SPEKULANTEN Eine Reise zu viel
Das Viertel Sollicciano am Stadtrand von Florenz ist kein Ort, den Finanzmanager freiwillig besuchen. Sie werden in der Regel zwangsweise hierhergebracht, meist in Handschellen.
Denn in Sollicciano gibt es keine prächtigen Palazzi wie im Zentrum der toskanischen Kunstmetropole, sondern nur den Lärm der Autobahn Mailand-Rom und der "FI-PI-LI", der Fernstraße Florenz/Pisa/Livorno; dazu mittendrin ein von außen futuristisch, innen aber schäbig wirkendes Gebäude. Es ist das Gefängnis von Florenz.
Seit gut drei Wochen sitzt dort Florian Homm aus dem Taunus, einer der schillerndsten Finanzjongleure des vergangenen Jahrzehnts. Der 53-Jährige hat Milliardenbeträge verwaltet und in Europa und den USA ein Vermögen gemacht. Auf der Flucht vor Gläubigern war der Zweimetermann jahrelang in Südamerika untergetaucht - bis er am 8. März in den Uffizien, der Florentiner Gemäldegalerie, auf Antrag der US-Justizbehörden festgenommen wurde.
Der ehemalige Hedgefonds-Manager steht im Verdacht, bei windigen Deals mit nahezu wertlosen Aktien Anleger um 200 Millionen Dollar betrogen zu haben.
Die US-Justiz will Homm in den Vereinigten Staaten vor Gericht stellen. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu 25 Jahre Gefängnis.
Die Rechtslage ist kompliziert. Eine Auslieferung in die deutsche Heimat, wo sich Homm am liebsten auf einen möglichen Prozess in den USA vorbereiten würde, kommt nicht in Betracht, da in der Bundesrepublik gegen ihn nicht ermittelt wird. Ausliefern würden die italienischen Behörden Homm nur, wenn ein deutscher Haftbefehl vorläge. Auch das Auswärtige Amt verzichtet bisher auf politische Intervention. "Das laufende Verfahren ist Angelegenheit der unabhängigen italienischen und amerikanischen Justizbehörden", betont eine Sprecherin.
Eine schnelle Auslieferung in die USA scheint ebenso unwahrscheinlich. Es kann Jahre dauern, bis die italienische Justiz darüber entscheidet. Ein US-Bürger, der aufgrund eines amerikanischen Haftbefehls in Italien im Jahr 2007 festgenommen wurde, saß mehr als zwei Jahre lang in Auslieferungshaft, 14 Monate davon im Florentiner Gefängnis Sollicciano.
Ein ähnliches Schicksal könnte nun auch Homm ereilen - was angesichts der angeschlagenen Gesundheit des Beschuldigten schwere Risiken birgt. Der Hüne leidet an multipler Sklerose und an den Folgen einer Schussverletzung, die er sich in Venezuela zuzog. Hepatitis-Infektionen, wie sie in Gefängnissen öfter vorkommen, könnten für den Deutschen lebensbedrohend sein.
Nach einer ersten ärztlichen Untersuchung in Sollicciano wurde Homm aus einer Zelle, die mit sieben Häftlingen belegt war, in eine Viermannzelle des Krankentrakts verlegt. Seine Anwälte wollen nun offenbar erreichen, dass er in das Gefängniskrankenhaus nach Pisa überwiesen oder seine Haft in Hausarrest umgewandelt wird - offiziell wollen sie sich jedoch weder zu den Vorgängen in Italien noch zu den Vorwürfen der US-Justiz äußern.
Dass er überhaupt nach Italien gereist ist, dürfte Homm inzwischen heftig bedauern. Nach Jahren im Untergrund - er selbst spricht von Exil - hatte er sich derart sicher gefühlt, dass er Anfang des Jahres seine Rückkehr ins legale Leben beschloss. Vor seiner Einreise nach Deutschland hatte sein amerikanischer Anwalt überprüft, ob gegen seinen Mandanten ein Haftbefehl vorlag. Die Auskunft war negativ.
So präsentierte Florian Homm sich erstmals seit langem am 3. März wieder der deutschen Öffentlichkeit - ohne Camouflage und tief ins Gesicht gezogener Mütze, wie noch bei einem Interview mit "Stern"-Journalisten, das im vorigen Jahr an wechselnden Orten und nach mehrmaligem Fahrzeugtausch stattgefunden hatte. Nun saß Homm im Berliner ZDF-Fernsehstudio und diskutierte bei Peter Hahne eine halbe Stunde lang mit der Linken-Frontfrau Sahra Wagenknecht über Moral und Unmoral der Finanzbranche. Er sinnierte darüber, wie Gier den Menschen kaputtmachen könne. Er sprach viel über sich und wenig über seine mutmaßlichen Opfer.
Moderator Hahne wollte von seinem Gast wissen, ob er nach der Sendung in Deutschland bleiben wolle und ob er keine Angst habe. "Es ist schon ein bisschen vororganisiert", sagte Homm. Doch so geheimnisvoll, wie es klang, war es nicht.
Homm setzte sich in einen Zug nach Frankfurt am Main und nahm Kontakt zu einem Anwalt auf, der sich mit komplizierten Wirtschaftsverfahren auskennt. Danach fuhr er nach München und bezog privat Quartier. Wo, wussten selbst die Münchner Freunde nicht, mit denen er sich bei Cocktails und Weißbier in der Bar des Nobelhotels Bayerpost traf. Homm posierte vor der klassizistischen Fassade des Hotels für Erinnerungsfotos - und paffte wie in alten Zeiten kubanische Zigarren.
Im Edel-Fischimbiss Gosch im Hauptbahnhof traf sich der ehemalige Börsenstar dann mit Josef Resch, einem Privatdetektiv, der lange nach ihm gefahndet hatte. Vor einem Jahr hatte Resch im Internet per Video ein Kopfgeld von 1,5 Millionen Euro auf den damals noch untergetauchten Finanzmakler ausgesetzt. Nun wollte Homm, so berichtet einer seiner Münchner Freunde, von dem Detektiv die Auftraggeber des Kopfgeld-Aufrufs in Erfahrung bringen. Dafür soll er Resch 10 000 Euro angeboten haben. Bei dem Treffen sei es um einen "großangelegten Rechercheauftrag" gegangen, sagt Resch. Von 10 000 Euro wisse er nichts, "wir sprachen über weit höhere Summen".
Auch sein lang vernachlässigtes Familienleben wollte Homm in Ordnung bringen. Mit seiner Ex-Frau, die mit den beiden gemeinsamen Kindern in den USA lebt, vereinbarte er ein Treffen in Florenz. Am 6. März nahm er den Zug von München Richtung Italien.
Was Homm nicht ahnte: An die Fersen seiner geschiedenen Frau hatten sich offenbar schon Tage zuvor Zielfahnder der amerikanischen Bundespolizei FBI geheftet. Ein Mitarbeiter des FBI im Mailänder Konsulat informierte seine Kollegen in den USA über die wohl bevorstehende Familienzusammenkunft.
Noch am selben Tag erließ ein kalifornisches Bundesgericht in Los Angeles einen Haftbefehl gegen Homm, auf Antrag des FBI. Zwei Tage später nahm die italienische Polizei den Deutschen in Florenz fest. Mit Ex-Frau und Sohn war er gerade dabei, die "Kauernde Venus", eine in der ersten Etage der Uffizien ausgestellte Statue, zu bewundern.