„Auch Onkel Willi muß johlen“
Krause, 40, gilt als einer der Vordenker benutzerfreundlicher Computer-Software. Sein kalifornisches Unternehmen MetaCreations setzt mit Grafik-Programmen bereits rund hundert Millionen Dollar um. Das Erfolgsrezept des gebürtigen Esseners: einfache Erklärungen und kinderleichte Handhabung. Allein sein virtueller Foto-Manipulations-Werkzeugkasten "Goo" verkaufte sich dreimillionenmal.
SPIEGEL: Ihre Computer-Programme bringen den Spaß in so komplizierte Themen wie die digitale Bildbearbeitung. Ist es nicht gefährlich, als Spiele-Onkel der Branche zu gelten?
Krause: Damit kann ich leben. Meine erste Frage ist nie, wozu man ein neues Programm brauchen kann, sondern ob die Leute davon begeistert sein werden. Wenn ich mit "Goo" der Mona Lisa ein voll fieses Grinsen ins Gesicht zaubere, dann leuchten nicht nur die Augen des Grafik-Profis. Auch Onkel Willi muß dann johlen: "Hey, Emma, komm ma' rüber. Dat is ja doll, wat dat Ding alles kann."
SPIEGEL: Was bringt es, professionelles Equipment jedem Doofen zugänglich zu machen?
Krause: Wer den Computer als Spielkamerad entdeckt, arbeitet auch gern mit ihm im Büro. Niemand packt seine Texte und Fotos auf dem heimischen Schreibtisch in Ordner und Dateien, wie Windows ihm das vorschreibt. Er legt sie auf Stapel und in Alben. Und er hat Werkzeuge wie Pinsel, Lupe und Radiergummi. Dieses sinnliche Erlebnis bringt ihm unsere Software zurück.
SPIEGEL: Das übliche Chaos, chipgesteuert.
Krause: Aber kreativ. Mich interessieren nicht die eine Million Spezialisten, die sich einen runterholen, wenn sie durch lattenlange Menüleisten jagen. Ich will die 49 Millionen, die nun bald das Internet entdecken. Keiner sagt denen, wie's geht. Also muß ich ihnen die Schwellenangst nehmen.
SPIEGEL: Trotzdem wartet die Branche seit Jahren vergebens darauf, daß MetaCreations auch die leidige Textverarbeitung neu orchestriert.
Krause: Wir müssen zehnmal besser, zehnmal billiger und zehnmal erfolgreicher sein als alles, was man heute kennt. Ich muß den richtigen Zeitpunkt erwischen, sonst machen die Großen mich fertig. Es ist wie bei der Formel 1: Du brauchst das richtige Auto, ein gutes Team, Sprit, Reifen. Wir fahren langsam an den Start ...
SPIEGEL: ... wo schon Bill Gates' Panzer Microsoft wartet: nicht schnell, aber vermeintlich unverwundbar.
Krause: Ich übernehme gern die Rolle des David vor dem Goliath. Die Microsoft-Macht ist nun mal überall.
SPIEGEL: Apple hat die Schlacht längst verloren, obwohl ihr Mac viel bedienungsfreundlicher war ...
Krause: ... weil Gates die Mac-Vorteile - na ja, sagen wir - adaptiert hat. Aber genau das ist das Problem: Maus, Icons, Menüs - alle Grundideen heutiger Computer wurden vor einem Vierteljahrhundert entworfen. Seither wird das alte Zeug nur wiedergekäut und aufgekocht. Schauen Sie sich doch "Metropolis" an. Fritz Langs Zukunft war die lineare Verlängerung der damaligen Gegenwart: noch größere Zahnräder, noch mehr Sklaverei. So wird bis heute gedacht.
SPIEGEL: Wann findet die Revolution statt?
Krause: Windows 2005 wird auch noch menschenfeindlicher Blödsinn sein. Aber danach werden Hard- wie Software neu erfunden. Dann werden wir beim Bier über Woody Allen klönen, ich schmier' ein Kästchen aufs Papier, und schwupps! wird sein letzter Film in Echtzeit darin ablaufen. Alle Bücher, alle Filme, alle Musikstücke und Kunstwerke werden für jeden zugänglich sein. Immer. Überall.
SPIEGEL: Wir werden doch heute schon zugemüllt mit Information.
Krause: Auch der Mensch und sein selektives Wahrnehmungsvermögen werden sich ändern. In meinem Unternehmen tummeln sich rund 30 Leute nur noch in jener Basisforschung, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzt: Wie werden die Kids in 20 Jahren ihr Leben besser meistern können?
SPIEGEL: Bei Gates fragen sich das noch ein paar mehr.
Krause: Dort bauen sie lange Formeln, wer was wie wann machen muß. Und zwischenrein schreiben sie ein kleines Kästchen, über dem steht: Raum für Geniales. Die Renaissance wurde auch nicht von Komitees und Vorstandsvorsitzenden gesteuert.
SPIEGEL: Versteht Ihre Mutter noch, womit Sie Ihr Geld verdienen?
Krause: Nee, die halt' ich da raus. Immerhin schickt sie mir ihre Liebesbriefe neuerdings per E-Mail.