STARFIGHTER Tödliches Taumeln
Die Starfighter-Rotte der Oberleutnants Uwe Bogisch und Henning Kaupsch aus dem Jagdbomber-Geschwader 33 in Büchel (Eifel) schwebte zur Landung auf der Heimatpiste an. Es dunkelte, im Nieselregen tanzten die Feuer der Landebahn vor den Augen der Piloten.
Rottenführer Bogisch sah die bläulich schimmernde Maschine des Rottenkameraden Kaupsch über sich, als der andere plötzlich nach links aus der Landerichtung ausbrach und die Raketen seines Schleudersitzes zündete. Aber der Fallschirm öffnete sich nicht ganz. Oberleutnant Kaupsch schlug hart auf den Boden auf und starb kurz danach.
Das geschah am Montag vorletzter Woche. Inzwischen gilt es als gesicherte Erkenntnis, daß der tödliche Ausgang auch dieses Starfighter-Unfalls, der in der inoffiziellen Verlustliste der Luftwaffe unter Nummer 67 steht, wieder einmal auf die schwachen Leistungen des Lockheed-Schleudersitzes C-2 zurückzuführen ist, mit dem alle deutschen Starfighter ausgestattet sind.
Eine erst unlängst montierte Zusatzrakete, die dem seit langem umstrittenen C-2-Sitz mehr Sicherheit leihen sollte, erwies sich als Quelle neuer Gefahren: Der Schleudersitz, vom Piloten kaum getrennt, verwickelte sich in den Fangleinen des Fallschirms.
Kritisiert wird der Lockheed-Schleudersitz von den Piloten schon deshalb, weil er nach dem Ausschuß aus dem Cockpit nicht auf stabiler Schleuderbahn weiterfliegt, sondern unkontrollierbar ins Taumeln gerät.
Ein erstes Warnzeichen vor dem Risiko des C-2-Sitzes mit verstärkter Schubkraft hatte bereits der Starfighter-Absturz des Oberleutnants zur See Wolfgang Engelmann am 18. Oktober über der Nordsee signalisiert.
Engelmann lag letzte Woche noch mit Rückgratschäden im Krankenhaus. Die Marineflieger argwöhnen, der Schleudersitz sei ihm in den Rücken geflogen.
Eine Woche nach dem Fliegertod des Oberleutnants Kaupsch konfrontierte der Luftwaffen-Inspekteur Johannes Steinhoff den Bundeswehr-Generalinspekteur Ulrich de Maizière einem drastischen Entschluß: Deutschlands Starfighter-Piloten fliegen nicht mehr, bis ein besserer Schleudersitz da ist.
Am vergangenen Dienstag verhieß Steinhoff den Flugzeugführern des Starfighter-Jabo-Geschwaders 34 in Memmingen: "Ich habe jetzt genug von dem Herumexperimentieren, wir müssen Nägel mit Köpfen machen. Ich werde auf eine schnelle Entscheidung für einen sicheren Schleudersitz drängen." Einer der Piloten zum Inspekteur: "Das wäre das beste Weihnachtsgeschenk."
Die Technokraten der Abteilung Wehrtechnik im Bonner Verteidigungsministerium, durch Steinhoffs Startverbot für alle Starfighter zu rascher Tat angetrieben, berieten am letzten Donnerstag mit dem deutschen Repräsentanten der britischen Lockheed-Konkurrenz Martin-Baker, die ihre Schleudersitze seit Jahren anbietet.
Dänemarks Starfighter sind von Anfang an mit Martin-Baker-Sitzen ausgerüstet worden. Zu den Hauptabnehmern des britischen Raketenstuhl-Fabrikanten zählt aber auch die US-Luftwaffe, die dem britischen Sicherheitssystem mehr traut als landeseigenen Erzeugnissen.
Der Martin-Baker-Sitz (Mk. GQ-7) leistet zweifelsfrei mehr als der durch Zusatzrakete verstärkte C-2-Sitz von Lockheed: Schleuderbahn und Trennung des Piloten vom Sitz werden automatisch gesteuert.
Dieses Rettungsgerät war denn auch Zentralthema der Mammutkonferenz, zu der Bonns oberster Düsenpilot die Starfighter-Kommodores, den Starfighter -Sonderstab des Generalmajors Hrabak sowie die Starfighter-Funktionäre aus
- den Ministerialabteilungen Wehrtechnik und Wehrwirtschaft,
- dem Bundesamt für Wehrtechnik
und Beschaffung,
- dem Luftwaffenamt und
- dem Materialamt der Luftwaffe am letzten Freitag in sein Hauptquartier auf der Hardthöhe geladen hatte.
Einziger Tagesordnungspunkt der vielen Zuständigen: "Nägel mit Köpfen" - 750 Martin-Baker-Sitze für ungefähr 25 Millionen Mark.
Schleudersitz-Test*
"Bestes Weihnachtsgeschenk"
* Test mit einem Martin-Baker-Schleudersitz, der aus einer Cockpit-Attrappe des Starfighters herausgeschossen wird.