GESTORBEN Akira Kurosawa
88. Was der durchschnittliche Westeuropäer über Japans Geschichte zu wissen glaubt, das hat er nicht zuletzt aus den Filmepen dieses Regisseurs gelernt. Mittelalterliche Samurai, dazu Jäger, Generäle und Herrscher bevölkern Kurosawas Welt der großen Stürme und grausamen Kriege. Untergang und Apokalypse dräuen in "Rashomon" (1950), "Yojimbo - Der Leibwächter" (1961) oder "Kagemusha - Der Schatten des Kriegers" (1979). Als Gegenzauber kannte er die intime, lyrische Kraft des Traums, widmete ihr eines seiner Spätwerke: "Träume" (1989). Kurosawas Jagd nach Vollkommenheit trieb seine Crews in die Verzweiflung, führte auch dazu, daß seine Budgets viele Jahre lang die Kapazität der japanischen Filmindustrie sprengten. Sie konnte ihn nicht finanzieren - und wollte es wohl auch nicht: Kurosawa galt in seinem Heimatland als nicht repräsentativ für die japanische Kultur, sondern als Kollaborateur des Westens. Allzu häufig stammten seine Vorlagen aus der russischen oder angelsächsischen Literatur: Er verfilmte 1951 Dostojewskis Roman "Der Idiot", auch Shakespeares Herrscherdramen "Macbeth" (als "Das Schloß im Spinnwebwald", 1957) und "König Lear" (als "Ran", 1984). Wie die von ihm geschätzten Literaten grub er - häufig mit ungezügeltem, düsterem Pathos - in der Psyche seiner Figuren, suchte nach der Zerrissenheit, dem Selbstzweifel. Das machte ihn westlichen Augen vertraut, es gab mehrere Remakes seiner Samurai-Filme; und Steven Spielberg und George Lucas sorgten dafür, daß der Sohn eines Offiziers aus altem, verarmtem Samurai-Geschlecht 1990 einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk erhielt. Akira Kurosawa starb am 6. September in Tokio an den Folgen eines Hirnschlags.