15.01.1968
VERKEHR / ZOLLFREIE LÄDENSchatz im Hafen
Die Goldgrube mißt nur 85 Quadratmeter, aber ohne sie könnte Westdeutschlands größter Flughafen zum Verlustgeschäft werden. "Klein-Helgoland" nennt der Frankfurter Flughafendirektor Dr. Kurt von Laun liebevoll seinen zollfreien Laden im Ausland-Warteraum, der ihm im vergangenen Jahr zwölf Millionen Mark Umsatz brachte.
Acht der zehn westdeutschen Lufthäfen schleusen die Auslandsreisenden jenseits von Paß- und Zollkontrolle an Regalen voller Whisky, Zigaretten und Parfum vorbei. "Save Money" mahnt in Frankfurt ein Plakat, und viersprachig verheißt die Preisliste: "Zollfrei bis zu 60 Prozent preisgünstiger.
Kein Discount-Laden ist billiger als Dr. von Launs Helgoland. Schottische Marken-Whiskys kosten 10,60 Mark, amerikanische 15 Mark. Für sieben Kubikzentimeter Mitsouko-Parfum von Guerlain sind 23 statt 28 Mark, für 200 deutsche Zigaretten acht· statt 20 Mark, für 200 amerikanische zehn statt 60 Mark zu zahlen.
Die 18 Verkäuferinnen, die täglich von 6.30 Uhr bis 21 Uhr im Schichtbetrieb den Frankfurter Laden offenhalten, fertigten im letzten Jahr 400 000 Besucher ab; jeder von ihnen kaufte im Schnitt für 30 Mark ein. Zwei Drittel der Kundschaft waren Ausländer, darunter nicht wenige Stammkunden, die wegen besonders billiger Angebote eigens Zwischenlandungen in Frankfurt einplanen.
Zwei Zöllner überwachen ständig die Kundschaft. Sie darf ihre Flaschen und Päckchen nicht schon Im Warteraum öffnen, denn die Zollbefreiung wird erst wirksam, wenn die Waren jenseits der deutschen Grenze sind. Selbst ein Schluck gleich nach dem Start kann somit riskant sein, denn bei einer unverhofften Zwischenlandung im Bundesgebiet muß die angebrochene Flasche nachverzollt werden.
Auch Nebel bringt Ärger. Kann eine Maschine nicht planmäßig starten, so muß das Verkaufte wieder eingesammelt und den Kunden das Geld zurückgegeben werden.
Aber nichts vermag die zollfreie Hochkonjunktur zu stoppen. Sogar die Konkurrenz der Fluggesellschaften, die an Bord ihrer Maschinen ebenfalls Handel treiben, beeinträchtigt das Ladengeschäft kaum; denn in der Luft ist die Auswahl geringer, der Preispegel höher.
Seit dem ersten Betriebsjahr 1957 ist der Umsatz im Frankfurter Shop auf das Fünfzigfache gestiegen, zehnmal so schnell wie die Passagierzahlen. Um rund 20 Prozent wuchsen die Ladeneinnahmen allein im vergangenen Jahr. Laun: "Von der Rezession haben wir nichts gemerkt."
Für Flughafen-Chefs kann der Handel die Rettung aus roten Zahlen bedeuten. Ihre übrigen Einnahmen, vor allem die Gebühren von Fluggesellschaften, sind knapp kalkuliert und lassen sich auch nicht beliebig erhöhen, da das Bundesverkehrsministerium sie genehmigen muß.
Bei der Flughafen Frankfurt/Main AG stammten im letzten Jahr schon zwölf Prozent des Gesamtumsatzes aus dem zollfreien Laden. Daß die Jahresrechnung 1966 ausgeglichen war und 1965 sogar einen Gewinn ausgewiesen hatte, verdankte die Gesellschaft nicht zuletzt dem Handelserfolg.
Dr. von Laun über seine Schatzinsel: "Der absolut einträglichste und lukrativste Teil des Flughafens."
DER SPIEGEL 3/1968
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