RECYCLING Flasche leer
Bundesumweltminister Peter Altmaier, 54, ist ein fleißiger Mann. In sein Fachgebiet hat er sich mit hohem Tempo eingearbeitet; die Energiewende ist auf gutem Weg, so sieht er es jedenfalls. Und so traut sich der CDU-Politiker nun an ein besonders vertracktes Thema der deutschen Umweltgesetzgebung heran: das Dosenpfand.
Es geht darum, die gute alte Mehrwegflasche vor dem Aussterben zu bewahren, ein deutsches Kulturgut, beliebt bei den Bürgern, jedenfalls bis vor zehn Jahren, als der damalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin auf den Plan trat. Trittin ersetzte das bis dahin ganz gut funktionierende Miteinander von Mehrwegflaschen (mit Pfand) und Einwegverpackungen (ohne Pfand) durch ein hochkomplexes Kreislaufsystem, das Herstellern, Händlern und vor allem den Verbrauchern seither ständig neue Aha-Erlebnisse verschafft.
Fruchtsaftgetränke werden teilweise mit Pfand belegt, Gemüsesäfte rätselhafterweise hingegen nicht. Mal sind 8 Cent fällig, mal 25 Cent. Und plötzlich tauchten sogar wieder pfandfreie Prosecco-Dosen im Supermarkt auf, ein ökologischer GAU, während die umweltfreundliche Mehrweg-Sprudelflasche aus Glas nach und nach aus den Einkaufsregalen verschwindet.
Trittins Amtsnachfolger Altmaier glaubt nun, die Ursache des Problems gefunden zu haben. Sie lautet: Das System ist nicht schlecht, die Bürger sind nur zu doof, es zu begreifen. Es brauche mehr Aufklärung: Allzu viele Verbraucher griffen gedankenlos nach der ökologisch schlechten Einwegflasche, im falschen Glauben, diese würde nach der Rückgabe wieder befüllt.
Vergangene Woche verschickte Altmaier deshalb den Entwurf für eine neue Verordnung an seine Kabinettskollegen. "Die mangelnde Unterscheidbarkeit von bepfandeten Ein- und Mehrweggetränkeverpackungen" sei ein wesentlicher Grund für die unerfreuliche Entwicklung. Es sei daher nötig, die "Irritationen" abzustellen.
Der Altmaier-Plan sieht vor, Einwegflaschen im Laden künftig als Schmuddelware zu stigmatisieren. Getränkeverkäufer sollen ihre Kunden künftig bei jedem Einkauf noch einmal extra darauf hinweisen müssen, ob es sich um Mehrweg oder um Einweg handelt. Details regelt Paragraf 3 der geplanten Verordnung: Demnach wird der Händler verpflichtet, "produktspezifische, deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder" anzubringen, und zwar in folgender Weise: "Die Hinweise müssen in Gestalt und Schriftgröße mindestens der produktspezifischen Preisauszeichnung entsprechen."
Die Kosten für das Verfahren soll der Handel übernehmen; im Altmaier-Entwurf ist von insgesamt 125 000 Unternehmen die Rede. Betroffen wären demnach nicht nur Supermärkte und Discounter, sondern auch "Tankstellen, Kioske, Imbisse und Bäckereien". Gleichwohl halte sich der Aufwand in überschaubaren Grenzen. Auch "für die Einzelpreise von Getränken", so die beruhigende Botschaft, sei "nicht von messbaren Auswirkungen auszugehen".
Die Frage ist freilich, ob von der Verordnung überhaupt irgendwelche Auswirkungen ausgehen werden. Liegt es wirklich an der Ahnungslosigkeit der Verbraucher, dass sich der Marktanteil der Mehrwegflaschen in den letzten Jahren etwa halbiert hat? Oder ist nicht doch eher das missratene System schuld?
Tatsächlich hatte der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenrat für Umweltfragen schon vor der Einführung des Einwegpfands gewarnt, dass der Plan nach hinten losgehen könne. Handel und Verbraucher, so die hellsichtige Prognose der Ökoweisen, würden konkurrierende Sammelsysteme für Ein- und Mehrweg nicht akzeptieren. Doch der damalige Umweltminister Trittin - er trat bei Grünen-Partys auch später noch gern als "DJ Dosenpfand" auf - ließ sich von den Ratschlägen der Experten nicht beirren.
Zudem wirft die geplante Altmaier-Verordnung neue Regulierungsfragen auf. So müssen laut Paragraf 1 des Entwurfs nur solche Getränkeverpackungen gekennzeichnet werden, die der "Pfanderhebungspflicht unterliegen". Saftflaschen, Prosecco-Dosen oder die von einem findigen Abfüller erdachte 3,001-Liter-Cola-Flasche gehören nicht dazu. Dass ein solches System dazu beiträgt, die Irritationen der Verbraucher zu beseitigen, darf wohl bezweifelt werden.
Umweltpolitische Laien könnten deshalb auf die Idee kommen, dass es für Altmaier am klügsten wäre, das missratene Pfandexperiment einfach zu stoppen. Doch so einfach geht das natürlich nicht. "Das Dosenpfand", so beschrieb es einmal ein Mann aus dem Umweltministerium, "hat für uns auch eine religiöse Dimension."