine Zusatzbestimmung zum Bertelsmann-Rentenwerk, dergestalt, daß es nur gilt für a) Verfasser gängiger Romane und b) Verfasser von Kochbüchern. Reiseführern und Krimis.
Zugegeben: Verfasser auflagenträchtiger Literatur konnten sich gegenüber ihren Verlegern schon immer besser durchsetzen -- das Neue bei Bertelsmann ist, daß ein Unternehmer diesen alten Zustand zu einer neuen privaten Initiative macht, in freier und einzelner Unternehmerverantwortung,
Wie schematisch ist dagegen dieses freche kollektivistische Vorgehen des Verbandes der deutschen Schriftsteller, der doch seit Jahren fordert, alle Verleger sollten für den honorarfreien Abdruck toter Klassiker eine Gebühr für lebende Autoren zahlen. alle Bibliotheken sollten pro entliehenes Buch eine Tantieme zahlen und alle Schulbuchverleger sollten die Texte, die sie honorarfrei drucken, endlich honorieren; denn aus diesem Fonds sollten dann alle Autoren -- ob Kochbuchverfasser oder Dramatiker -- eine Rente erhalten. Ekelhaft! Das wäre ja wie in Schweden!
Nein! Hier handelt es sich wirklich um die letzte Chance für den immer noch unentdeckten deutschen Großlyriker! Sein Gedichtband wird bei Bertelsmann erscheinen. Er wird mit Sicherheit in der "Welt", der "Zeit". der "Berliner Morgenpost", im "Stern" und in vielen anderen Blättern gelobt werden. Er wird als Taschenbuch bei Ullstein und als Sondervorschlagsband im Bertelsmann-Lesering erscheinen. Er wird von der Ufa verfilmt, der Film läuft in allen Ufa-Kinos und wird in "Hör zu" lobend besprochen. Und alle Gedichte erscheinen als Fernsehkassette, und alles zusammen sozusagen unter einem Dach. Das sind doch mal Aussichten!
Jetzt, wo sogar die Genossen von der SPD schon begriffen haben, wie wichtig so ein Konzern für die Kultur ist, weiß man wirklich nicht, warum es immer noch Leute gibt. die dagegen sind.
Deutsche Autoren! Gewiß, Bertelsmann hat erklärt, die drei Bücher müßten einen "normalen Seitenumfang vorweisen" und "die Versorgungsleistungen können unter bestimmten Umständen gekürzt oder eingestellt werden" <etwa bei "groben Verstößen gegen Treu und Glauben"), und außerdem richte sich die Höhe der Rente "nach einem leistungsorientierten Punktsystem". Bleiben Sie also normalseitig, sanft, treu, gläubig und sammeln Sie fleißig Punkte! Fangen Sie schon heute damit an!
Genaueres wird Bertelsmann kurz nach der Übernahme des Alleinvertriebs aller Druckschriften des Bundeskanzleramtes bekanntgeben. Das wird dann wiederum sehr zur Beruhigung der Hitzköpfe beitragen.