FDP Vollständig abgemeldet
Die Runde im Bonner Innenministerium suchte nach einem Titel für eine neue Abteilung, die sich um den Naturschutz kümmern sollte, aber auch um die Luft, den Lärm oder das Wasser. Peter Menke-Glückert, ein Beamter mit FDP-Parteibuch, erfand schließlich das neue Wort: Umweltschutz.
Das war 1969. Auch die ersten Bundes-Umweltgesetze entwarf, 1971, ein FDP-Staatssekretär. Und die Gründung des Umweltbundesamtes in Berlin setzte 1974 der damalige FDP-Innenminister Hans-Dietrich Genscher durch.
Doch inzwischen ist bei der Stammpartei des Umweltschutzes bundesweit der Lack ab. "Meine Partei vergibt auf diesem Feld eine Riesenchance", schimpft Wortschöpfer Menke-Glückert, 65, heute FDP-Umweltexperte in Bonn.
Jüngster Fall: In der nächsten Woche wollen die Liberalen in Bremen die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen platzen lassen, indem sie einen Mißtrauensantrag der oppositionellen CDU gegen den grünen Umweltsenator Ralf Fücks stützen.
Noch im Januar hatten Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) und FDP-Landeschef Manfred Richter einen Fortbestand der Ampelkoalition in der Hansestadt bis zum regulären Wahltermin im September vereinbart. Nun wird die Wahl aber wahrscheinlich schon im Mai stattfinden.
Der Anlaß für den Absprung der Liberalen, spöttisch "Piepmatz-Affäre" getauft, ist vergleichsweise läppisch: Im Frühjahr 1993 hatte das Bremer Umweltressort sieben Flächen als Vogelschutzgebiete der Europäischen Union gemeldet - darunter auch die Hemelinger Marsch am Südrand der Stadt, wo seltene Tiere nisten.
Dort aber will Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) ein Gewerbegebiet einrichten, dem der Senat im vorvergangenen _(* Während der Koalitionsverhandlungen im ) _(Oktober 1991. ) Jahr auch zugestimmt hatte. Aus Rücksicht auf die Grünen (Wedemeier: "Nicht alles, was zubetoniert wird, dient dem Wachstum") wurde der Beschluß aber nicht umgesetzt. Prompt reklamierte die Umweltbehörde klammheimlich zehn Hektar für den Vogelschutz.
Das sei "Verfassungsbruch", zeterte FDP-Mann Jäger; da "mehr als 17 Prozent" der Bremer Flächen geschützt seien, sieht er schon "das Ende aller wirtschaftspolitischen Möglichkeiten" gekommen.
Das Gejammer ist kaum mehr als ein taktisches Manöver. Die Liberalen fürchten die Wählerinitiative "Arbeit für Bremen", die aus der in Bremen tief zerstrittenen SPD hervorgegangen ist und mit ihrem Wirtschaftsförderprogramm FDP-Wähler ködern möchte.
Daß die Liberalen im Kampf um ihre Stammwähler den Umweltschutz opfern, hat auch bundesweit System. "Es ist schon schwer, nicht zu resignieren", klagt Wolfgang Rauls, Vorsitzender des FDP-Bundesfachausschusses Umweltschutz und Ex-Umweltminister in Sachsen-Anhalt, "braucht die Partei die Ökologen überhaupt noch?"
Eher nicht. Schon vor der Bundestagswahl im Oktober vergangenen Jahres hat es denn auch in der FDP-Fraktion gekracht. Vorschläge liberaler Umweltpolitiker zur Reduzierung des Klimakillers Kohlendioxid, zur Einführung einer Energiesteuer sowie zum Stopp des Atomkraftwerk-Baus wurden vom liberalen Wirtschaftsminister Günter Rexrodt abgebügelt.
Ein Gesetzespaket zur vereinfachten Planung von Fernstraßen oder Schienentrassen dagegen bekam die Zustimmung der FDP. Die damalige FDP-Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer förderte zudem die Zersiedelung der Landschaft, indem sie Schutzvorschriften lockerte. "Die Ökologen wurden nach hinten gedrängt", sagt Rauls.
Die Partei verlor daraufhin einige ihrer Umweltpolitiker. Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum etwa wurde nicht einmal mehr für den Bundestag aufgestellt.
Der Brandenburger Michael Succow, Mitglied im Umweltsachverständigenrat und ehemaliger Vize-Umweltminister in der DDR, gab gar erbost sein Parteibuch zurück: "Beim Naturschutz hat sich die FDP vollständig abgemeldet." Auch der Thüringer Nationalparkförderer Florian Mensel (FDP) warnt vor einem "ökologischen Bankrott" seiner Partei.
Die schleswig-holsteinische Umweltministerin und ehemalige FDP-Politikerin Edda Müller, heute parteilos, verließ die Liberalen gar wegen "eines Manchester-Kapitalismus, bei dem der Umweltschutz ins Abseits gerät".
Vom FDP-Parteivorsitzenden Klaus Kinkel gebe es, sagt Umweltfachmann Rauls, lediglich "verbale Unterstützung" für die grüne Sache. So hat sich zwar im vergangenen Jahr ein FDP-Kongreß zur "ökologischen Marktwirtschaft" bekannt. Aber wie wenig ernst sich die einstige "Partei des Umweltschutzes" selbst noch nimmt, ist einem Faltblatt der Bundespartei zu entnehmen.
Nach der Werbebroschüre der Liberalen hätten die Grünen erst dem Umweltschutz den entscheidenden Stellenwert gegeben - obwohl es die Ökopaxe noch gar nicht gab, als die Liberalen sich schon um Wald und Wasser bemühten. "Aus Dummheit", zürnt FDP-Mann Menke-Glückert, "verlieren wir unsere Kompetenz." Y