Polizei Geschönte Protokolle
Der Zeitungshändler war hartnäckig. Auf der Wache 34 im Hamburger Stadtteil Langenhorn wollte Klaus Lange unbedingt eine Anzeige loswerden.
Immer wieder kam Lange an den Tresen und verlangte, einen Polizisten zu sprechen, denn er wollte sich über angeblich unaufmerksame Streifenbeamte beschweren. Schließlich wurde er den Ordnungshütern zu lästig.
Was danach geschah, schildern sowohl Zeitungshändler Lange als auch Polizisten in Zeugenaussagen so: Zwei der Beamten in der Wache begleiteten den Mann hinaus. "Die haben mich zusammengeschlagen, die Schweine, und in die Eier getreten", röchelte Lange, als ihn wenig später ein anderer Polizist blutend auf dem Platz vor der Wache entdeckte. Die beiden Ordnungshüter hatten ihr Opfer, so die Aussagen, erst zusammengeschlagen und dann hilflos liegengelassen.
Die Täter, sagt Lange, seien die Beamten einer bestimmten Schicht in Langenhorn gewesen, der A-Schicht, die im Kollegenkreis ohnehin einen überaus schlechten Ruf genossen.
Vorfälle wie diese gab es in den vergangenen Jahren offenbar zuhauf auf Hamburger Polizeiwachen. Vor drei Wochen erst mußten Landespolizeidirektor Heinz Krappen und ein verantwortlicher Direktionsleiter ihre Posten räumen, nachdem Polizeitrainer Holger Jänicke-Petersen und ein Kronzeuge beschrieben hatten, mit welch brutalen Methoden Polizisten der Wache 11 am Hauptbahnhof Ausländer schikaniert und gefoltert hatten (SPIEGEL 10/1995).
Derlei Übergriffe, so belegen nun zwei neue Zeugenaussagen, die demnächst den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß zum Hamburger Polizeiskandal beschäftigen werden, beschränken sich keineswegs auf Wachen am Bahnhof oder auf dem Kiez. Polizeischläger langen auch in ruhigeren Revieren am Stadtrand zu, wie etwa in Langenhorn.
So berichtet ein ehemaliger sogenannter Bürgernaher Beamter (BünaBe) der Wache, sechs Kollegen der A-Schicht hätten vor Jahren einen verdächtigen Ausländer "systematisch zusammengeschlagen". Einer der Schläger habe sich nach der Tat gerühmt: "Gestern haben wir wieder einen Ausländer aufgemischt." Und: "Ich wollte, daß das Schwein schreit, aber der war zu stolz dafür, das hat mir imponiert." Eine spätere Überprüfung der Prügelei blieb ohne Folgen; die Beamten, so der Zeuge, hätten sich gegenseitig gedeckt.
Ähnliche Vorwürfe erhebt auch eine ehemalige Angestellte der Wache 34: "Ich hörte und las in den Berichten, daß die Festgenommenen ständig über die Schwelle zur Wache stolperten. Die Kollegen ,konnten sie leider nicht mehr festhalten'', sie schlugen dann auf dem im Raum stehenden Tisch auf und verletzten sich oft erheblich."
Sie selbst, so die Zeugin, habe derlei geschönte Protokolle nach Übergriffen abtippen müssen. Zahlreiche Beschwerden seien sogar aus den Unterlagen der Wache entwendet und vernichtet worden, um die Polizisten zu schützen.
Die Langenhorner A-Schicht wurde offenbar auch von anderer Seite gedeckt. Auch die inzwischen aufgelöste interne Ermittlungsgruppe der Hamburger Polizei, die Abteilung PS3, überanstrengte sich nicht bei den Nachforschungen. Dort hatte der BünaBe bereits im Mai 1990 die brutalen Methoden seiner Kollegen geschildert und ein _(* Festnahme eines Schwarzen durch Beamte ) _(der Wache 11 im Mai 1993. ) 19 Seiten langes Papier über die Wache verfaßt.
Von der Vernehmung blieb nicht viel übrig - ganze zweieinhalb Seiten lieferte die PS3 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ab. Zwei Beamte wurden später versetzt. Die Verfahren gegen die Beschuldigten wurden binnen eines Monats eingestellt.
Einer der PS3-Beamten, so berichtet der Zeuge, habe ihn "regelrecht genötigt", seine Aussage zurückzuziehen; der Polizist habe zugegeben, "ein guter Bekannter" des Leiters von Wache 34 zu sein. Sollte der Zeuge trotzdem auf seiner Darstellung beharren, habe der Fahnder gedroht, "können wir auch sofort beim Staatsanwalt anrufen und Sie wegen Strafvereitelung belangen".
Einmal als angebliche Nestbeschmutzer enttarnt, werden die Polizeizeugen oft Opfer von Gerüchten und Angriffen: Der BünaBe wurde auf der Wache, in Gegenwart von Bürgern, als Homosexueller bezeichnet; sein Haus wurde nachts mit Eiern beworfen, und die Reifen seines Autos hätten mehrmals so viel Luft verloren, sagt er, "daß ich fast einen Unfall provoziert hätte". Über einen Anwalt forderten die beschuldigten Beamten zudem Schmerzensgeld von ihm, weil er sie in Verruf gebracht habe.
Kaum besser ergeht es auch Polizeitrainer Jänicke-Petersen, der den Skandal aufzudecken half.
Am Dienstag vergangener Woche sollte der Polizist seine Vorwürfe vor dem Untersuchungsausschuß wiederholen. Ein Anruf der Hamburger Staatsanwaltschaft am Freitag zuvor hatte Jänicke-Petersen jedoch zum Schweigen gebracht.
Er erhielt die Mitteilung, auch gegen ihn werde ermittelt. Einer der Vorwürfe: Verrat von Dienstgeheimnissen. Y