IST REVOLUTION UNVERMEIDLICH?
Nicht ohne Schadenfreude sehe ich die neue Revolutionstheorie heraufziehen: die Theorie der mittelalterlichen Revolution.
Enzensbergers Revolution ist mittelalterlich, weil sie nur in totaler Ablösung vom Marxismus und in ausschließlicher Bejahung des evangelischen Satzes denkbar ist: "Was nützte es dem Menschen, so er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele?"
Sie ist deshalb nur als seelische, als Seelenrettungsrevolution vorstellbar, weil sie jeden Bezug zur materiellen Lage der Arbeiterklasse verloren hat. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurfte, dann wäre es der Haß, mit dem die tatsächliche deutsche Arbeiterklasse die revolutionären Bestrebungen der Studentenschaft verfolgt.
Sie tut ihnen damit böses Unrecht (insofern bin ich absolut Partei, absolut auf seiten der Studenten), aber bestätigt die marxistische These, daß eine Revolution der Arbeiterklasse ohne konkretes materielles Interesse nicht möglich ist.
Das Interesse der deutschen Arbeiterklasse fällt mit dem Interesse der Reaktion zusammen, weil die Revolution, die uns konfrontiert, eine Revolution der Dritten Welt ist und weil die deutsche Arbeiterklasse (auf dem Umweg über den technologischen Vorsprung und die terms of trade) an der Ausbeutung der Dritten Welt teilnimmt.
Angesichts dieser Lage ist weder ein tertium noch ein secundum gegeben, weil die schwachen Möglichkeiten der nonkonformistischen Linken, die Revolution voranzutreiben, hierzulande nur in einer vervielfachten Potenz der Rechten münden können. Was Franz von Assisi und Savonarola nicht gelungen ist, das dürfte (meiner bescheidenen Kalkulation nach) Marcuse und Enzensberger noch weniger gelingen.
Als böses (und von mir gar nicht geschätztes) Faktum verbleibt also: Eine Revolution in dieser Gesellschaft ist vorläufig nur von rechts praktikabel. Mit unseren Vorstellungen hat das gar nichts zu tun. Meine archetypische Reaktion auf den Toten von Bolivien, auf das bleiche Nazarenerhaupt unter dem Barett, ist so stark wie die jedes der jungen Leute, die ihn in ihren Demonstrationszügen tragen; aber meine objektive Lage (wie die Enzensbergers oder aller Angehörigen des SDS) ist die des Profitlers. Eine andere Antwort als die existentielle ist meines Erachtens unerlaubt. Hans Magnus Enzensberger setzt
auf zwei Behauptungen ein Entweder ... Oder. Da ihm beweiskräftige Argumente fehlen, beginnt er, klug und auf rückenstützende Verstärkungen bedacht, mit einem "Tatsächlich".
Es hat wenig Sinn, sich mit der einen oder anderen Behauptung auseinanderzusetzen, solange sich Enzensberger, seinen Fähigkeiten entsprechend, nicht bemüht, den Beweis anzutreten und die Alternative deutlich zu machen. So gelesen, werte ich diesen Absatz als einen Beleg der Leichtfertig-
* Der vollständige Text der Umfrage erscheint als SPIEGEL-Broschüre.
keit im Umgang mit der Demokratie in der Bundesrepublik. Auch fehlt es nicht an modischer Attitüde: Man trägt wieder revolutionär und benutzt das vorrevolutionäre Geplätscher als Jungbrunnen. Dabei kommt es nach wie vor darauf an, die Ursachen der Krise unserer Demokratie zu erkennen, zu benennen und zu beheben, es kommt darauf an, die parlamentarische Demokratie endlich zu etablieren; das macht Mühe, verlangt einen langen Atem.
Der Ruf nach der Revolution hingegen verlangt, wenn er nicht in Bolivien ausgestoßen wird, also hierzulande, allenfalls Gratismut, eine treffliche Wortprägung, die wir Hans Magnus Enzensberger verdanken. Über Revolution zu reden ist unter
Intellektuellen zur Mode geworden wie das -- allmählich aus der Mode kommende -- Verfertigen von "Texten". Wer die Ratschläge der Heiligen -- Mao, Fidel, Castro, Che Guevara, Herbert Marcuse, Frantz Fanon anzweifelt, gilt als Reaktionär. Ich frage mich, was Enzensberger mit dem irreparablen politischen System in der Bundesrepublik meint: die Große Koalition oder die parlamentarische Demokratie?
Das große, alle Diskrepanzen verwischende Bündnis kritisiere ich wie er. Freilich, es ist eine, wenn auch fatale, Spielart der parlamentarischen Demokratie. Offenbar taugen wir Deutschen -- die jungen Revolutionäre lehren es mich -- nicht zur Demokratie. Wir brauchen Helden, brauchen "Bewegung". Was aber will die angekündigte Revolution? Ich kenne ihr Programm nicht, es sei denn, es ist eines der vehementen Destruktion. Nur einigen Zirkeln in den Gewerkschaften traue ich zu, über die Bewegung hinauszukommen -- doch wird es uns helfen? Die vielfach geübte Kritik hat mit Demokratie nichts mehr zu tun, will Demokratie nicht mehr. Sie fordert allerlei, Räterepublik und permanente Revolution, Sie zitiert Guevaras Appell von den vielen Vietnams. Solche Aktionen treffen vielleicht die korrupten, gegängelten Mächtigen, sie massakrieren gewiß Tausende Ohnmächtige.
Die schwätzenden Revoluzzer vergessen die Opfer. Sie mißachten, rasch entmutigt, die Chancen, die der Kritik in einer Demokratie gewährt sind, und sei sie so taub und gleichmacherisch wie derzeit die unsere. Wer verändern will, muß nicht dem Erdboden gleichmachen, was verändert werden soll. (Ich empfehle zur Lektüre, neben Marcuse, Mao und Fanon, Togliatti und vor allem Gramsci.)
Wer in der Politik nicht bis drei
zählen will, macht es sich zu leicht. Das Knarren des Koalitionskarrens ersetzt weder eine revolutionäre noch vor-revolutionäre Situation. Selbst wenn der jetzige Bundeskanzler sein Studium der Phänomenologie abschließt, ohne die Prüfungsaufgabe zu lösen, ist dieser Staat noch korrigierbar -- mit Hilfe demokratischer, das heißt evolutionärer Mittel.
Südamerikanische Vorbilder lassen sich zwar effektvoll auf Spruchbänder, aber nicht effektiv auf mitteleuropäische Verhältnisse übertragen. Ich sehe -- zur Zeit -- ernsthaft keinen deutschen Staat, den eine "Revolution" bewerkstelligen könnte -- außer vielleicht jenem dritten deutschen Staat, in den Chruschtschow West-Berlin verwandeln wollte. Ich sehe auch keine Revolutionäre, bestenfalls Gruppen oder Stände, die Anspruch auf Reformen haben.
Nachdem ich anderthalb Jahrzehnte lang diktatorisch "regiert" worden bin, weil deutsche Ungeduld und Unduldsamkeit das Wachsen eines normalen liberalen Staates nicht zuließen, plädiere ich für Geduld und Toleranz -- auch im Sinne einer unumgänglichen, wenngleich langsamen "Annäherung" der beiden vorerst nur koexistierenden Systeme.
Wie viele andere möchte Enzensberger die starre Zweiteilung zwischen kommunistischer und nichtkommunistischer Welt auflösen. Er hält dabei nichts von der internen Aufweichung dieses Gegensatzes in die Einheitlichkeit einer technisch-wissenschaftlich bestimmten Welt, in der, wie es heißt, allein die Verwalter und Organisatoren das Sagen haben. Wie viele andere meint Enzensberger, daß bei einer solchen Weiterentwicklung die Ungerechtigkeit nicht aus der Welt geschafft würde, ja daß sie zur Vollkommenheit der Sklaverei führen müsse, in der auch die Besitzenden keinerlei Verfügungsrecht mehr hätten und der Mensch, nicht mehr er selbst, nur ein kleiner Stellvertreter der Funktion wäre, die er an einer beliebigen Stelle in der zum Selbstzweck gewordenen Massenorganisation erfüllen müßte, unentbehrlich als Funktion, auswechselbar als Person, als Individuum.
Diesem etwas vereinfachten Bild setzt Enzensberger wie viele andere den Begriff der Revolution entgegen. Wenn man das tut, erreicht man damit heute einen gewissen Effekt, weil dieser Begriff der revolutionären von der sich ausgleichenden Gesellschaft peinlich tabuiert war. Dieser sozusagen sprachkoloristische Effekt hat etwas für sich. Inhaltlich jedoch ist so unvermittelt mit dem Begriff der Revolution gar nichts anzufangen, auch nicht mit dem Begriffsapparat Herbert Marcuses.
Der Gedanke, die bestehenden politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik etwa durch eine Revolution ändern zu wollen, erscheint mir absurd und ohne jede Einsicht in das, was geschichtlich als Revolution zu erkennen ist. Die Kritik am bestehenden politischen System (und das heißt nicht so sehr Kritik am System selbst als an der Praxis, mit der es gerade bei uns gehandhabt wird) läßt sich auf keine Weise in revolutionäre Aktion überführen. Gerade die aktuellen Beispiele von dem, was man heute allenfalls revolutionäre Aktion nennen kann (Kuba, Vietcong, kommunistische Aktionen in Indonesien oder Bolivien), zeigen ja, daß es sich nicht um eine revolutionäre Bewegung im historischen Sinne handelt, sondern um die Beseitigung einer allen offensichtlichen korrupten Herrschaftsschicht durch die im Partisanenkrieg ausgebildeten Kader einer sozialistischen oder kommunistischen Partei ...
Ich möchte nur deutlich machen, wo mir der fundamentale Unterschied zu liegen scheint. Die historisch übersehbaren Revolutionen waren definiert durch den Aufstand von unterdrückten Gesellschaftsteilen, organisiert von Gruppen von Wortführern. Ihre fraktionelle Ausbildung war undeutlich, schwankend und auch nach Beendigung des aktuellen Kampfes nicht fest definiert.
Seit dem Beginn des Kampfes von Mao Tse-tung jedoch steht am Anfang der "revolutionären" Aktion eine parteipolitisch definierte Fraktion, eine sozialistische oder kommunistische Partei. Alle revolutionären Aktionen sind heute Teile einer die ganze Welt umfassenden Bewegung parteifraktioneller Art. Daß dabei die Parteien, die sich als gleichgerichtet verstehen, dennoch in Afrika oder in Indien oder in Südamerika anders aussehen als in Rußland, Europa oder China, ändert nichts an der grundlegenden Unterscheidung.
Der Begriff der Revolution ohne parteifraktionelle Einschränkung gewinnt denn auch vielfach da, wo er heute wieder aufgegriffen wird (nicht, oder noch nicht hei Enzensberger, soweit ich sehe), eine Spitze gegen jedes parteifraktionelle Denken und Organisieren. Das heißt aber, daß im Grunde nicht Revolution im historisch zu definierenden Sinne gemeint ist, sondern Anarchie. Anarchistische Reaktionen gegen die sich ausgleichende nachbürgerliche, nachindividuelle Gesellschaft hilden, so scheint mir, die einzige Alternative gegen die parteifraktionelle Zweiteilung in kommunistische und nichtkommunistische Welt.
Alle anarchistischen Reaktionen (und es ist durchaus vorstellbar, daß etwa in Kuba oder in China versucht wird, solche Reaktionen mit einzubeziehen) sind dadurch gekennzeichnet, daß sie genau abzugrenzen sind in ihrer negativen Zielsetzung, in dem, was nicht gewollt wird, aber in unbestimmte Phraseologie verschwimmen, wenn man nach positiven Programmpunkten fragt.
Die "neue Gesellschaft" ist ja nur ein Wortfetisch. Was nötig wäre, wäre die Bedingungen des Sozialismus neu zu durchdenken und zu bestimmen, auf dem Weg, den die sogenannten Revisionisten der sogenannten kommunistischen Welt angedeutet haben. Daß alle Menschen gleich sind vor dem Gesetz, in der vernünftig gewählten Entscheidung und in der Möglichkeit, materiell zufriedenstellend zu leben, daß aber zugleich diese Gleichheit nur auf der Basis der restlosen Anerkennung psychologischer, physiologischer und verhaltensmäßiger Ungleichheit realisiert werden kann, dieser extreme Widerspruch ist noch gar nicht auf die Praktiken der heutigen Gesellschaft bezogen worden.
Was wir heute sehen, sind vielfach Schablonen historisch unabgebauter Restbestände. Diese sollte man destruieren. Wer davon träumt, auf die Straße zu gehen, unterliegt auch solchen Schablonen. Von Revolution zu reden, scheint mir die neue Form von Romantik zu sein.
Ich bin gewiß nicht einverstanden mit vielem, was heute zur politischen Realität gehört. Aber ich fürchte, ich möchte noch weniger in dem Staat leben, den die heutigen bundesdeutschen Revolutionäre errichten könnten. Ich fürchte, ich könnte nicht mit der Tolerierung etwa der hier geäußerten Meinungen rechnen.
Revolutionen setzen Ideen voraus,
die von der Not geboren wurden und Brände legen. Die leise, sorgsam getarnte Herbeiführung des Notstandes in Deutschland durch Bonn wird von der Mehrheit der Deutschen nicht bemerkt, geschweige denn als Gefahr erkannt -- also fehlte dem halben Dutzend Intellektueller, die revolutionären Geistes sind, jede Gefolgschaft.
Die Opposition als Partei wurde von Wehner "liquidiert". Daher sehe ich heute nur noch eine einzige Chance, diese durch Wehner vor ihrem Verschwinden gerettete schwarze Oligarchie samt ihren Mitläufern aus SPD und NSDAP zu schwächen: ihre systematische Unterwanderung durch anständige Menschen.
Da gibt es ein hoffnungsvolles Beispiel: der Umweg Gustav Heinemanas ins Justizministerium und die damit immerhin vollzogene Ablösung Kopf-Jaegers. Heinemann wie Renate Riemeck beweisen, daß die unmoralische Hürde der Fünf-Prozent-Klausel nur noch von Nazis, nimmermehr aber von Demokraten in Deutschland übersprungen werden kann. Daß heute Frau Professor Riemeck, neben Frau Hamm-Brücher die einzige profilierte Frau in der deutschen Politik, "draußen" steht, zur Ohnmacht verurteilt -- zeigt, daß Heinemanns Kompromiß, ethisch anfechtbar, praktisch notwendig ist. Noch der Botschafter von Hassell beklagte seine Entlassung selbst durch Hitler, so ehrenvoll die auch war, weil er fortan "draußen" stand, daß heißt: ohne Einfluß war.
Intellektuelle verachten Kompromisse -- sehr bedeutende Köpfe allerdings nicht, wie Lenin, wie Churchill, ja wie sogar noch Heuss: War es nicht gut, daß wenigstens er mitmachte und damit auch sein Profil neben dem Adenauers am Anfang über unserer Republik stand, ein Janus-Haupt, wo heute nur mehr ein -- Schafskopf ist?
Die großen Propheten der Weimarer Republik, die buchstäblich -- man lese nach -- die Vernichtung Deutschlands durch Hitler exakt an alle Wände geschrieben haben, die Brüder Mann, Theodor Wolff, Ossietzky, Flake, Tucholsky, Hiller, Theodor Lessing, um nur einige zu nennen, hatten nur ihre Federn, aber kein Amt, keinen Sitz im Reichstag -- und deshalb nicht die geringste Möglichkeit einer Wirkung auf die Straße.
So wird auch heute für Studenten wie Nevermann, wie Dutschke, wie Gisela Erler der Weg in die Praxis nur zu erkämpfen sein, wenn sie mit Hilfe eines Wahlkreises die Führungsriege der SPD zwingen, ihre Mitarbeit zu dulden. Wählerstimmen sammeln -- wer diese Arbeit scheut, wird nicht zugelassen zur Mitwirkung. Wenn Enzensbergers Nürnberger Rede auch in hundert Jahren vielleicht zu den großen, den "klassischen" Reden der Deutschen gezählt werden wird -- heute verhallt sie, solange nicht Enzensberger beispielsweise Mitarbeiter im parlamentarischen Ausschuß zur Vorbereitung der Strafrechtsreform ist.
Augsteins Essay "Lex Springer" war möglicherweise sein bester überhaupt -- da aber auch dieses Manuskript noch dazu beitrug, Springers Setzmaschine zu füttern: Wozu schrieb er ihn dann? Daß Augstein zwar FDP-Mitglied ist -- jedoch im Moment, wo es ernst wird, vor der Bundestagswahl, von Willy Brandt auf den Titel des SPIEGEL ein Photo setzen läßt, das diesen Kanzlerkandidaten vier Millionen Wählern so verzerrt zeigt, als sei er ein Kretin, wurde nicht wiedergutgemacht, als Augstein hinterher
* SPIEGEL-Titel 33/1965.
(wie wir alle) lamentierte, daß Brandts Gegner fast absolut siegte.
Schon diese drei Beispiele beweisen, wie wahr die politischen Nekrologe sind, die kürzlich Kuby dem SPIEGEL und Jaspers uns deutschen Intellektuellen überhaupt, auch sich selber, gesprochen haben. Jaspers: "Daß wir nicht zur Macht gelangen, beruht auf dem Geist selber, denn dieser Geist ist ein betrachtender, ein analysierender ..., aber nicht ein Geist, der sein Leben einsetzt."
Es gibt keine Revolution in Deutschland, weil es dort keine Intellektuellen gibt, Ideenträger, die ihr Leben einsetzen oder auch nur ihren Job. Der Schreiber ist keine Ausnahme. Das Wort "System" ruft unangenehme Erinnerungen herauf. In dem hier gemeinten Sinne stammt es -- oder vielmehr: könnte es stammen aus dem Wortschatz der Nazipropaganda der zwanziger Jahre. Der Sinn ist: Der Staat, das sind die anderen. Damals ließen sich die Massen von dieser Stimmung ergreifen. Die Folgen sind bekannt.
Nun soll zum zweitenmal einem deutschen Versuch, demokratisch-parlamentarische Lebensformen zu entwickeln, ein Ende gemacht werden. Diesmal ist es die literarische Blüte der Nation selbst, die die Sache in die Hand nehmen will, das linke Gegen-Establishment, das Schoßkind unserer Gesellschaft. Also eine Revolution von oben, durch einen intellektuellen Kommandotrupp. Interessant an der Sache ist, daß die weitgehende Politisierung der Literatur in den letzten zehn Jahren zu einer Art Literarisierung der Politik geführt hat.
Wenn es einst Marxens Absicht gewesen war, das rein literarische Interesse (die "Hirntätigkeit der kritischen Kritik", wie er sagte) durch praktische Politik zu überwinden ("alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch"), so besteht die Leistung der "progressiven Kritik" der Enzensbergers darin, alles praktische Interesse wieder in Literatur zurückzuverwandeln.
Enzensbergers "Revolution" ist Literatur, und die Aktionen des Dutschke-Teuf el-Milieus sind, so scheint es, inszenierte Literatur mit Happening-Charakter. Man wird ja den Verdacht nicht los, daß hier nicht das Ereignis die Publicity, sondern die Publicity das Ereignis erzeugt: "Blow up"-Geschichten also, Mannequins von Geschichten, da wälzt sich etwas unter der Linse eines fanatischen Photographen und spielt uns einen trockenen Orgasmus vor.
Das historische Novum ist, daß man diesen Aktionen eine Art von politischer Relevanz zubilligen muß. Sie können zum Beispiel indirekt, das heißt im Zusammenwirken mit anderen Faktoren, etwa einer schlecht geführten Berliner Polizei, eine (schwache) Berliner Regierung zu Fall bringen. Aber Berlin mit seiner abstrusen Insellage und seiner immer etwas febrilen Zauberberg-Atmosphäre ist noch nicht die ganze Bundesrepublik.
Als ich 19 Jahre alt war, hatten wir in Deutschland über sechs Millionen Arbeitslose, sechs Millionen kommunistische Wähler, einhundert Reichstagsabgeordnete der KPD, es war so etwas wie eine revolutionäre Situation, man konnte hoffen. Heute ist die Situation nicht gegeben.
Die deutsche Arbeiterschaft, von Enzensberger für nahezu idiotisch gehalten ("Einzelheiten"), hält ihrerseits die Berliner Studenten für meschugge. Ich frage mich, woher Enzensberger sie denn nun nehmen will, seine revolutionäre Situation. Wenn er und seine Freunde der Meinung sind, daß das nicht Literatur, sondern Praxis ist, was sie im Sinn haben, so müssen sie uns schon überzeugen: durch eine Revolution. Eine Revolution schüttelt man nicht aus dem Ärmel, auch wenn man, wie unsere linke Intelligenz, die deutsche "Bewußtseinsindustrie" (Enzensberger) weitgehend in der Hand hat.
Lenin brauchte mehr als dreißig Jahre und einen Weltkrieg, um die seine zu machen. Hitler brauchte 14 Jahre und eine Weltwirtschaftskrise, ehe man ihm Gelegenheit gab, auf seine Weise die Welt zu verändern. Im Ernstfall wird man jedenfalls nicht mit Literaturpreisen aufeinander schießen.
Vor etwa vierzig Jahren schrieb Gottfried Benn den Satz: "Die Leute sind irre, der Staat muß zertrümmert werden." Für ihn war das Literatur. eine jener nachlässig-behexenden Frivolitäten, die seine Prosa so attraktiv machten. Heute ist man versucht, den Satz auf ganz humorlose Weise zu korrigieren: "Die Leute sind irre, Gott schütze unsere Verfassung!"
Die Antithese Kommunismus -- Revolution ist anno 67 50 wirklichkeitsfern wie der Kontrast von Revolution und Reform, vom neuen System, das geschaffen werden soll, und vom alten, das angeblich durch Partialhilfen nur profitieren kann.
Tertium datur: kleine, vom Willen zur Veränderung im Großen geleitete Schritte. Reformen quantitativer Natur, die, stimmt man ihnen zu, an einem Punkt zu einer qualitativen Metamorphose führen, oder, werden sie unter der Devise "Bis hierhin und nicht weiter!" verweigert, jene "revolutionäre" Situation schaffen, von der im Augenblick nicht die Rede sein kann -- eine Situation, mit der die erfahrungsreichen die Gesetze der Zweiten Industriellen Revolution kennenden und eine demokratische Veränderung der Gesellschaft anstrebenden Fußgänger mehr anfangen werden, als es im Augenblick manchen der "Alles oder nichts" rufenden, in antiquierten Antithesen denkenden und allzu leicht eine Berkeley-Resignation schaffenden Wohlstands-Revolutionäre hoch zu Roß tun.
Tertium datur aut nihil (Ein Drittes oder nichts).
Och sehe drei falsche Alternativen. 1. "Tatsächlich sind wir heute nicht dem Kommunismus konfrontiert, sondern der Revolution." Für die Bundesrepublik sind Kommunismus und (linke) Revolution keine Alternative, sondern Varianten.
Der Krieg gegen die parlamentarische Demokratie wird in der Bundesrepublik von allen Seiten geführt, von Ministern, von Studenten, von radikalen Linken wie von radikalen rechten Autoren, mit der Planung von Notstandsgesetzen" mit der Forderung nach der Revolution, mit "Happenings", sogar die Regierung schafft sie, wie in Berlin, bei Besuchen exotischer Tyrannen oder in Hamburg in den Redaktionsräumen des SPIEGEL.
Wird die Bundesrepublik erst mal gründlich entdemokratisiert, wird alles möglich, eine linke wie rechte Revolution, Kommunismus oder eine Koalition Kiesinger-Thadden. Die einzige deutsche Revolution, die mindestens für zwölf Jahre gesiegt hat und wer weiß wie lange nachwirkt, begann 1933. Vestigia terrent, sagt Horaz.
2. "Das politische System in der Bundesrepublik läßt sich nicht mehr reparieren." Nicht das System ist irreparabel, sondern ein Teil des leitenden Personals, das politisch anrüchig, für jede Regierungsform disponibel und stets dem deutschen Volk akzeptabel ist, meistens Erbstücke aus dem Dritten Reich, in der Regierung, Armee, Justiz, Verwaltung, Im Parlament, in Kirchen, Universitäten, in den freien Berufen, samt Kunst, Literatur und Journalismus. Ein Teil des deutschen Volkes ist tolerant, wo Toleranz zur Mitschuld wird. Keine Revolution kuriert solche Krankheit, außer nach der Methode vom Dr. Eisenbart.
3. "Wir können ihm zustimmen, oder wir müssen es durch ein neues System ersetzen." Es gibt den dritten Weg einer verfassungsmäßigen, entschlossenen Opposition. Warum muß man Kiesinger, Lücke und Lübke zustimmen, oder der Revolution folgen, die Enzensberger und eine Gruppe der Gruppe 47 empfehlen und die -- wie den Zeitschriften "konkret", "Kürbiskern" und "Kursbuch" zu entnehmen sei -- "viel radikaler" wäre als "der naive und krude Leninismus" eines anderen 47er, von Peter Weiss, warum muß man ein System durch ein neues ersetzen?
Wie viele Länder gibt es in der Welt, wo man nicht allen Grund hat, entsetzt zu sein über allzu viele Mißbräuche, soziale Ungerechtigkeiten, kulturelle Mißstände, zynische Mißachtung der Menschenrechte, der Menschenwürde, der Humanität? Was bedürfte keiner Reform in der Bundesrepublik? Was soll sich nicht bessern, einschließlich der Bevölkerung? Es gibt Segnungen der französischen, amerikanischen und russischen Revolution, welche die Bundesrepublik noch nicht genießt. Die parlamentarische Demokratie erleidet viele Einbußen in der Bundesrepublik, sie läuft viele Gefahren. Brauchte es eine Revolution zur Rettung der parlamentarischen Demokratie, zur endlichen Pensionierung aller Pgs, zur gerechteren Verteilung des Volksvermögens, zur Reform der Universitäten, um die Volksinteressen beeinträchtigenden Übertrusts zu nationalisieren, etwa Zechen, Werften, Großbanken, die Gruppe Springer, die Gruppe 47, die IG-Farben, die Vertriebenenorganisationen, die politische Vernunft?
Eine linke Revolution? Ja, wenn es unblutige Revolutionen gäbe, ohne rollende Köpfe, ohne KZ, ohne politische und literarische Entmündigung des Volkes, ohne Verletzung der Menschenrechte und Menschenwürde, ohne Sklaverei im Namen der Freiheit, ohne Unrecht im Namen des Rechts, ohne Glaubenskriege!
Heinrich Heine fragte ungeduldig: "Michel, du schläfst?" Deutschland träumt noch, zuweilen furchterregende Träume. Und manche deutschen Dichter schreiben wie im Schlaf. Schon in der Weimarer Republik klagte man von rechts und links das System an und versäumte, einen reformbedürftigen Staat zu reformieren. Die linken literarischen Oppositionen und Revolutionen endeten tragisch in Deutschland. Ehe man sie durch Revolution dezimiert, sollte man Völker zur Vernunft bringen.
Ich gebe Enzensberger völlig recht,
glaube aber nicht, daß ausgerechnet die Deutschen bereit sein würden, für eine Revolution zu kämpfen, da sie sich doch nicht einmal die gegenwärtigen, wirklich nur minimalsten bürgerlichen Freiheiten erkämpft oder verdient haben, sondern im Gegenteil, unter der Führung der Brandt-Strauß-Koalition, sie unentwegt und auf die zynischste Weise pervertieren.
N ein, alles wäre noch Immer zu retten. Die Sozialdemokratie hat sich immer und überall auf dem Weg von "Marx" über "Godesberg" nach "Bonn" bewegt -- bis dann die allzu enthusiastischen Ausverkäufer spätestens bei den nächsten Wahlen abserviert wurden.
Eine neue Linke, ohne sterile Vorausdiskussionen heute (nicht morgen) geschaffen, gäbe immer noch nicht nur Sozialisten und Kommunisten, sondern auch den über die Desertion ihrer "Führerpersönlichkeiten" wie Günter Graß erbitterten jungen Revolutionären eine neue Heimat und Hoffnung, und der Demokratie, mit der man es in Deutschland noch nie ernsthaft versucht hat, zum erstenmal eine echte Chance. "Enteignet Wehner!" -- dann wird das "Enteignet Springer" in dieser Form gar nicht mehr nötig sein (und der SPIEGEL kokettierte besseren Gewissens mit einem besseren deutschen Establishment).
Einer, der es wissen muß, ein gewisser Lenin, bemerkte einmal bei passender Gelegenheit, ein Revolutionär, der in einer nichtrevolutionären Situation handeln zu müssen glaube, sei keiner, sondern höchstens ein Narr. Wo, bitte, ist die revolutionäre Situation? Die studentische Jugend hat löblicherweise und mit einem Eifer, der ihr wohl ansteht, dem permanenten Unbehagen über die Regierungsmethoden in unserer Bundesrepublik mit legitimen, demokratischen Mitteln Ausdruck gegeben.
Nur zu so! Knüppeleien zwischen Studenten und Polizei sind überall älteste Tradition von mehr oder weniger internem Charakter, wo sie politisch unterbaut sind, erzeugen sie Unruhe, und Unruhe ist immer gut. Aber wem dient der treffliche Hans Magnus Enzensberger eigentlich, wenn er berechtigte Akklamationen zu revolutionären Erscheinungen hochartikuliert? Nun, ich sehe schon angesichts seiner "Alternative" die alerten Herren vom Bundesinnenministerium grinsen wie die Pfefferkuchenpferdchen am Weihnachtsbaum. Sie werden ja in ihrem Bestreben, die Machtverhältnisse in unserer Demokratie bis zur Perfektion zu konsolidieren, nur bestätigt. Gegen eine solche Revolution sind sie bestens gerüstet und im Begriff, sich gegen eine echte Revolution ebenso zu rüsten.
Revolutionen auf demokratischer Ebene enden erfahrungsgemäß immer in einer Diktatur, der Usurpation der Macht, an genau dem Punkte, wo eine politische Bewegung, als welche die Demokratie konzipiert ist, zu einem politischen System erstarrt.
Wir sind weder einer Revolution konfrontiert, noch waren wir es dem Kommunismus, den die bodenlose Heuchelei unserer Regierungsmethoden wie ein Phantom präsentierte, um die einzige, echte Konfrontierung zu verschleiern: die Existenz der DDR in ihrem Willen zu einer Staatenbildung nach ihrem Rezept, einer Volksdemokratie, deren das Maß gebende Partei neben anderen sich mit Betonung nicht als kommunistisch bezeichnet, sondern als eine, welche die Einheit zweier sozialistischer Parteien vollzogen hat.
Eine KPD hat es bis zu ihrem Verbot nur in der Bundesrepublik gegeben, und ihre Vertreter haben eifrig am Grundgesetz mitgearbeitet und haben es mit bedeutend mehr Verve anerkannt als etwa der Freistaat Bayern; sie haben in unseren Tagen wiederum im Falle einer Aufhebung des Verbotes beteuert, daß sie sich strenge an das Grundgesetz zu halten beabsichtigen, strenger jedenfalls als der zum Hüter dieses Gesetzes bestellte Bundesinnenminister, der ein Gesetz nach dem anderen vorlegt, das zu seiner Gültigkeit eine Veränderung des Grundgesetzes voraussetzt.
Das und nur das sind die realen Tatsachen, denen die Deutschen der Bundesrepublik innenpolitisch konfrontiert sind ... Der Protest der zutiefst beunruhigten Jugend gegen die Atombombe und die Barbarei der in den Bürgerkrieg in Vietnam eingreifenden Amerikaner mag der ehrlichen Empörung Ausdruck geben, die der Jugend zusteht, zu einem revolutionären Signal würde dieser Protest erst reifen, wenn er den Willen zu einem Bürgerkrieg in sich schlösse. Das ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen -- zu ihm fehlen so gut wie alle Voraussetzungen.
Also, was soll"s? Es hat schon einmal in Deutschland eine wahrhaft revolutionäre Situation geherrscht, in welcher die revolutionäre Seite den Bürgerkrieg, der in seinen Mitteln und in seiner Auswirkung ebenso grausam ist wie der Krieg, nicht wagen durfte. Die Macht hat die Gegenseite ergriffen und eine Revolution genannt, heutige geschichtliche Einsicht weiß das Phänomen mit den Worten eines modernen Schlagers zu deuten: "Wer hat es getan? Es war der Gemüsemann" der brave Mann von nebenan, der hat es getan ..."
Tertium non dabitur!" haben Propheten, Fanatiker, Autoritäre, Gewalttäter schon immer behauptet. "Wer nicht für mich ist, der ist wider mich!" Ein Wahlslogan oder unzüchtiges Denken. Herkules am Scheidewege: Der Mythos verschweigt, wieviel puerile Emotion da investiert wurde. Scheidewege beschreiben hinterher Historiker aus Mangel an Phantasie, Dichter aus dramaturgischen Gründen. Jedes Ding hat nicht nur zwei, sondern drei bis tausend Seiten.
Ich muß nicht gegen Enzensberger sein, wenn ich seine Alternative billig nenne und ihm die Unterstellung vorhalte: Es sei das augenblickliche politische System in der Bundesrepublik das Produkt von bewußten Manipulationen. Wir haben das System, das wir verdienen: ein Resultat vieler Komponenten; jeder ist eine Teilkraft, auch Enzensberger. Solange nicht energischer, konkreter versucht wurde, vielen und vielem zum Trotz das Grundgesetz ganz zu realisieren, die Freiheiten zum Beispiel, die kaum ein anderes bietet (wer aber nutzt sie?), so lange halte ich dafür, daß ich mit derartigen Alternativen auf einen Weg sehr geringen Widerstandes geschickt werden soll, an dem Fernsehkameras postiert sind.
Was ist lösbar durch Enzensbergers Revolution? Mit wem, meint er, ließe sie sich machen? Wie viele Tote würde das Planspiel des Computers einkalkulieren? Und fressen Revolutionen heutzutage ihre Kinder nicht mehr?
Es gab nationale Situationen, die -- rückblickend beurteilt -- ohne Revolutionen nicht auskamen. Bei uns erkenne ich kaum dergleichen, wohl aber viele ungenutzte Möglichkeiten für Veränderung -- auch drastischer Art. Das freilich fordert männliche Geduld, nicht nur verbale Mitarbeit, viel kritische Erkenntnis, nicht nur verbale Provokation.
Wer bei uns nach Revolution ruft, gibt ungewollt zu, daß er vor "denen da oben" kapituliert. Das halte ich nicht für demokratische, eher für autoritäre Verhaltensweise. Auch nach der Revolution wird es -- nicht nur erfahrungsgemäß -- "die da oben" geben, nur andere.
Dem politisch verrotteten System der Bundesrepublik liegt der handfeste Entwurf einer praktikablen Demokratie zugrunde. Warum den jetzt mit revolutionärem Gestus -- der uns ja ohnedies nichts Besseres verheißt -- zum alten Eisen werfen? Ich bin für Rostabklopfen. Die Notstandsgesetze zu Fall gebracht, die KP zugelassen, den linken Flügel der SPD stark gemacht: Schon sehen wir klarer. Tertium sehr wohl dabitur, besonders in der Politik, die ja schlechterdings die Kunst des Tertium ist. Enzensbergers anmutige Formulierungen -- ich würde am liebsten "anmuthig" schreiben, so rührend altmodisch sind sie -- treffen auch diesmal wieder haarscharf am Schwarzen vorbei und ins Blaue hinein. Was heißt denn das, daß wir "nicht dem Kommunismus konfrontiert" sind, "sondern der Revolution"? Ins Klinische übertragen ergäbe das etwa die Diagnose: "Wir haben es nicht mit einer Epidemie zu tun, sondern mit ihrem Ausbruch." Und warum bewilligt uns Enzensberger keine Reparaturen? Warum will er die schadhaften Stellen unseres demokratischen Gebäudes gleich "durch ein neues System ersetzen" (das doch keinesfalls neu wäre)?
Dieser feinsinnige Ästhet des Politischen scheint die Revolution als l"art pour l'art betreiben zu wollen -- ein Verdacht, der mir auch bei manchen seiner Fortschrittsgefährten bisweilen hochkommt.
Sicher ist -- und das sollten Mao-lesende Studenten wissen -, daß eine Revolution nicht importiert werden kann. Ebenso sicher ist: Wer bei uns, gelenkig vor lauter Realismus, die Evolution als einzig fromme Gegenwart predigt, der ist schon von der Vertröstung geschluckt, er wird, wider besseren Willen, dazu dienen, die herrschende ze-de-uh-es-pe-deh-Immobilität mit einem Anschein von Bewegung zu dekorieren; zu diesem Dienst sind vor allem wir, die Intellektuellen, leicht zu verführen: Mit Herakles-Geste vernichten wir dann und wann ein zum Abschuß freigegebenes Tabu.
Daraus ergibt sich: Wer die Evolution wirklich will, der muß die Revolution betreiben. Das heißt: Er muß die Demokratisierung dieser Gesellschaft fordern bis zu einem Grad, der von den jetzigen Stoppern als sündhaft, gesetzeswidrig oder gar kommunistisch diffamiert wird.
Diese Revolution wird, wie es unserer Tradition entspricht, eine Revolution auf Raten sein. Es ist aber illusionär, die Parteien einfach "ersetzen" zu wollen. Sie sind nichts Defektes, sondern etwas Vorläufiges. Und die Große Koalition ist insofern eine fortschrittliche Regierungsform, als sie unser Bewußtsein präpariert für die Ablösung des naiven Parlamentarismus.
Unsere demokratische Geschichte hat gerade erst begonnen und wird noch 100 oder 100 000 Jahre dauern; da ist es ein bißchen sehr kühn, wenn uns SPD und CDU und ihr intellektueller Set bedeuten wollen, prinzipiell hätten wir mit dem angelsächsischen Muster der Privilegien-Demokratie schon das Ziel unserer Geschichte erreicht. Im Gegenteil: Wir sind am Anfang. Die Revolution -- auf Raten -- geht weiter.