ABGEORDNETE Farewell im Himalaya
Gut, dass deutsche Abgeordnete ein Herz auch für die vernachlässigten Regionen dieser Welt haben. Südafrika zum Beispiel kann sich nicht darüber beklagen, dass der Deutsche Bundestag dem Land in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Oder der Safari-Renner Kenia. Beide Ziele gehören zu den bevorzugten Reisedestinationen deutscher Parlamentarier.
In den vergangenen Monaten nun ist ein Land hinzugekommen, das bisher nur geografische Kenner zuordnen konnten. Das kleine Königreich Bhutan im Himalaya, eingeklemmt zwischen China und Indien. Und in der Tat - um die deutsch-bhutanischen Beziehungen könnte es besser bestellt sein. Eine deutsche Botschaft gibt es nicht, und das Berliner Entwicklungsministerium (BMZ) hat 2004 alle bilateralen Projekte eingestellt.
Doch nun kümmert man sich. Schon im Februar besuchte eine Abordnung der Deutsch-Südasiatischen Parlamentariergruppe das Königreich, und nun, Ende April, will sich eine sechsköpfige Delegation des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf den Weg machen. Angeführt wird der Tross von der Ausschussvorsitzenden, der CSU-Abgeordneten Dagmar Wöhrl.
Das Königreich, lange abgeschottet von der Außenwelt und auch heute nur schwer erreichbar, ist mit seinen rund 700 000 Einwohnern einzigartig auf dem Globus. Nicht die üblichen Parameter wie Wirtschaftswachstum oder Bruttoinlandsprodukt gelten als Maß der Dinge, sondern die Zufriedenheit der Einwohner. Das Recht auf Glück ist in der Verfassung verankert. Höchste Zeit also, das staatlich verordnete Seelenheil und die unberührte Bergwelt persönlich in Augenschein zu nehmen. Die Angelegenheit scheint den deutschen Abgeordneten so wichtig zu sein, dass sie sich von Unannehmlichkeiten nicht aufhalten lassen.
Bei den Vorbesprechungen im Auswärtigen Amt hatten die Beamten darauf hingewiesen, dass es schwer sein werde, politische Gesprächspartner zu finden. Die Regierung in der Hauptstadt Thimphu tritt gerade turnusgemäß ab, auch das Parlament ist in Auflösung begriffen, und Neuwahlen wird es erst im Juni oder Juli geben. Der Zeitpunkt sei wenig sinnvoll, zudem sei der Trip logistisch schwierig.
Auch das von dem liberalen Dirk Niebel geführte BMZ hatte Bedenken. 50 bilaterale Partnerländer hat Deutschland weltweit, der Himalaya-Staat gehört nicht dazu. Warum also ausgerechnet Bhutan? Die Beamten treibt die Sorge um, dass die Visite neue Begehrlichkeiten in dem Königreich wecken könnte. "Das ist das falsche Signal", sagt ein Südasienexperte des Ministeriums.
Doch so schnell lässt sich ein deutscher Abgeordneter von Einwänden irgendwelcher Fachreferenten nicht beeindrucken. CSU-Frau Wöhrl wenigstens kann nicht erkennen, was gegen den Trip sprechen sollte. "Eine Vergnügungsfahrt wird das nicht", sagt sie. In Bhutan werde über mehrere internationale Organisationen deutsches Steuergeld ausgegeben - Grund genug, sich vor Ort ein Bild zu machen.
So werde es unter anderem Gespräche zu den Themen Landwirtschaft, Frauenrechte, Flüchtlinge und Umwelt geben. Die Botschaft im indischen Delhi hat das Programm zwar noch nicht zusammen, doch Wöhrl weiß schon jetzt: "Wir sind fleißig, wenn wir unterwegs sind."
Ursprünglich wollte die Reisegruppe auch Bangladesch besuchen, um dort die umstrittenen Textilfabriken zu besichtigen. Aus Sicherheitsgründen riet die Botschaft vor Ort davon ab. Jetzt wird Burma angepeilt, das schließlich auch schön ist und von dem gesagt wird, man solle es schnell besuchen, bevor der wirtschaftliche Fortschritt die alte Idylle zerstöre.
Das große Interesse an Ländern wie Bhutan und Burma mag auch damit zusammenhängen, dass sich die Legislaturperiode dem Ende zuneigt. Für viele Abgeordnete ist es die letzte Gelegenheit, sich noch einmal in den entlegenen Regionen der Welt umzuschauen.
Immerhin scheiden im September mit einiger Wahrscheinlichkeit drei der sechs Bhutan-Reisenden aus dem Bundestag aus: Karin Roth (SPD), Helga Daub (FDP) und Jürgen Klimke (CDU). "Das nennt man Farewell-Reisen", spottet ein deutscher Diplomat. Daub und der Grünen-Kollege Uwe Kekeritz, in Bhutan ebenfalls dabei, haben zudem Anfang April noch eine Brasilien-Reise eingeplant.
Auch sonst wird viel gereist über Ostern. Am vergangenen Mittwoch entschwand eine weitere Parlamentariergruppe zu einer Zehn-Tage-Visite nach Indien. Auf dem Programm stehen unter anderem Besuche in der Tee-Region Darjeeling und im Bundesstaat Rajasthan, der wegen seiner Kulturschätze unter Indien-Kennern als Pflichttermin gilt.
Für zwei Veteranen des Bundestags ist es noch einmal ein touristischer Höhepunkt ihrer politischen Karriere: Die Liberalen Hermann Otto Solms und Jörg van Essen scheiden zum Ende der Legislaturperiode aus dem Parlament aus.